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Teenies am Abgrund

Die britische Serie „The end of the f***ing world“ ist ein düster-charmantes Coming-of-Age-Roadmovie, das tief in das Seelenleben zweier wunderlich-liebenswerter Teenager blickt

  • 3 Min.
Szene aus der Netflix-Serie “The End of the F***ing World"

Um die britische Dramedy-Fernsehserie „The end of the f***ing world“ entsteht gerade ein kleiner Hype. Seit sie auf Netflix zu sehen ist, feiern sie Kritiker und Zuschauer weltweit als Überraschungshit. Warum? Weil sie so schräg ist. Weil sie von zwei Teenagern handelt, die alles andere als normal sind – aber wer ist das schon.

Der Psycho und die Zicke

Der 17-Jährige James musste als kleiner Junge den Suizid seiner depressiven Mutter miterleben. Er wohnt bei seinem Vater, der den Schmerz über den Verlust mit permanentem Gelächter über schlechte Witze überspielt. Alles, was er sagt, wirkt unangebracht. Und James, der fühlt sich zu Hause völlig fehl am Platz.

Allzu viel Mitleid muss man mit James jedoch nicht entwickeln, da er die Situation auf seine ganz eigene Art verarbeitet: Er tötet Tiere. Zunächst Hamster, Vögel, dann Kaninchen und schließlich die Katze des Nachbarn. Irgendwann reicht ihm das nicht mehr, er plant den Mord an etwas Größerem – einem Menschen.

Alyssa plagen derweil ganz andere Sorgen. Während James von seinem aufgedrehten Vater nicht in Ruhe gelassen wird, erfährt sie von ihrer Mutter wenig bis gar keine Beachtung. Zu sehr beschäftigt ist diese mit den beiden kleinen Zwillingen, die sie mit Alyssas Stiefvater hat. Der trägt mit anzüglichen Gesten und Sprüchen seinen Teil zu Alyssas Hass auf die Familiensituation bei. Sie will endlich die Aufmerksamkeit und Zuneigung, die ihr zusteht. Darum kämpft sie verbittert – sie beleidigt, pöbelt, flucht, verführt, sucht sich Regeln, um sie zu brechen. Die vorhersehbaren empörten Reaktionen der spießigen Erwachsenen langweilen sie – nur der völlig gefühlskalte James, der offenbar mit seinem Umfeld genauso wenig anfangen kann wie sie, interessiert Alyssa.

Ohne es zu wissen, befinden die beiden sich in der gleichen Situation: Sie hassen ihr Leben. Und so sitzen sie bald in dem teuren Auto, das James seinem Vater klaut. Alyssa will bloß weg, James soll sie begleiten. Er willigt ein – und beginnt, seinen ersten Mord zu planen.

Nichts für schwache Nerven

Nicht umsonst ist die Serie erst für Zuschauer ab 16 freigegeben. Zwischen den schnellen Schnitten blitzt mal eine blutverschmierte Messerklinge auf, die von James getöteten Tiere, dann spritzt dunkles Blut, viel davon – das ist nichts für zarte Gemüter. Doch „The end of the f***ing world“ ist keine billige Splatter-Horror-Produktion, sondern eine vielschichtige Coming-of-Age-Story zweier besonderer Menschen, die gegen die Dämonen ihrer Kindheit kämpfen, der sie gerade erst entwachsen.

Dabei prallen immer wieder Kontraste aufeinander: düstere Bilder, Blut, Gewalt und dann zwei Teenager, die im honigfarbenen Sonnenlicht durch den Wald streifen, die sich betrinken und zu alten Schallplatten tanzen. James, gefühlskalt, Alyssa, abwechselnd wütend, verzweifelt, genervt, überschwänglich (beide genial gespielt von Alex Lawther und Jessica Barden). Und bei aller Düsterkeit hat, wer den britischen Humor mag, durchaus was zu lachen.

Abgründe und Sehnsüchte

Das gelingt der Serie mit einem erzählerischen Kniff: Was unter der kalten glatten Oberfläche von James und der aufsässig-trotzigen Fassade von Alyssa brodelt, offenbaren sie nur den Zuschauern, die ihre Gedanken hören können. Und während sich dieses unkonventionelle Paar auf den Weg an die englischeKüste macht, ist schon längst klar, dass James und Alyssa eigentlich nur eines wollen: jemanden an ihrer Seite, jemanden, der bleibt.

„The end of the f***ing world“ läuft bei Netflix.

Foto: Netflix

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.