Draußen ist es hell und heiß, drinnen, im Club Chaplin, ist es dunkel und kühl wie die Nacht. Der DJ steht bereit, der Laden ist gerappelt voll. Was nach einer Party aussieht, ist an Seriosität kaum zu überbieten. Ganz offiziell wird hier, im Club in der Mannheimer Innenstadt, der erste Nachtbürgermeister Deutschlands gekürt – mit Goldkette, an der eine schwarze Schallplatte baumelt. Es ist der Student Hendrik Meier, groß, blonde Haare zu einem Dutt geknotet, Skinny-Jeans, der sich aus insgesamt vierzig Bewerbern und bei einem mehrstufigen Votingverfahren durchsetzen konnte. In einer Stadt, die schneller war als andere.
Während in Berlin ein Nachtbürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg angedacht, aber bislang nicht eingeführt wurde, ging in Mannheim alles ganz schnell. Ausschreibung, Abstimmung, Amtsantritt ab August. In Amsterdam gibt es seit 2012 einen „Nachtburgemeester“. Damals war es Mirik Milan, der versuchte, im Vergnügungsviertel Rembrandt die Interessen der Club- und Barbetreiber einerseits und der Anwohner andererseits auszugleichen. Neben dem Einsatz von Sozialarbeitern führte Milan längere Öffnungszeiten ein, damit die Besucherströme sich entzerren können. Der Plan ging auf.
Metropolen wie New York, London oder Paris folgten der Idee mit dem Nachbürgermeister – mit Erfolg. Es gebe weniger Beschwerden von Anwohnern und die Probleme der Szene seien besser zu identifizieren. In Mannheim soll nun Hendrik Meier 50 Stunden im Monat aufwenden, um neben der Vermittlerfunktion seinen Ideen nachzugehen, die teils schon in anderen deutschen Städten praktiziert werden: Vergünstigte Nachttickets für den Nahverkehr einführen, kulturelle Freiräume weiter ausbauen, Kisten für Pfandflaschen an Laternen hängen, kostenloses Trinkwasser in allen Bars anbieten oder die Kampagne „Luisa ist hier!“, ein Hilfsangebot für belästigte Frauen in der Partyszene, unterstützen. Außerdem ist ein Stammtisch geplant, an dem alle Akteure des Nachtlebens und Vertreter von Anwohnern zusammensitzen können.
Bezahlt wird Meier, der nebenher noch als freier Veranstalter und Booker arbeitet, mit einem monatlichen Honorar von 1190 Euro. Das Geld kommt, anders als in Amsterdam, wo das Gehalt durch die Stadt und durch Spenden finanziert wird, ausschließlich aus Mitteln des stadteigenen Gründungszentrums Startup Mannheim, das auch die Stelle zum „Night Mayor der Stadt Mannheim“ ausgeschrieben hatte. Das ist im Vergleich zu New York, wo die dortige Nachtbürgermeisterin ein jährliches Grundgehalt von 130.000 Dollar bekommt, wenig. Aber im Vergleich zu Berlin, wo dieser Posten als rein ehrenamtlich angedacht war, viel. Außerdem bekommt der neue Nachtbürgermeister ein Mobiltelefon, einen Laptop und Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Bis Ende 2019. Dann endet die erste Amtszeit.
„Ich werde alles tun, dass wir eine coole Sache daraus machen“, sagt Hendrik Meier, der ursprünglich aus Nürnberg kommt, kurz nach der Wahl, die durch das Publikum und eine achtköpfige Fachjury mit Vertretern der Stadt, der Clubs und Gastronomie entschieden wurde. Er will als Schnittstelle zwischen allen Beteiligten des Nachtlebens agieren. Doch zuerst müsse der Dialog her. „Ich werde zu jedem Besitzer, in jede Bar gehen und mich persönlich vorstellen“ – sobald er seine Masterarbeit an der Popakademie Baden-Württemberg abgegeben hat. Thema: Die Veranstaltungswirtschaft in der Metropolregion Rhein-Neckar. Abgabedatum: 6. August.
Nach der Wahl lässt sich Hendrik Meier noch am Wasserturm, dem Wahrzeichen von Mannheim, ablichten. Dann geht er mit seiner besten Freundin auf ein Bier in den „Jungbusch“, dem Problemkiez der Stadt – und sein neuer Arbeitsplatz als Nachtbürgermeister.
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