Wer dieser Tage den Messengerdienst WhatsApp öffnet, wird dazu aufgerufen, neuen AGB zuzustimmen. Noch kann man die Aufforderung jeden Tag aufs Neue ignorieren und einfach wegklicken. In drei Wochen aber wird kein Weg mehr daran vorbei führen: Entweder man stimmt den neuen Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien zu, oder man lässt die App in den Smartphone-Mülleimer wandern.
Was steht in den neuen AGB von WhatsApp?
Die aktuellen Nutzungsbedingungen und die Richtlinie erlauben WhatsApp unter anderem, Nutzerdaten an die Facebook-Gruppe weiterzugeben. Zu dieser gehören momentan etwa Instagram, die Virtual-Reality-Firma Oculus VR und natürlich Facebook selbst. Indem man in den Einstellungen der App die Funktion „Meine Account-Info teilen“ deaktiviert, lässt sich zwar unterbinden, dass Facebook die Daten für Werbezwecke verwendet. Für die „Verbesserung von Infrastruktur und Zustellsystemen, des Verstehens der Art der Nutzung unserer bzw. ihrer Dienste [...]“ wird Facebook die Daten aber trotzdem verwenden.
Was dieser Datenaustausch für die Nutzer genau bedeutet, ist noch nicht absehbar. In seinem Blog begründet WhatsApp den im Netz rege diskutierten Schritt jedenfalls so:
„Durch die Zusammenarbeit mit Facebook haben wir mehr Möglichkeiten, z.B. können wir grundlegende Kennzahlen über die Häufigkeit, mit der Benutzer unsere Dienste verwenden, verfolgen und besser gegen Spam auf WhatsApp vorgehen. Indem deine Telefonnummer mit den Facebook-Systemen verbunden wird, kann Facebook dir besser Freunde vorschlagen und dir passendere Werbung anzeigen, falls du einen Account dort haben solltest.“
Der angebliche Kundennutzen: „Wege erkunden, wie du mit Unternehmen, die dir wichtig sind, kommunizieren kannst“
Sicher ist eines: Als Mark Zuckerbergs Social-Media-Unternehmen den Messenger WhatsApp vor zwei Jahren übernahm, hat es dafür 22 Milliarden Dollar bezahlt. Nun scheint die Zeit gekommen, mit der App auch Geld zu verdienen. Eine Möglichkeit dafür ist – abseits von Werbung –, die App anderen Unternehmen gegenüber zu öffnen. Natürlich nicht kostenlos. Eine Entwicklung, in deren Beschreibung WhatsApp lieber den angeblichen Kundennutzen herausstellt: „Wege erkunden, wie du mit Unternehmen, die dir wichtig sind, kommunizieren kannst“.
Konkret könnte das so aussehen, dass Onlineshops zukünftig via WhatsApp eine Nachricht schicken, sobald eine Bestellung verpackt ist, Zusteller via WhatsApp darüber informieren, wann ein Paket ankommt oder Airlines via WhatsApp Bescheid geben, ob ein gebuchter Flug pünktlich abheben wird oder nicht.
Für westliche Nutzer mag so eine mächtige Service-App nach einer technologischen Innovation klingen. Chinesische Nutzer kennen das schon lange: Sie nutzen die in China populäre Plattform „Weixin“, auf Englisch „WeChat“ genannt:
Wird WhatsApp nun zur „Super-App“?
Die „New York Times“ bezeichnet WeChat als „Schweizer Taschenmesser, das praktisch alles für dich macht“. Tatsächlich ist die App eine Art Hybrid aus Services wie WhatsApp, Facebook, Amazon, Skype, Tinder und noch einer ganzen Reihe anderer. Mit WeChat kann man Termine im Krankenhaus buchen, Freunden Geld überweisen, ein Taxi rufen, im Supermarkt bezahlen und im Restaurant bestellen.
Und plötzlich ist Silicon Valley die Copycat
Doch bietet so ein rundum einsetzbares digitales Taschenmesser eben auch in puncto Datensammeln weitreichende Möglichkeiten. In China kommt man an der App kaum vorbei, 90 Prozent aller Smartphonenutzer verwenden WeChat und bekommen inzwischen auch Werbung darüber angezeigt. WeChat sammelt somit Daten von 700 Millionen Menschen. Das allein ist angesichts der Bandbreite an persönlichen Informationen für Datenschützer schon ein Drohszenario, und es verdüstert sich zusätzlich durch die Tatsache, dass WeChat auf Aufforderung der chinesischen Regierung Informationen herausgeben muss – in welchem Umfang ist allerdings unklar.
„Threads are the new apps“, heißt es unter Branchenkennern: Die Zeit, in der man versuchte, möglichst viele neue Apps zu schaffen, ist demnach vorbei. Jetzt gehe es darum, die bereits vorhandenen Funktionen miteinander zu verknüpfen. Weil nun WeChat besonders viele miteinander vereint, gilt die App als großes Vorbild: „Is WhatsApp trying to be the next WeChat?“, fragte ein asiatisches Marketingmagazin prompt, als WhatsApp seine aktualisierten AGB bekanntgab.
In Demokratien haben die Bürger mehr Möglichkeiten, sich gegen solch eine Bedrohung ihrer Persönlichkeitsrechte zu wehren
Neue Richtlinien und Zusammenschlüsse wie die aktuellen von WhatsApp und Facebook könnten also durchaus der Beginn einer westlichen Super-App sein. Als WeChat in China 2011 auf den Markt kam, hatte es auch nur zwei Funktionen: Messenger und Timeline. Es hat dann nur ein paar Jahre gedauert, bis die App zur Super-App weiterentwickelt war. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied zum Beispiel China: In demokratischen Ländern kann diese Zeit genutzt werden, um gesellschaftliche Strategien gegen eine zu große Datenmacht solcher App-Anbieter zu entwickeln. Hier verfügen die Bürger über zahlreichere Möglichkeiten, sich gegen eine dadurch entstehende Bedrohung ihrer verfassungsgemäßen Persönlichkeitsrechte zu wehren.
Titelbild: Kostis Fokas