Ob in Berlin, New York oder Tokio – wer bei der weltweit größten Kaffeehaus-Kette Starbucks einen Cappuccino bestellt, hat mitunter das typische Aroma des Kaffees eines kleinen afrikanischen Landes in der Tasse. „Das Land der tausend Hügel“ wird Ruanda im Herzen Afrikas auch genannt. Am Fuße einer Kette zum Teil aktiver Vulkane gelegen, gesegnet mit fruchtbaren Böden und frostigen Höhenlagen, herrscht hier ein ausgezeichnetes Klima für die Bohnen.

 

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Frau bei der Kaffeeernte  (Foto: The Accelerator)

Reiche Ernte, aber selbst keinen Kaffeedurst

(Foto: The Accelerator)

Ruandas Regierung will den Kaffeekonsum jetzt auch im eigenen Land steigern. „Wir Ruander haben selbst nämlich überhaupt keine Kaffeekultur“, sagt Vincent Sebera und lacht. Der Eigentümer des Kaffeehauses Magda war 2010 einer der ersten Geschäftsmänner in Ruandas Hauptstadt Kigali, die lokale Konsumenten überzeugen wollten, ebenfalls eine Tasse des weltweit so beliebten Heißgetränks zu probieren. Das Magda befindet sich in einer ruhigen Seitenstraße im Regierungsviertel zwischen Botschaften, Ministerien, Hotels und dem Kongresszentrum. Vor allem ruandische und ausländische Regierungsangestellte kommen zum Mittagessen hierher: Es gibt Burger, Salate, Suppen – und danach Cappuccino oder Espresso.

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Kaffeerente in Rwanda  (Foto: The Accelerator)

Wie soll man da auch auf den Geschmack kommen: Deutsche Kolonialherren brachten den Kaffeeanbau ins Land der tausend Hügel, später zwangen Belgier die Ruander zum Anbau und immer wieder verhagelte der Weltmarkt die Preise

(Foto: The Accelerator)

Ursprünglich wuchsen in Ruanda keine Kaffeepflanzen, auch wenn sie hier so gut gedeihen. Erst deutsche Kolonialherren haben den Kaffeeanbau Anfang des 20. Jahrhunderts in Ruanda eingeführt. Nach dem Ersten Weltkrieg, dann unter belgischer Kolonialherrschaft war jeder ruandische Bauer, also etwa 90 Prozent der Bevölkerung, gezwungen, auf seinem Acker ein paar Sträucher zu pflanzen und die Ernte zu niedrigen Preisen für den Export abzugeben. Nach der Unabhängigkeit 1962 entstand ein staatliches Exportmonopol. Dank schwindelerregender Exportzölle verdienten die Bauern weiterhin kaum Geld mit ihren Bohnen.

Der Völkermord in Ruanda

100 Tage dauerte das Morden, von Anfang April bis Mitte Juli 1994. Radikale Hutu töteten zwischen 800.000 und einer Million Menschen, vor allem Angehörige der Tutsi-Minderheit. Sie ermordeten aber auch moderate Hutu, die bei den Massakern nicht mitmachen wollten. Die systematische Jagd auf die Tutsi begann, nachdem am 6. April 1994 der ruandische Präsident ums Leben kam, ein eher gemäßigter Hutu. Sein Flugzeug wurde beim Landeanflug auf die Hauptstadt Kigali von einer Rakete abgeschossen. Wer die Täter waren, ist bis heute ungeklärt. Vieles spricht dafür, dass der Völkermord von langer Hand geplant war, so beispielsweise Todeslisten, die bereits 1993 kursierten. Experten sagen, die Massaker an den Tutsi hätten verhindert oder zumindest beschränkt werden können, wenn mehr UN-Truppen vor Ort gewesen wären und die internationale Staatengemeinschaft aktiv eingegriffen hätte.

Als Ende der 1980er-Jahre das internationale Kaffeeabkommen mit seinen Quotenregelungen suspendiert wurde und daraufhin der Weltmarktpreis für Kaffee in den Keller sackte, rutschten Millionen ruandische Kaffeebauern noch tiefer in die Armut – die meisten gehörten zur Ethnie der Hutu, die traditionell als Landwirte tätig waren. Infolge des Völkermords radikaler Hutu an der Tutsi-Minderheit 1994 kam der ruandische Kaffee-Export fast gänzlich zum Erliegen: Radikale Hutu töteten Hunderttausende Tutsi. Jene waren traditionell die Exporthändler, die bei den Hutu-Bauern die Ernte zu Billigpreisen einkauften.

Ruandas Kaffee hatte seitdem in Europa ein schlechtes Image. Er wurde auf dem Weltmarkt in der Verkaufskategorie C angeboten, der untersten Qualitätsstufe: Die Bohnen wurden per Hand ausgelesen, gute und schlechte Bohnen wurden vermischt. Erst mit maschineller Sortierung verbesserte sich in den vergangenen Jahren die Auslese und damit die Qualität.

Heute zählt Ruandas Kaffee zu einem der besten weltweit, die Bohnen gehören zu den Hauptexportprodukten und sind damit wesentlich für Ruandas Wirtschaft. Nachdem 2008 ein norwegischer Importeur von Edel-Kaffeesorten umgerechnet 36 Euro für ein Kilo ruandischen Berg-Kaffee der Sorte Arabica bot, entwickelte sich ruandischer Kaffee zum Trendprodukt. Zum Vergleich: Zuvor verkauften ruandische Bauern ein Kilo Bohnen für rund sechs Eurocent.

Starbucks gab den Startschuss zum Boom

Auch Starbucks-Vizechef Craig Russell bezeichnete bei seinem Ruanda-Besuch 2015 das Aroma als „außergewöhnlich“. Ruandas Landwirtschaftsministerin Geraldine Mukeshimana zeigte sich zufrieden und sagte zu, der Kaffeehaus-Kette knapp 15.000 Säcke zu je 60 Kilogramm Bohnen zu verkaufen. Seitdem sind Ruandas Einnahmen aus dem Kaffee-Export gestiegen: Im ersten Quartal 2016 nahm die Regierung durch Steuern und Zölle umgerechnet 7,5 Millionen Euro aus dem Kaffee-Export ein. Im gleichen Zeitraum 2015 waren es nur rund sechs Millionen Euro.

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coffee shop in Kigali downtown (Foto: Bruno Zanzottera/Parallelozero)

Und noch eine brühwarme Info: Der Kaffee soll in Coffee Shops wie diesem hier in Kigali getrunken werden. Nur ist er von den Preisen her für die meisten Ruander immer noch ein Luxusgut

(Foto: Bruno Zanzottera/Parallelozero)

Der Kaffeeboom wurde möglich, weil sich Ruandas Landwirtschaft gewaltig umgekrempelt hat. Wer aus der Hauptstadt Kigali hinausfährt, sieht heute nicht mehr nur kleine Parzellen mit ein paar Sträuchern, sondern fährt vorbei an Tee- und Kaffeeplantagen, so weit das Auge reicht: an den steilen Hängen der Vulkanberge im Norden, auf den Kämmen der Hügel in den bewaldeten Gebieten weiter südlich. Die meisten der rund 400.000 Produzenten sind Kleinbauern, die sich seit 2002 auf Anweisung der Regierung zu Genossenschaften zusammengeschlossen haben. In diesen Kooperativen sollten die Bohnen lokal weiterverarbeitet werden. Die Regierung und internationale Entwicklungsprogramme investierten in mehr als 200 Maschinen landesweit, um die Bohnen vor Ort waschen, sortieren, trocknen und damit den Exportpreis anheben zu können. Nur so wird Röstkaffee in Ruanda zumindest für manche bezahlbar: Denn 99 Prozent der Ernte wurden bislang direkt exportiert. Wer – wie im Magda – Röstkaffee anbieten wollte, musste die Bohnen geröstet und verpackt importieren. Darum habe die Tasse Kaffee in ruandischen Restaurants wie dem Magda bislang weit mehr als in Deutschland gekostet, sagt Magda-Besitzer Sebera.

Um mögliche Einbrüche auf dem Weltmarkt durch den heimischen Kaffeekonsum auszugleichen, schuf die ruandische Regierung vor einigen Jahren die Nationale Entwicklungsagentur für den Export von Agrargütern. Diese Behörde investierte in die erste nationale Rösterei. Mitglieder der Genossenschaften können ihre Bohnen dort günstig rösten lassen. Auch der im Magda ausgeschenkte Kaffee wird dort verarbeitet: Die Bohnen stammen aus Westruanda, von den steilen Hängen am Ufer des Kivusees, wo sich Tausende Kleinbauern zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen haben.

Wo die neue Mittelschicht surft und schlürft

Eine von der Regierung breit angelegte Kampagne im Radio und auf Plakaten wirbt verstärkt für das heimische Produkt. Staatliche Sender preisen die Vorteile von Koffein für die Gesundheit. In den neu errichteten Einkaufszentren wird auf großen Postern für die verschiedenen Sorten geworben. Kaffee „made in Rwanda“ soll ein Aushängeschild des kleinen Landes werden.

Die Strategie ist in der modernen Boomstadt Kigali bereits sichtbar geworden: In der neuen Fußgängerzone sind inzwischen einige schicke Cafés wie das Magda entstanden, in denen es den lokalen Kaffee in allerlei Varianten gibt. Dort sitzt am Nachmittag die neue Mittelschicht mit ihren Smartphones und Laptops, um im Internet zu surfen, während sie Milchkaffee schlürft.

Doch auch wenn Ruandas Exportschlager billiger geworden ist, bleibt er nach wie vor ein Luxusprodukt: Umgerechnet bis zu zwei Euro zahlt man im Magda für einen Milchkaffee – so viel haben rund 40 Prozent der ruandischen Bauernfamilien täglich nicht zum Leben.

Titelbild: The Accelerator