Maximilian Schell, 20, arbeitet für die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste im Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Altersheim und einem Archiv in Jerusalem/Israel.
Als ich mir die Frage gestellt habe, was ich nach dem Abitur machen möchte, habe ich bei Google „Freiwilliges Soziales Jahr“ und „Israel“ eingegeben. Aktion Sühnezeichen Friedensdienste war der erste Treffer, und ich war sofort von ihrer Arbeit überzeugt – auch, weil ich mich selbst als gläubig bezeichnen würde und sich die Organisation aus der evangelischen Kirche entwickelt hat. Seit letztem September arbeite ich nun in Jerusalem jeweils 20 Stunden in einem Archiv, das die Geschichte des jüdischen Volkes erforscht, und 20 Stunden in einem Altersheim, in dem viele alte Menschen leben, die während des Dritten Reichs aus Europa nach Israel emigriert sind. Ich habe Freude daran, wenn morgens ein Stapel ungeordneter Akten bei mir auf dem Tisch liegt, den ich dann am Nachmittag durchgearbeitet und sortiert habe. Das hört sich vielleicht trocken an, tatsächlich habe ich unglaublich viel dabei gelernt. Beispielsweise habe ich an einem Projekt mitgearbeitet, bei dem es um Menschen ging, die zwischen 1920 und 1930 in Wien zum Judentum konvertieren wollten. Dabei bin ich mit vielen ganz persönlichen Schicksalen in Berührung gekommen, von denen ich sonst nie erfahren hätte. Dasselbe gilt auf ganz andere Art für das Altenheim, in dem ich arbeite. Einige der Bewohner haben im Nationalsozialismus sehr gelitten und wollten mit mir niemals Deutsch sprechen, obwohl sie es gekonnt hätten. Am Anfang meines Aufenthalts habe ich ein wenig Hebräisch gelernt und mich dann eben so mit ihnen verständigt.
Mittlerweile komme ich mit allen gut aus, und einige haben scherzhaft geäußert, dass ich doch irgendwann als Leiter der Einrichtung wiederkommen solle – das dauert aber wohl noch eine Weile, denn erst einmal werde ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland Medizin studieren.
Sarah Geißler, 21, ist im Freiwilligen Ökologischen Jahr in der Domäne Dahlem beschäftigt.
Die meisten Menschen wissen nicht, dass man auf Kühen auch reiten kann. Ich wusste es auch nicht, bis ich es bei meiner Arbeit mit den Kühen in der Domäne Dahlem gelernt habe. Dazu müssen aber die Kuh und der Mensch ein gutes Vertrauensverhältnis haben – das hat sich bei mir und den Kühen, die hier leben, seit dem Beginn meines Freiwilligen Ökologischen Jahres im letzten September definitiv entwickelt. Seit diesem Zeitpunkt arbeite ich auf der Domäne Dahlem, einer Art Freilichtmuseum mit einem Bauernhof, auf dem schon seit knapp 800 Jahren Landwirtschaft betrieben wird. Ich übernehme dort alle anfallenden Arbeiten, die ein Landwirt auch zu bewältigen hat: von Stallausmisten und Tiere-auf-die-Weide-Treiben bis hin zum Kartoffelsortieren, was nicht unbedingt meine Lieblingsarbeit ist, vor allem nicht, wenn man dazu bei fünf Grad in einem öden Raum sitzt. Trotzdem habe ich mich vom ersten Tag an auf dem Hof vollkommen richtig ge- fühlt, ganz im Gegensatz zu meiner Schulzeit. Ich habe endlich den Eindruck, etwas Sinnvolles zu tun. Wenn ich eine Matheklausur schreibe, interessiert das wirklich niemanden und ändert nichts an der Welt. Es hilft sicherlich auch, dass ich den Eindruck habe, den anderen Freiwilligen hier geht es auch so wie mir. Ich habe noch nie vorher so viele Menschen um mich gehabt, bei denen ich dachte, dass sie auf meiner Wellenlänge sind. Wir sind eine Gruppe von Mädchen hier, die davon träumt, irgendwann mal ein Ökodorf zu gründen, auf dem wir es uns dann schön machen. Wenigstens wünschen darf man sich das ja. Erst mal werde ich aber meinen Freund davon überzeugen, dass auch für ihn Landwirtschaft das Richtige ist, damit wir zusammen auf einen Bauernhof ziehen können.
Alexandra Wolf, 22, arbeitet seit Januar 2010 als Freiwillige in der Suchthilfe Fixpunkt in Berlin.
Ich bin mit Punks aufgewachsen, von denen der eine oder andere ein Drogenproblem hatte. Und in dem Jugendclub in Rostock, in dem ich seit sieben Jahren ehrenamtlich arbeite, gibt es auch einige Leute, die von Kokain oder Alkohol ab- hängig sind. Von daher bin ich seit langer Zeit mit dem Thema Drogen vertraut und habe mir gezielt eine Arbeitsstelle für mein Freiwilliges Soziales Jahr gesucht, bei der ich meine Erfahrungen einsetzen konnte. Es war für mich nicht schwer, mich bei der Arbeit am Kottbusser Tor in Berlin, wo wir mit unserem Bus von Fixpunkt regelmäßig stehen, zurechtzufinden. Ich wusste ja schon, was viele drogensüchtige Klienten am dringendsten wollen: nicht genervt werden. Mal verschnaufen. Eine Gratiskippe rauchen. Denn deren Leben ist ja sehr stressig, ständig sind sie auf der Suche nach Stoff und Geld. Ich werde oft gefragt, ob ich keine Angst vor Infektionen oder Überfällen habe. Aber vor den Infektionen kann man sich gut durch Hygiene schützen, und die Klienten sind ja oft auf Heroin und somit völlig weggetreten. Wir kümmern uns hauptsächlich darum, dass sie saubere Spritzen und anderes hygienisches Zubehör bekommen, damit sich Infektionen und Abszesse nicht ausbreiten. Meine Arbeit besteht aber vor allem auch darin, das Lager für die ganzen Dinge, die wir in unserem Bus bereithalten, aufzufüllen und zu organisieren. Wir haben ja neben den Spritzen, Tupfern und so weiter auch Saft, Tee und Brote dabei. Im Bus selbst arbeite ich nur an drei Tagen in der Woche. Neben den 32 Stunden Arbeitszeit bei Fixpunkt muss ich im Moment allerdings auch noch einen kleinen Bürojob machen, denn von den 260 Euro Gehalt könnte ich mein WG-Zimmer und sonstigen Lebensunterhalt nicht finanzieren.
Kassandra Voß, 20, leistet ihr Freiwilliges Soziales Jahr in der Kita Sankt Laurentius in Berlin ab.
Seit dem letzten Winter habe ich ein Immunsystem wie ein Tier. Wenn man in einem Raum voller Kinder ist, die unter- schiedlichste Krankheiten haben, und man sich bei allen einmal angesteckt hat, haut einen nichts mehr um. Der Winter war auch die Zeit meines Freiwilligen sozialen Jahres, während der mich die Arbeit am meisten angestrengt hat: Kleine Kinder werden wahnsinnig laut, wenn sie über mehrere Tage hinweg nicht draußen spielen können. Verglichen damit ist die Zeit jetzt im Sommer am schönsten – allerdings auch, weil ich nun schon seit elf Monaten mit den Kindern arbeite. Sogar diejenigen, die sich zuerst hinter ihrem Arm versteckt haben, wenn eine der Erzieherinnen sie angesprochen hat, laufen jetzt auf mich zu und reden wie ein Wasserfall. Eigentlich wollte ich nach dem Abitur gleich Psychologie studieren, habe dann aber keinen Studienplatz bekommen und wollte mir auch noch mal in Ruhe überlegen, ob das Studium wirklich das Richtige für mich ist. Deshalb habe ich mich für ein Freiwilliges Soziales Jahr entschieden: um auch einmal praktische Berufserfahrungen zu sammeln. Zuerst habe ich mir eine Stelle im Herzzentrum angeschaut, dort aber schon am Hospitationstag gemerkt, dass mir Krankenhausarbeit überhaupt nicht liegt, schon allein durch den extrem frühen Arbeitsbeginn. Durch die Arbeit in der Kita habe ich nun herausgefunden, was ich wirklich beruflich machen möchte. Mehrere Kinder hier bekommen Ergotherapie, und die Arbeit der Therapeuten hat mir so gut gefallen, dass ich selbst ab Oktober eine Ausbildung zur Ergotherapeutin anfangen werde. Dann möchte ich auch bei meinen Eltern ausziehen, bei denen ich im Moment noch wohne. Von den 220 Euro, die ich im Mo- nat für meine Arbeit in der Kita erhalte, spare ich immer einen kleinen Teil, um mir den Auszug und auch mal einen Urlaub leisten zu können. Schon seit 1964 wird das Freiwillige Soziale Jahr für 16- bis 27-Jährige angeboten. Vom 1. August oder 1. September jedes Jahres an können Freiwillige gegen ein Taschengeld und eventuell Unterkunft und Verpflegung soziale Dienste in Krankenhäusern, Altenheimen, Behinderteneinrichtungen, aber auch kulturellen Institutionen im In- und Ausland leisten.