Bond rettet, das Bondgirl wird gerettet – die Rollen der Geschlechter sind im Film meist ziemlich klar verteilt. Frauenstereotype auf der Leinwand untersucht der Bechdel-Test. Seither wissen wir: In Filmen kommen Frauen seltener vor, haben weniger zu sagen, und wenn sie doch zu Wort kommen, geht es meist um Männer. Feministen, Eltern und Filmfans kritisieren diese diskriminierende Darstellung regelmäßig. Darüber, dass in Filmen auch Männer stereotyp dargestellt werden, entbrennt dagegen kaum ein Streit. Dass die Männerwelt auf der Leinwand jedoch nicht unbedingt besser aussieht, zeigt der „MacGyver-Test“.
Diesen entwarf die Autorin Nikita Coulombe mit dem Psychologen Philip Zimbardo in dem 2015 erschienenen Buch „Man (Dis)connected“. Zimbardo wurde in den 1970er-Jahren mit dem Stanford-Prison-Experiment berühmt, bei dem das Verhalten von Menschen in Gefangenschaft untersucht wurde. Benannt nach einer in den 1980er- und 1990er-Jahren populären Action-Fernsehserie soll der Test zeigen, dass Männer in Filmen ebenso klischeehaft dargestellt werden wie Frauen: gerne als einfältige und gewaltbereite Protagonisten, die schlechte Väter sind und von Frauen nur dann geliebt werden, wenn sie Heldentaten vollbringen.
Im Unterschied zum Bechdel-Test, der einer ganz simplen Aufgabenstellung folgt, ist der MacGyver-Test etwas komplizierter. Um ihn zu bestehen, muss ein Film zumindest einer der folgenden vier Anforderungen entsprechen:
1. Ein Mann wird als kompetenter Vater dargestellt – unabhängig davon, ob die Mutter abwesend ist oder nicht.
2. Ein ehrlicher, hart arbeitender Mann ist in einer erfolgreichen oder gar leitenden Position und wird nicht als unglücklicher Loser dargestellt.
3. Die weibliche Protagonistin zeigt Interesse am männlichen Protagonisten, bevor dieser zum Helden wird.
4. Der männliche Protagonist löst Probleme kreativ und benutzt Gewalt nur als letzten Ausweg.
Die Liste jener Filme, die diesen Test bestehen, zeichnet sich vor allem durch eines aus: Sie ist sehr kurz. Das zumindest nehmen Philip Zimbardo und Nikita Coulombe in „Man (Dis)connected“ an. Darin kritisieren die beiden nicht nur, dass Männer in Filmen überwiegend als Nieten dargestellt werden, die sich zum Deppen machen, ihre Familien im Stich lassen und außer Gewalt keine Lösung finden.
Unser Bild von Männlichkeit speist sich auch aus den Medien
Zimbardo und Coulombe sehen einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Männerbild in den Medien und jenem der Gesellschaft. Mehr noch: Medien und Technologien verstärken ein negatives Männerbid. Ihre alarmierende Anklage stützen Zimbardo und Coulombe auf viele Statistiken. Männer würden in vielen Bereichen, zum Beispiel an Unis, zunehmend schlechter abschneiden als früher. Das negative Männerbild in Filmen wäre vor allem deshalb so folgenschwer, weil es im echten Leben an männlichen Vorbildern mangle: Zwei von fünf Kindern in den USA würden von Single-Müttern geboren, ein Drittel der Jungen ohne Vater aufwachsen. Und diejenigen, die einen Vater hätten, würden sich pro Woche nur eine halbe Stunde mit diesem unterhalten – dafür aber 44 Stunden vor dem Fernseher oder Computer verbringen.
Auch wenn manches in „Man (Dis)connected“ überzogen wirkt, haben Zimbardo und Coulombe mit einigen Beobachtungen sicher recht. Insbesondere: Männer werden in Filmen häufig als inkompetent dargestellt. Und: Der Anteil an alleinerziehenden Müttern ist überproportional hoch. Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt es auch in Deutschland knapp 8,1 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern. Fast 20 Prozent davon sind Familien mit Alleinerziehenden – in neun von zehn Fällen ist der alleinerziehende Elternteil eine Frau.
Wie nun das Männerbild aussieht, das über Filme in Kinderzimmern Einzug hält, darüber wurde noch kaum geforscht. Für eine Studie des österreichischen Sozialministeriums untersuchten Wissenschaftler jedoch eine Vielzahl von Filmen, Werbespots und Serien aus einem Zeitraum von sechs Jahren. Das Ergebnis: Männer werden durchwegs diskriminiert, als schlechte Väter, gewaltbereite Helden oder heillose Trottel dargestellt. Die Erkenntnisse decken sich mit den Thesen von „Man (Dis)connected“.
Und wie schneiden die Blockbuster von 2015 ab?
Um zu sehen, wie es um die Darstellung von Frauen in aktuellen Filmen steht, haben wir auf sechs der erfolgreichsten Filme 2015 den Bechdel-Test angewendet. Macht man das Gleiche mit dem MacGyver-Test, fällt auf: Zwar schaffen die Filmmänner die eine oder andere Hürde mehr und bestehen den Test daher streng genommen. Viel präsenter und wichtiger für die Handlungsstränge ist aber ihr augenscheinliches Versagen:
Der Protagonist in Fack ju Göhte 2, der nicht besonders helle Ex-Knacki Zeki Müller, wird erst dann zum guten Lehrer, als seine Freundin nicht mit auf Klassenfahrt kommt (Regel 1 und 2 nicht bestanden). InSpectre frönt James Bond nicht nur dem Machotum, sondern auch der Gewalt (Regel 4 nicht bestanden) – eines ähnlichen Erfolgskonzepts bedient sich Fast & Furious 7. Die Protagonistin in Jurassic Worldverfällt dem Dinosauriertrainer erst, als dieser zum Helden wird (Regel 3 nicht bestanden). Und in Fifty Shades of Grey zeigt der durchtrainierte Milliardär Christian Grey, dass Gewalt nicht zwingend nur letzter Ausweg ist (Regel 4), sondern auch durchaus Spaß machen kann, sofern ein beiderseitiges Einverständnis herrscht. Die Minions schließlich – vor sich hinbrabbelnde gelbe Kreaturen – folgen sowieso nur einem Ziel: dem schrecklichsten Schurken der Welt zu dienen (Regel 2 nicht bestanden). Fortpflanzung und Vaterschaft stehen bei dieser ausschließlich männlichen Spezies nicht zur Debatte (Regel 1 nicht bestanden).
Auffälligstes Merkmal der dargestellten Männer war ihre Bereitschaft zu physischer Gewalt. Auch die österreichische Studie „Männer in den Medien“ kam zu diesem Ergebnis. Das befragte Publikum – männlich wie weiblich – war davon aber keineswegs überrascht. Im Gegenteil: Sie erwarteten und wünschten sich diese Gewaltbereitschaft sogar. Beide Geschlechter zogen einen gewalttätigen dem „feigen“ Protagonisten vor und konnotierten physische Gewalt eindeutig mit Männern. Im Schnitt vergingen weniger als fünf Minuten, bis in einem Film geschlagen, geschossen oder gestochen wurde. Die Regel Nummer 4 des MacGyver-Tests dürften die meisten Filme also brechen.
Wann ist ein Mann ein Mann?
Mann zu sein heiße im Film, so die Autoren der Studie, sich zu entscheiden: „a) entweder für ein beziehungsfreies Leben am Limit, immer auf der Suche nach dem nächsten Superlativ, der höheren Berufung oder sogar der Rolle eines vom Schicksal Auserwählten oder b) für ein gebundenes, unfreies Leben im Kampf gegen Überforderung als Ehemann und Vater.“ Für Variante b entscheiden sich – siehe Regel Nummer 1 des MacGyver-Tests – nur wenige. Von den insgesamt 750 in Filmen, Serien und Werbespots auftretenden Männern hatten nur 79 auch die Vaterrolle inne. In „Spectre“ wird diese Wahl zwischen „ein Leben am Limit“ und „ein Leben unter der Haube“ sogar zum zentralen Thema. Im Finale muss sich James Bond entscheiden: Will er ein Leben voller Abenteuer und Spannung oder lieber eine Beziehung?
Die Studienautoren sprechen deshalb von einer „Extremisierung“ der Männer in den Medien: Entweder sie sind verwegen oder sie sind verschmust. Entweder geniale Helden oder dumme Versager. Auch geniale Versager („The Big Lebowski“, „Homer Simpson“) kommen vor, zwischen den Extremen sind die Protagonisten aber nur sehr dünn gesät. Durchschnittsmänner, ältere Männer, homosexuelle Männer? Sie sehen wir genauso selten wie glückliche Väter, Männer aus ethnischen Minderheiten und andere ganz normale Jungs.
Mit den Film-Männern tauschen? Niemals!
Die Männer, die wir in den Medien sehr wohl zu Gesicht bekommen, stehen unter ständigem Druck: Erfüllen sie nicht die an sie gestellten Erwartungen, verlieren sie ihren Wert, werden zum Problem oder bestenfalls zum Clown. Die Leistungen, die sie im Film zu vollbringen haben, sind dabei erstaunlich. Auf die Frage, ob sie mit den medialen Männern tauschen würden, lehnten die meisten Studienteilnehmer ab. Viel zu anstrengend wäre deren Existenz. Und vor allem viel zu gefährlich. Kein Wunder: Durchschnittlich ließ in den untersuchten Filmen der erste männliche Tote keine zehn Minuten auf sich warten.
Anschließend zu trauern oder andere Gefühle zu zeigen ist für die in den Filmen dargestellten Männer aber ein Tabu – da sind sich Filmemacher und Publikum einig. Männer wollen bei ihren medialen Geschlechtsgenossen nur ein absolutes Mindestmaß an Gefühlen sehen. Und Emotionalität, so drücken es die Autoren der Studie aus, kann laut Publikum „durchaus ein Gefahrensignal für eine Funktionsstörung sein“. Männer haben zu funktionieren. Ob nun als lustiger Trottel oder als lebensferner Held.