Algerien wird ein deutscher Rüstungsmanager entführt. Ralf Eley, Verbindungsmann des Bundeskriminalamts vor Ort, fühlt sich für die Ermittlungen verantwortlich, wird von den algerischen und deutschen Behörden aber schnell zurückgepfiffen. Heimlich stellt er trotzdem Nachforschungen an. Spuren führen zu einer schwäbischen Waffenfirma. Aber auch zu Djamel Benmedi, dessen Großvater für die FLN, die Nationale Befreiungsfront, im Algerienkrieg kämpfte – und dessen Vater in den 90er-Jahren, dem sogenannten „schwarzen Jahrzehnt“ Algeriens, vom Militär getötet wurde.
Wie Djamel haben fast alle algerischen Figuren in Bottinis Roman traumatische Erlebnisse hinter sich, die sie nie verarbeiten konnten. Über das schwarze Jahrzehnt wird in Algerien geschwiegen. Mit Hilfe des „Gesetzes über die nationale Eintracht“ – dem eine Volksabstimmung zugrunde liegt – legt die Regierung einer öffentlichen Aufarbeitung der Vergangenheit Steine in den Weg.
Algerien ist politisch instabil. Trotzdem wird das Land von der deutschen Waffenindustrie beliefert. Bottini hat sich mit dieser Thematik gründlich auseinandergesetzt und sie in seinem Roman verarbeitet. Mit den Augen der fiktiven Figur Katharina Prinz werden die Problematiken des Waffenexports beleuchtet. Bereits als deutsche Botschafterin in Algerien musste Prinz erleben, wie wenig demokratische Grundwerte in der alltäglichen Politik Deutschlands zählen, wenn wirtschaftliche Interessen im Spiel sind. Mit Bitterkeit erinnert sich die Romanfigur an den Staatsbesuch der Kanzlerin, die sich in Algerien als Türöffnerin für deutsche Unternehmen betätigt habe.
„Die hochproblematische Realität des Landes wurde beiseitegewischt“ – um wirtschaftlichen Interessen Platz zu machen. Hier haben moralische Bedenken keinen Raum. Prinz ist frustriert: „Unerheblich, wenn afrikanische Kindersoldaten mit dem G3 von Heckler & Koch schossen, wenn G36 in libyschen Depots auftauchten, wo sie nicht hätten auftauchen dürfen. Wenn Transportpanzer deutscher Herkunft in Kairo ein Dutzend Demonstranten zerquetschten wie im Oktober 2011 beim ‚Maspero-Massaker‘.“ Wieder zurück in Deutschland, will Prinz sich für einen Stopp deutscher Rüstungsexporte nach Algerien einsetzen.
Ihr Gegenspieler ist der Waffenlobbyist Wegner. Ihm liegt daran, die Interessen seines Rüstungskonzerns durchzusetzen. Moralische Verantwortung will er nicht übernehmen. Dass Waffen auch mal in falsche Hände geraten, nun ja, so etwas passiere eben. „Waffen wanderten. Auch Stühle, Autos und Küchenmesser wechselten den Besitzer“, so Wegners absurde Argumentation. „Auch mit Stühlen, Autos und Küchenmessern konnte man töten.“ Sein Unwillen, sich ernsthaft mit der moralischen Dimension des Waffenexports auseinanderzusetzen, ist offenkundig. Auch bei anderen Figuren greift dieser Mechanismus. Politische Realitäten werden verharmlost, Fakten verdreht. „Wenn es ums Geld geht, wird man begriffsstutzig“, heißt es an einer Stelle.
Bottini entwickelt in seinem Roman eine dichte und packende Geschichte, die über verschiedene Handlungsstränge erzählt und schließlich souverän zusammengeführt wird. Leider sind einige wenige Aspekte der Handlung nicht ganz plausibel – so lassen etwa die Entführer des Waffenmanagers ihrer Geisel erstaunlich viel durchgehen, wirken zu freundlich, fast schon naiv, während der BKA-Mann Eley vielleicht ein wenig zu heldenhaft auftritt. Man kann hier aber ein Auge zudrücken. Denn insgesamt gelingt es Bottini, durchaus komplexe und glaubwürdige Figuren zu zeichnen, die sich in einer diffizilen, oft knallharten Welt zurechtfinden müssen und dabei an ihre Grenzen stoßen.
Geschickt verwebt der Autor die heikle Thematik des Waffenexports in einen spannungsreichen Plot und gibt nebenbei auch noch Einblicke in die jüngere algerische Geschichte und Gegenwart. Ein Buch, das kurzweilig ist und zum Nachdenken und Hinterfragen anregt.