Robert (22) hat zwei Studiengänge angefangen, aber für sich entschieden, dass er dort nichts lernt, was er für seine beruflichen Ziele verwenden kann – und die Konsequenz gezogen: Beide Studiengänge hat er nach wenigen Semestern wieder abgebrochen. Nicht wegen schlechter Noten, sondern aus Überzeugung. Robert strebt eine Karriere als Unternehmer an. Er findet nicht, dass er dazu ein Studium oder eine Ausbildung braucht. Den ersten Schritt in die Praxis hat er gewagt, ohne auf Zertifizierungen und Abschlüsse zu warten.
So sehr Robert für sich den traditionellen Bildungsweg ablehnt, so deutlich sagt er aber auch, dass er für andere funktionieren könne – wenn sie im Studium wirklich das lernten, was sie für ihr weiteres Leben brauchen. Er will anderen Mut machen, ihren eigenen Weg auch gegen gesellschaftliche Konvention zu gehen; allerdings nicht zum Selbstzweck, sondern immer nach reiflicher Überlegung und mit einem Ziel vor Augen.
Mich hat das Unternehmersein schon immer interessiert. Mein Vater hat in Gera einen kleinen Handwerksbetrieb mit zehn, zwölf Mitarbeitern und meine Mutter hat ein Yogastudio aufgebaut. Mit Unternehmertum bin ich also aufgewachsen.
Nach dem Abi 2010 wusste ich allerdings noch nicht genau, was ich beruflich machen will. Irgendetwas mit Tourismus, das war klar. International sollte es sein. Ich hatte nach der zehnten Klasse ein Jahr in Chile verbracht. Seitdem wusste ich auch, dass ich nach dem Abi ein Jahr im Ausland verbringen wollte. Ich war dann in Kanada, zwei Jahre. Bin durchs Land gereist und habe das mit Jobs finanziert, die ich mir selbst organisiert hatte. Danach wollte ich studieren, wie die meisten meiner Freunde.
Veraltete Lehrpläne an den Unis
Ich habe grundsätzlich nichts gegen ein Studium, aber meine Erwartungen wurden enttäuscht. Ich habe mich für den Studiengang "International Tourism Management" in Leeuwarden in den Niederlanden entschieden. Dort studiert man viel in Gruppen und die Unterrichtssprache ist Englisch. Ich dachte, dass das Studium dadurch besonders effektiv ist und mich gut auf das Berufsleben vorbereitet. Die Realität war enttäuschend: Die Uni stellte sich als eine kleine FH heraus. Das Unterrichtsniveau war bescheiden. Ich hatte ohne großen Aufwand gute Noten, aber das Gefühl, nichts Relevantes für mich daraus mitzunehmen.
Das kann am Fach liegen, dachte ich und habe nach einem Semester gewechselt – zu "International Business and Management Studies". Der Zusatzslogan des Studiengangs: "Top of Holland". Für mich war das aber alles andere als top. Ich wollte mit dem Gelernten verstehen, wie ich erfolgreich in der Businesswelt agieren kann, warum das Geld wie wohin geht, um etwas verändern zu können. Aber das Wissen, was dort vermittelt wurde, stammte aus den 80er-Jahren. Wer heute erfolgreich sein will, braucht anderes Wissen.
Durch Zufall habe ich auf dem Campus einen Kommilitonen aus Polen kennengelernt, der in seiner Heimat gerade ein Startup aufbaute. Zusammen mit einer Gruppe von Freunden haben wir in Leeuwarden an einem ersten Projekt gearbeitet. Ziel war es, eine Online-Plattform zu schaffen, auf der sich die neuen Studierenden in Leeuwarden austauschen und vernetzen können. Das Projekt ist zwar gescheitert, aber ich habe unheimlich viel über Team-Dynamiken gelernt und darüber, wie man eine Unternehmensidee umsetzt.
Und da habe ich irgendwie Feuer gefangen. Das Studium lief zwar noch und ich hatte wieder gute Ergebnisse, aber der Frust war groß. Was ich in meiner Freizeit gelernt hatte, hätte ich eigentlich dort lernen sollen. Es gibt sicher Studiengänge, in denen man wirklich Relevantes lernt – Chemie zum Beispiel oder auch Literaturwissenschaften, wenn man sich dafür interessiert.
Erasmus-Programm in Polen
Im Dezember 2013 habe ich das Studium abgebrochen. Die meisten meiner Freunde hatten überhaupt kein Verständnis. Auch meine Eltern machen sich Sorgen. Ich denke, es ist normal, dass sich Eltern finanzielle Sicherheit für ihr Kind wünschen. Aber sie wissen, dass ich so glücklicher bin und unterstützen mich und meinen Weg weiterhin. Und wer weiß: Vielleicht studiere ich in zehn Jahren doch noch, wenn meine Projekte scheitern. Aber zurzeit wäre ein Studium für mich Zeitverschwendung. Meine Energie möchte ich für Wichtigeres einsetzen.
Der Freund aus Polen hatte mir vom Erasmus-Programm für "Young Entrepreneurs" erzählt. Man hat dort die Möglichkeit, vor Ort bei einem erfahrenen Unternehmer aus einem EU-Land zu hospitieren und ihn als Mentor für die eigene Business-Idee zu gewinnen. Seit Januar lebe ich jetzt in Polen und unterstütze einen Unternehmer mit meinen Ideen im Bereich Marketing. Wir stehen täglich in Kontakt, aber ich habe viel Zeit, um mein eigenes Projekt voranzubringen: eine App zum Thema "Business Model Innovation", die Unternehmen dabei unterstützt, ihr bisheriges Geschäftsmodell zu verbessern.
Dass ich nicht mehr studiere, heißt nicht, dass ich nicht hart arbeite. Meist sind es zehn bis zwölf Stunden pro Tag. Aber das mache ich gerne. Ich lerne permanent dazu. Aus Gesprächen mit Business-Partnern meines Mentors, aber auch durch Bücher, die ich lese oder durch Online-Kurse, die ich belege. Ob ich diese Art zu Lernen anderen auch empfehlen würde? Ich denke, eine Pauschallösung gibt es nicht. Jeder muss seinen Weg finden, der zu ihm passt.
In Polen bin ich, über das Erasmus-Programm, insgesamt fünf Monate. Bis zum Ende dieser Zeit sollte ich erste Einnahmen erzielen. Noch reicht das Stipendium für die Lebenshaltungskosten. Falls ich nicht rechtzeitig in die Gewinnzone komme, habe ich aber einen Plan B. Dann gehe ich nach Australien und arbeite eine Zeitlang in den Goldminen. Die App-Entwicklung ist ohnehin nur ein Zwischenschritt.
Mein großes berufliches Ziel ist ein ganz anderes. Ich möchte nach Kanada auswandern und dort eine nachhaltig orientierte Ferienanlage für Kurz-und Langzeit-Touristen aufzubauen. Klar habe ich auch Angst, dass meine Pläne scheitern, aber ich glaube, das ist normal. Das Wichtigste ist wohl, dass mich die Angst nicht abhält, meine Ziele zu verfolgen.
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Erasmus-Programm "Young Entrepreneurs"
Der Studiengang "International Business und Management Studies" wird in Kooperation von drei Hochschulen in Leeuwarden (Holland) angeboten.
Das regelmäßig in Berlin stattfindende "Idea Camp" unterstützt Gründungsinteressierte dabei, Business-Ideen zu entwickeln und am Markt zu testen.