Carmen Dienst arbeitet an der Zukunft. Daran, dass es in Zukunft genug Energie gibt, damit die Menschen das Licht anschalten, Auto fahren oder E-Mails verschicken können. Die 34-Jährige leitet die Forschungsgruppe „Zukünftige Energie- und Mobilitätsstrukturen“ am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. In 40 Jahren wird die Ölförderung an ihre Grenzen stoßen, in 50 Jahren sind die Erdgasvorräte, in 200 die Kohlevorkommen erschöpft. Das zumindest schätzen das Bundesumweltministerium und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Bis dahin soll die Energiegewinnung aus erneuerbaren Ressourcen in der Lage sein, für Ersatz zu sorgen. Das bedeutet: Strom, Wärme und Kraftstoff müssen dann durch Windoder Wasserkraft, Biomasse, Erdwärme und Sonnenstrahlen gewonnen werden. Carmen Dienst ist da zuversichtlich: „Es ist möglich, die Versorgung mit erneuerbaren Energien zu gewährleisten – wenn gleichzeitig daran gearbeitet wird, die Effizienz zu verbessern.“ Noch sind die erneuerbaren Energieträger längst nicht so weit. Zum Stromverbrauch in Deutschland liefern sie derzeit nur gut zwölf Prozent, die Anteile von Kernenergie (26,4 Prozent) sowie Braun- und Steinkohle (zusammen mehr als 46 Prozent) liegen deutlich höher, der von Erdgas ungefähr gleichauf. Zu den gut zwölf Prozent steuern Wind- (44 Prozent) und Wasserkraft (38 Prozent) mit Abstand am meisten bei. Die Energiegewinnung aus Biomasse (derzeit gut 17 Prozent) gilt als ausbaufähig, die imageträchtige Sonnenenergie dagegen ist mit einem Prozent Versorgungsanteil derzeit weit abgeschlagen. „Solarenergie ist in Deutschland im Gesamtzusammenhang eher ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt daher auch Carmen Diensts Kollege Gerhard Wohlauf. Zwar hat auch das Wuppertal Institut eine kleine Photovoltaikanlage auf dem Dach, die immerhin rund 2700 Kilowattstunden im Jahr erzeugt und wenigstens vier der 140 Arbeitsplätze des Instituts mit Strom versorgt. Carmen Dienst ordnet sie realistisch ein. „Das ist wichtig“, sagt sie, „aber vor allem ein Zeichen.“ Sehr viel wichtiger ist es, die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien deutlich zu steigern, die Bundesregierung hat für 2020 einen Anteil von 25 Prozent an der Stromproduktion als Ziel formuliert.
Erdöl und Erdgas – sobald diese nicht mehr gefördert werden können – als beliebig verfügbare Energieträger mit Kohle auszugleichen kann wegen des massiven CO2-Ausstoßes bei der Verbrennung und der damit verbundenen Klimaschädigung nicht der Weg sein. Das Wuppertal Institut bezeichnete es in einem Bericht zum Energiegipfel der Bundesregierung im April 2006 daher auch als unrealistisch, „gleichzeitig den beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie zu vollziehen und den Ersatzbedarf nur durch zentrale Großkraftwerke auf Basis von Kohle oder Erdgaskraftwerke zu ersetzen“. Das heißt: Wenn nicht der Anteil erneuerbarer Energien am Energieumsatz deutlich gesteigert und gleichzeitig die Effizienz der Nutzung erhöht wird, reicht die Energie in absehbarer Zeit nicht mehr, um fernzusehen, die Wäsche zu waschen oder nach der Arbeit ein Vollbad nehmen zu können.
Ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Marktposition der erneuerbaren Energien ist das 2000 beschlossene „Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien“, (EEG). Es garantiert den Anschluss von Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien an die allgemeinen Versorgungsnetze und subventioniert den Strompreis aus erneuerbaren Energien. Bis 2016 soll die Versorgung durch das EEG so stabilisiert werden, dass die Einspeisevergütungen dauerhaft sinken und der Strom preislich konkurrenzfähig ist. Carmen Dienst wird dann noch an der Zukunft arbeiten, daran, die Machbarkeit nachhaltiger Energieprojekte zu beweisen – der Öffentlichkeit, den Energieunternehmen, der Politik.„Es gibt viele Ideen und Ansätze“, sagt sie, „aber meist fehlen das Geld, das breite Wissen und manchmal der politische Wille,sie umzusetzen.“