Wollt ihr mich für dumm verkaufen? Wenn man auf der Auktionsplattform Ebay etwas verkauft oder kauft, erfährt man ganz schön viel Privates – Anatomie einer Transaktion
Es war einfach soweit, diesen Surfanzug aus Neopren endlich mal loszuwerden. Gekauft hatte ich ihn vor Jahren nicht für Maui oder Sylt, sondern für eine Kostümparty. Seither hing das Ding unbenutzt und – weil ich nicht mal mehr reinpasse – vorwurfsvoll im Schrank. Also bei Ebay eingeloggt, Fotos gemacht und hochgeladen, Artikelbeschreibung zusammengestoppelt – und los!
Danach passiert ja erwartungsgemäß lange nichts. Gelangweilt klicke ich durch mein eigenes Profil: seit 2002 bei Ebay, 26 Beurteilungen, alle positiv. Dass Ebay eigentlich mehr über mich weiß, lässt die Rubrik "Mein Feed" erahnen, wo mir ein buntes Sammelsurium an Dingen angeboten wird, von denen das weltgrößte Online-Auktionshaus aufgrund meiner früheren Besuche annimmt, dass sie mich interessieren. Kein Wunder: Ebay merkt sich, wenn man nicht ausdrücklich widerspricht, jeden Klick seiner vielen Millionen Nutzer. Und weil die dafür verantwortlichen Cookies meine "Nutzererfahrung" vor allem "schneller", "einfacher", "bequemer"und "effizienter" machen, rät Ebay mir sogar, "diese zuzulassen".
Dass Ebay meine Daten allerdings nicht nur mir zuliebe in seinen riesigen Serverfarmen in den USA speichert, steht – wenn auch recht vage – im Kleingedruckten. Dort ist viel von "Dienstleistern" und "Drittanbietern" die Rede. Außerdem habe ich bereits mit der Anmeldung mein Okay gegeben, dass Ebay in bestimmten Fällen bestimmte Infos über mich sogar an "Strafverfolgungs- oder andere Behörden oder Dritte" weitergeben kann.
Bis Ende Oktober 2010 hieß es an derselben Stelle noch konkreter, dass meine personenbezogenen Daten "soweit erforderlich,… zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit" übermittelt werden können. Da denkt inzwischen wohl jeder an die NSA. Doch ob meine Ebay-Daten wirklich beim US-Geheimdienst landen, ist umstritten. Ein Interview mit Peter Schaar, bis Mitte Dezember 2013 Datenschutzbeauftragter der Bundesregierung, wurde im vergangenen Jahr so interpretiert; Ebay-Chef Devin Wenig dementierte jedoch wenig später vehement. Als Tatsache gelten kann, dass die NSA in der Vergangenheit mit Ebay-Daten sogar deutschen Behörden bei der Terrorabwehr geholfen hat. Immerhin: Bei Ebay heißt es am Ende der langen, langen Datenschutzklauseln: "Diese Einwilligungserklärung kann ich jederzeit… hier widerrufen." Klickt man hier, kommt man allerdings auf die Seite "Ebay-Konto kündigen".
Ich will jetzt aber lieber erst mal meinen Neoprenanzug verkaufen. Und da ist, zwei Stunden vor Auktionsende, auch schon das erste Gebot: ein Euro, was sonst? Der Bieter, nennen wir ihn bello321*, hat seit 2012 weit über 100 Bewertungen eingesammelt: "Schnelle Zahlung. Gerne wieder." Das Übliche. Von Ebay erfahre ich außerdem, dass bello321 aus Salzgitter kommt, mit eigenen Verkäufen – vor allem Hundebücher, aber auch Plastikefeu und Reitzubehör – bislang 436,66 Euro verdient hat und laut Artikelbeschreibung in einem "Nichtraucher-Hundehaushalt" lebt, wo der Kleiderschrank "aus allen Nähten" platzt. Deshalb also wohl die vielen aktuell angebotenen T-Shirts in Größe M mit "sehr süßen" Aufdrucken und BHs in Körbchengröße 75/80 C.
Als ich gerade anfange, mir wie ein Stalker vorzukommen, beruhigt mich Ebay: "Die meisten Ebay-Mitglieder lesen das Bewertungsprofil anderer Mitglieder, bevor sie mit diesen handeln." Keine Ahnung, ob sich die meisten Ebay-Mitglieder mit den Profilinfos dann auch bei Google und Facebook umschauen. Ebay verbietet das quasi. Trotzdem könnte ich mir nach einer kurzen Online-Suche fast sicher sein, zu wissen, um wen genau es sich bei bello321 handelt (inklusive Familienstand, Wohnadresse, Handynummer, Hobbys usw.). Doch bevor ich mir ein noch umfassenderes Bild des zukünftigen Besitzers meines Surfershortys machen kann, wird bello321 überboten. Den Zuschlag, 2,17 Euro, erhält drei Sekunden vor Auktionsende eine Pädagogin aus Mecklenburg-Vorpommern, die 2010 mit ihrem Lebensgefährten an der christlichen Schule, an der sie arbeitet, ein Kinderprojekt ins Leben gerufen hat, bei dem… Doch halt: Auch das darf ich, im Gegensatz zu Ebay, ja eigentlich alles gar nicht wissen. Aber mir ist das ja auch egal.
*) Name geändert