Man hätte ihn so gern in den Arm genommen und ihm gesagt, dass es andere Kinder mit ihren Vätern auch nicht leicht haben. Eine Stunde lang hatte sich Art Garfunkel an diesem Abend – 2007 im Tempodrom in Berlin – mit seiner berühmten explodierten Frisur, einem schief sitzenden Schlips und einer leider schon sehr brüchig gewordenen Stimme durch seine größten Hits aus den 60er Jahren gespielt, da kündigte er für die folgenden Nummern aus dem Simon-and-Garfunkel-Repertoire einen ganz besonderen Duettpartner an. Es war: natürlich nicht Paul Simon, denn der hat schon lange keine Lust mehr, mit dem drögen Garfunkel zu touren. Stattdessen kam: Arts Sohn James Garfunkel, ein Teenie mit einer explodierten Frisur und einem schief sitzenden Schlips, der dem Alten derart karikaturhaft aus dem Gesicht geschnitten schien, dass selbst die frenetischsten Garfunkel-Freunde laut lachen mussten. All jene Nummern, die Paul Simon mit ihm nicht mehr singen möchte, sang Art Garfunkel nun also mit seinem selbst gezeugten Paul-Simon-Ersatz, der aussah wie ein jugendliches Spiegelbild seiner selbst… Doktor Freud, bitte übernehmen Sie.
Nicht alle popmusikalischen Familienverhältnisse sind von psychoanalytisch derart fruchtbarer Tragik. In vielen Fällen gilt: Popstars nehmen ihren Kindern oft jede Chance auf Erfolg. James Garfunkels kurze Musikerkarriere währte nicht einmal einen Sommer, auch ein Versuch als Kinoschauspieler floppte, inzwischen versucht er sich wohl als Immobilienunternehmer. Oder nehmen wir Jakob Dylan: Der erzählte vor Jahren in einem Interview, wie liebevoll und gut er – obgleich Scheidungskind – von seinem Vater behandelt wurde. Man tritt Jakob Dylan sicherlich nicht zu nah, wenn man sagt, dass er weder mit seiner Band The Wall Flowers noch als Solokünstler dauerhafte musikalische Bedeutung erlangen konnte. Ähnliches gilt für Zak Starkey, der seinem Vater Ringo Starr so zugetan war, dass auch er das Schlagzeugspiel zum Lebenszweck erkor; der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere war ein Tournee-Aushilfsjob bei den späten Basis.
Wesentlich günstiger für die Entwicklung eines individuellen Talents scheinen schofelige Behandlung und grobe Zurückweisung seitens des Vaters zu sein. Der bekannteste Rabenvater der jüngeren Popgeschichte ist zweifellos Loudon Wainwright III. Für seine Kinder Martha und Rufus Wainwright scheint er nicht nur in der – schnell zerrütteten – Ehe mit ihrer Mutter Kate McGarrigle ein rechtes Ekel gewesen zu sein. Um seine Exfrau zu treffen, hat Wainwright den Nachwuchs in seinen Songs auch gerne einmal öffentlich schlecht gemacht, etwa in dem Stück "Rufus is a Tit Man". Wofür die Kinder sich inzwischen ausgiebig revanchieren: "Bloody Motherfucking Asshole" hieß ein Song, mit dem Martha Wainwright 2005 an die Öffentlichkeit trat; er war natürlich für ihren Vater geschrieben. Auch Rufus kommt in seinen eigenen Songs immer wieder auf den Umstand zurück, dass sein Vater ein ebenso mittelmäßiger Songwriter wie herausragend schlechter Charakter war. "Poetry is no place for a heart that’s a whore", wirft Mar-tha dem alternden Mann in ihrem Arschloch-Song als eine Verknüpfung beider Aspekte hinterher: "Für ein Herz, das eine Hure ist, ist Poesie nicht der richtige Ort."