Noch einmal tief durchatmen, den Gedanken „Wasser, ich brauche Wasser!“ unterdrücken. Ein Trupp Astronauten schleppt sich durch das Hochland am Gula Mons, Hitzewellen betäuben ihre Schritte, Blitze zucken, während gelblich zäher Nebel jede Sicht erstickt – so könnte er aussehen, der Trip über die Venus, wenn die Landung auf dem Planeten nicht bislang ein unmögliches Ereignis wäre. Über Science-Fiction-Inspirationen hinaus aber fungiert die Venus als reales Forschungsfeld für Klimatologen. Der wenig kleinere, mit ähnlicher Dichte und Aufbau ausgestattete Planet gilt als Zwillingsschwester der Erde. Allerdings wohl eher als missratenes Familienmitglied. Schließlich ist der von einem immensen Treibhauseffekt heimgesuchte Gesteinskoloss so etwas wie CO2-City im Weltall – mit einem Anteil von 96 Prozent Kohlendioxid in der Atmosphäre; im Vergleich zu ca. 0,038 Prozent in der irdischen. Von Erkenntnissen über das Venus-Klima erhoffen sich Wissenschaftler auch Einsichten zum Treibhauseffekt und einem etwaigen „Point of no Return“, dem Punkt ohne Wiederkehr.
Als die Materie von Erde und Venus vor 4,6 Milliarden Jahren aus dem präsolaren Nebel gespuckt wurde, war nicht zu ahnen, wie unterschiedlich sie sich entwickeln würden. Ersticken, verbrennen, zerquetschen – theoretisch hält die Venus viele Todesarten bereit. Weltraumsonden, die dort landeten, fielen nach Kurzem den Bedingungen zum Opfer. Selbst Blei zerschmölze bei der Durchschnittstemperatur von 468 °C. Der Druck der CO2-schweren Atmosphäre ist etwa 100-mal so hoch wie auf der Erde, vergleichbar mit dem in knapp einem Kilometer Meerestiefe. Wichtiger Informant der Forscher ist der Venus Express der European Space Agency, der seit April 2006 in der Umlaufbahn des Planeten Klimadaten sammelt. Per Infrarot schafft er es durch das blickdichte viele Kilometer dicke Wolkengemisch aus Schwefelsäure Bilder zu erzeugen: von einer rot glühenden Ödnis voller Einschlagskrater und erstarrter Lava. Wasser jedoch – Fehlanzeige. Und das könnte der Haken sein.
Vermutlich hatte die Erde einst eine ebenfalls CO2-lastige Atmosphäre – nur existiert dies heute hauptsächlich in gebundener Form. Regenwasser löst einen Großteil des CO2, wäscht es in die Ozeane, wo es sich mit Verwitterungsprodukten oberflächennahen Gesteins, die ins Meer gespült wurden, zu Karbonatgestein bindet. Ebenso bilden Pflanzen daraus Biomasse – das wirkt als natürliches Thermostat. Für die Venus hingegen könnte ihre größere Nähe zur Sonne negativ gewirkt haben. Die wahrscheinliche Folge der höheren Ursprungstemperatur: ein Runaway (sich selbst verstärkender)-Treibhauseffekt. Das Wasser verdampfte schnell, das Treibhausgas Wasserdampf ließ die Temperatur steigen, mehr Wasser verdampft und so weiter … An welchem Punkt driftete die Entwicklung von Venus und Erde auseinander? Wann und warum nahm die Hitze Überhand? – Auch an den vorherrschenden Hypothesen tüfteln die Wissenschaftler. Zwar liegt die Venus näher an der Sonne – andererseits war deren Intensität früher geringer. Welche Rolle spielten die Vulkane bei Erhitzung des Planeten? Oder die Wolkendecke? Das fehlende Magnetfeld? Und so streiten Forscher und Klimaskeptiker auch über die Vergleichbarkeit von Erde und Venus. Derweil kommen weitere Neuigkeiten von oben: Aus Geologensicht erst „vor Kurzem“ erloschen sind die Vulkane vor 250 000 Jahren. Und andere sind vielleicht sogar noch aktiv.