Nach Thalheim, westlich von Bitterfeld in Sachsen-Anhalt gelegen, reisen Reporter eigens aus Afrika an. Sie kommen nicht wegen der strahlend gelben Rapsfelder rund um die 1600-Einwohner-Ortschaft oder der hügellosen, beruhigend wirkenden Landschaft. Sie kommen wegen Q-Cells.
Das ist eines von fünfzig Unternehmen in Deutschland, die Solarzellen oder andere Bauteile für Photovoltaikanlagen herstellen. Q-Cells produziert erst seit fünf Jahren Komponenten, mit denen sich Sonnenlicht in Energie umwandeln lässt, und ist dennoch schon, nach der japanischen Firma Sharp, der weltweit zweitgrößte Solarzellenhersteller, mit einem Weltmarktanteil von zehn Prozent. Ein Grund für diesen Erfolg ist ein Gesetz. 2004 trat die Neuauflage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Kraft, mit dem die Bundesregierung den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung von derzeit 10,2 Prozent auf 20 Prozent im Jahr 2020 erhöhen möchte. Energieunternehmen müssen seitdem auch aus Wind, Wasser oder Sonne gewonnenen Strom in ihr Netz einspeisen. Davon kann der Einzelne finanziell profitieren. Wer zum Beispiel eine Photovoltaikanlage auf seinem Hausdach installiert, kann den Strom in das Stromnetz leiten, dafür bekommt er vom Energieversorger etwa 50 Cent je Kilowattstunde. Eine Kilowattstunde aus einem Atomkraftwerk kostet etwa fünf Cent. Die staatlich verordneten Mehrkosten bezahlen die Verbraucher: Ihre Stromrechnung steigt leicht,weil ein Teil des Stroms mit Solarzellen gewonnen wurde: Je nach Anlage kostet die Produktion einer Kilowattstunde Solarstrom zwischen 37 und 52 Cent.
Im Jahr 2003 gab es in Deutschland erst 80 000 Anlagen,im Jahr 2005 bereits 200 000. Deutschland ist mittlerweile der größte Markt für Solarenergie weltweit und wegen der großen Nachfrage sind in Thalheim auch Arbeitsplätze entstanden: Bei Q-Cells wuchs die Zahl im Jahr 2005 von 484 auf 767, insgesamt arbeiten in Deutschland schon etwa 35 000 Menschen in der Solarindustrie. Gerade für eine Region wie Bitterfeld ist das von großer Bedeutung, dort liegt die Arbeitslosenquote bei 20 Prozent. Wenn es nach Stefan Dietrich geht, dem Unternehmenssprecher, will Q-Cells Solarzellen produzieren, die den Strom so billig liefern wie Atomkraftwerke – die Kosten für Solarzellen sinken um 20 Prozent, wenn sich die Produktion verdoppelt.
„Die Regierung und die Industrie haben sozusagen einen Pakt geschlossen“, sagt Stefan Dietrich, denn mit dem EEG soll auch die Technik gefördert werden, mit der man Strom aus Sonnenlicht gewinnt. Ohne Förderung wären Photovoltaikanlagen noch unwirtschaftlich. Auch Q-Cells hätte dann kein Interesse daran, die Technik weiterzuentwickeln. Der Erfolg von Q-Cells hängt jedoch nicht nur am EEG. „Unsere Zellen sind größer und haben einen höheren Wirkungsgrad“, erklärt Dietrich. Er spricht von der so genannten Sechs-Zoll-Plus-Zelle, die im Vergleich zu früheren Zellen 44 Prozent mehr Oberfläche hat. Der Wirkungsgrad lag noch vor vier Jahren bei 14,1 Prozent, heute erreicht Q-Cells 15 bis 16 Prozent. Q-Cells stellt Solarzellen in Masse her, dadurch wird die einzelne Zelle billiger. Die Produktion wird in der Energieeinheit Megawattpeak (MWp) gemessen. Im Jahr 2004 stieg die Produktion bei Q-Cells von 48 MWp auf 170 MWp. Den Preis einer einzelnen Zelle verrät Stefan Dietrich nicht, Betriebsgeheimnis.
Eine Solarzelle ist ein dünnes Plättchen Silizium, oben mit Phosphor,unten mit Bor bestrichen. Die Photonen des Sonnenlichts schlagen Elektronen aus den Phosphormolekülen, die sich am oberen Rand der Phosphorschicht sammeln – dem Minuspol. Auf der Bor-Seite entsteht ein Elektronenmangel – der Pluspol. Verbindet man Minus mit Plus und schaltet eine Glühbirne dazwischen, fließen Elektronen und die Birne leuchtet. Heute trägt Solarenergie 0,2 Prozent zur deutschen Stromproduktion bei. Das Bundesumweltministerium schätzt, im Jahr 2020 könnten es etwa 1,5 Prozent sein. Notwendig dafür wäre ein technischer Quantensprung, um die Wirkungsgrade deutlich zu erhöhen. Auch die Speichermöglichkeiten müssen verbessert werden – damit es nicht nur Strom gibt, wenn die Sonne scheint. Fachleute sagen, in Ostdeutschland entstehe gerade einer der weltweit führenden Solarstandorte. Manche sagen: So ist es schon. Andere sagen: Abwarten, ob auch ohne Förderung noch produziert wird. Stefan Dietrich blinzelt in die Sonne. Er ist da guter Dinge.