600 Euro zahlt Bernhard W. für seine 28 Quadratmeter große Wohnung in der Augustenstraße, nichts Ungewöhnliches für die Münchener Innenstadt. Das Problem: Nach der Miete bleiben dem 73-Jährigen von seiner Rente nur noch 200 Euro im Monat. Das reicht eigentlich nicht mal für das Notwendigste in einer Stadt, die zu den teuersten in Deutschland zählt. „Man schämt sich“, sagt er. Die Not will er sich nicht anmerken lassen. Er versucht, sich „anständig“ anzuziehen. Seine Kleidung ist zwar secondhand, aber sauber; er trinkt und raucht auch nicht. Mit der Armut hat er sich abgefunden. „Ich bin keine Ausnahme“, sagt Bernhard W. Die Zahl der Hilfe beziehenden Rentner steigt deutschlandweit: seit 2005 um fast 100.000 auf 436.000, meldete kürzlich das Statistische Bundesamt. Wie Herr W. sind diese Menschen auf die sogenannte Grundsicherung vom Sozialamt angewiesen. Für die Zukunft zeichnen Politik und Wohlfahrtsverbände düstere Szenarien, da die Berufstätigen mit ihren Beiträgen immer mehr Rentner versorgen müssen.
Irgendwann hängt einem die Erbsensuppe zum Hals heraus
Ausgerechnet das wohlhabende Bayern hat dabei eine der höchsten Quoten an armen oder armutsgefährdeten Senioren. Etwa jeder Fünft e über 65 Jahre zählt zu dieser Gruppe. Die vielen Menschen, die früher in der Landwirtschaft gearbeitet haben, prägen und verfälschen diese Statistik ein wenig. Aber auch das traditionelle Familienbild Bayerns sei ein Grund dafür, sagen Sozialverbände. Statt zu arbeiten und in die Rentenkasse einzuzahlen, sind viele Frauen zu Hause geblieben, um für die Kinder zu sorgen. Bernhard W. hingegen hatte einfach nur Pech im Leben. Früher hat er als Kaufmann gearbeitet, schwere Depressionen haben ihn vorzeitig aus dem Berufsleben gerissen. Eine richtige Altersvorsorge konnte er nicht ansparen. Bitter, gerade in München, das so gern mit schönen Dingen lockt. „Am vierten Tag hängt dir die Erbsensuppe zum Hals raus“, sagt Bernhard W.
Immer wieder berichten die Münchener Zeitungen über Rentner, die sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können, weil die Mieten wie in jeder Großstadt seit Jahren stark steigen. Bernhard W. könnte aus seiner Wohnung ausziehen, in der er seit 30 Jahren wohnt. Schon häufiger wurde ihm geraten, in die neuen Bundesländer zu gehen, die Wohnungen dort seien billiger. Doch wer will in dem Alter schon ein neues Leben beginnen, wo man niemanden kennt? Er schafft es nicht alleine, aber Bernhard kommt dennoch über die Runden – dafür sorgt der Verein Lichtblick. Vor zehn Jahren gegründet, unterstützt er arme alte Menschen in ganz Deutschland. Der Verein stellt Gutscheine für Monatstickets aus, verschenkt Lebensmittel und ersetzt den Bedürftigen Elektrogeräte oder andere Haushaltswaren, wenn diese kaputtgehen. Hin und wieder unternehmen die Senioren gemeinsam kurze Busreisen, gehen ins Konzert oder ins Theater. Vor allem aber bringt der Verein jene zusammen, die sich sonst womöglich aufgegeben hätten. „Ein Großteil der alten Menschen hat resigniert“, sagt Dorothea Wiepcke, Mitarbeiterin bei Lichtblick. „Wer arm ist, hat meistens keine Energie, Kontakt mit anderen aufzunehmen.“