Wer durch Afrika reist, vor allem durch die westliche Hälfte des Kontinents, sollte gute Französischkenntnisse mitbringen: Von Dakar bis Brazzaville, von Tunis bis Kinshasa ist die Sprache des einst zweitgrößten Kolonialreiches der Welt nach wie vor Amts- und Bildungssprache und auch im Alltag außerhalb der Familie gebräuchlich.
Frankreichs Afrika-Kolonien wur-
den in den Jahren um 1960 unabhängig: in Nordafrika Algerien, Marokko und Tunesien, südlich der Sahara Benin, Dschibuti, Elfenbeinküste, Gabun, Guinea, Kamerun, Kongo-Brazzaville, Madagaskar, Mali, Mauretanien, Niger, Senegal, Togo, Tschad, Burkina Faso und die Zentralafrikanische Republik. Mit Ausnahme von Guinea und Algerien, die sich komplett von Frankreich lösten, blieb dessen Einfluss in drei Bereichen bestimmend, ohne deren Beherrschung staatliche Souveränität nicht möglich
ist: Justiz, Geheimdienst und Währung. Französische Berater schrieben die Verfassungen und Gesetze der neuen Staaten und sorgten auch für den Aufbau der Gerichtssysteme und die Weiterentwicklung der Rechtsprechung. Frankreichs Geheimdienstler und Militärberater zogen für die neuen afrikanischen Autokraten die Strippen beim Aufbau von Sicher-
heitsdiensten, bei der Unterdrückung von Aufständischen und beim Auswechseln unbequem gewordener Präsidenten. Und Frankreich bewahrte die Währungshoheit, indem die Kolonialwährung CFA-Franc beibehalten wurde.
Statt „Colonies Françaises d’Afrique“ heißt CFA jetzt „Coopération Financière en Afrique“ beziehungsweise „Communauté Financière d’Afrique“, aber im Grunde hat sich nichts geändert. Der CFA-Franc als gemeinsame Währung von 14 Ländern in Afrika war früher an den französischen Franc gekoppelt, heute an den Euro. Die Währungsreserven der afrikanischen CFA-Staaten lagerten früher komplett bei Frankreichs Zentralbank in Paris, heute sind es immer noch 50 Prozent. Die Zentralbanken der beiden CFA-Zonen in West- und Zentralafrika können bis heute ohne den Segen von Paris kein Geld drucken und keine eigene Finanzpolitik betreiben. Frankreich hat es auch vermieden, die Kontrolle darüber an die EU zu delegieren: Frankreichs Afrika-Imperium ist auf europäischer Ebene Privatangelegenheit geblieben.
Viele Afrikaner in den ehemaligen französichen Kolonien sind damit schon längst nicht mehr einverstanden. Vor allem seit es so gut wie unmöglich ist, ein Visum für Frankreich zu bekommen, wenden sich junge Afrikaner von der einstigen Kolonialmacht ab. Das Afrika des 21. Jahrhunderts hat sich mental von Frankreich weitgehend gelöst. Auch wenn staatliche französische TV- und Radiosender noch immer die Hauptquelle der Nachrichten über den Rest der Welt sind, die Flugverbindungen nach Paris oft verlässlicher als die ins Nachbarland und französische Schulbücher und Lehrpläne Vorbild in der Bildung. Immerhin lernen afrikanische Schulkinder nicht mehr, wie früher, dass ihre Vorfahren Gallier waren.