Die letzte Fußball-WM in Brasilien lief nur so mittelmäßig für die Sbornaja, wie so oft. Die russische Auswahl erwischte eine relativ leichte Gruppe mit Südkorea, Belgien und Algerien, aber zwei Unentschieden und eine Niederlage reichten nicht für das Achtelfinale. Dabei sah es im letzten Gruppenspiel in Curitiba gegen Algerien lange so aus, als könnte sie sich für die nächste Runde qualifizieren. Alexander Kokorin von Dynamo Moskau hatte sein Team in Führung geschossen, Algerien schaffte in der 60. Minute aber den Ausgleich, nachdem Torwart Igor Akinfejev mit einem Laserpointer geblendet wurde.
Um den Laserpointer entbrannte nach dem Ausscheiden eine wilde Diskussion. Der sogenannte Skandal von Curitiba lenkte ab von der Tatsache, dass die Mannschaft einfach zu schwach war. Eigentlich hatte der italienische Coach Fabio Capello den Auftrag, das Turnier als den Startpunkt eines Vierjahresplanes zu nutzen. Das Ziel: Russland 2018 zum Titel im eigenen Land führen.
Fußball und Eishockey sind die wichtigsten Sportarten in Russland. In Moskau und Sankt Petersburg hat Fußball jedoch einen höheren Stellenwert als Scheibu, wie die Russen Eishockey nennen. Schon jetzt ist das mediale Interesse an der WM 2018 ungleich höher als an der Eishockey-WM, die 2016 in Sankt Petersburg und Moskau ausgetragen wird. Viele Russen erwarten nicht weniger als den Titel. Und anders als in Brasilien protestiert bislang kaum jemand gegen die enormen Kosten.
Dabei schafft die WM im eigenen Land bislang vor allem eins: Probleme. Und das sind längst nicht nur sportliche. Der Abschwung der russischen Wirtschaft und die Rubelkrise, mit ausgelöst von westlichen Sanktionen als Antwort auf die Ukraine-Krise, aber auch vom Fall des Ölpreises, traf auch den Fußball hart. Rossijski Futbolny Sojus, der russische Fußballverband, ist finanziell schwer angeschlagen. Sogar für das Gehalt von Fabio Capello musste ausgerechnet der Oligarch Alischer Usmanow einspringen, der den Trainer nach der WM noch harsch kritisierte. Die Vereine sind ebenfalls vom Abschwung gebeutelt, da die meisten Topstars ihre Gehälter in Euro oder Dollar beziehen. Ein Versuch, einen eigenen Fußball-Wechselkurs einzuführen, 1 Dollar zu 45 Rubel und 1 Euro zu 55 Rubel, scheiterte. Manche Klubs wie Spartak Moskau schafften es zwar, Verträge neu zu verhandeln, für einen kleineren Verein wie Rotor Wolgograd bedeutete die Kostenexplosion das Aus: Der Traditionsklub musste Konkurs anmelden.
Die Rubelkrise hat auch Auswirkungen auf die Vorbereitungen für die Weltmeisterschaft selbst. Ein weiteres glitzerndes Sportereignis wie die Winterolympiade 2014 in Sotschi kann sich das Land kaum leisten. Sotschi kostete 50,8 Milliarden Dollar, es war die bisher teuerste Olympiade überhaupt. Zum Vergleich: Die vorangegangene Olympiade in Vancouver schlug mit geschätzten 6,8 Milliarden Dollar zu Buche. Die russische Regierung versucht jetzt schon mit der FIFA, die Kosten der Weltmeisterschaft drastisch zu senken. Beispielsweise wurden die Kapazitäten der WM-Stadien in Kaliningrad und Jekaterinburg von 45.000 auf 35.000 gesenkt. Obwohl diese Stadien nun offiziell unter der von der FIFA angegebenen Mindestkapazität von 40.000 Plätzen liegen, segnete der Weltverband das ab, um zu verhindern, dass Russland mit der Planung in Verzug kommt.
Dafür ist das neue Stadion in Sankt Petersburg ein mahnendes Beispiel. Die Zenit-Arena, Austragungsort für ein WM-Halbfinale sowie die neue Heimspielstätte von Zenit Sankt Petersburg, sollte eigentlich schon 2009 fertig sein. Stattdessen wird jetzt mit einer Fertigstellung im Jahr 2016 gerechnet. Ursprünglich sollte die Arena 190 Millionen Euro kosten, aber die Verzögerungen haben dazu geführt, dass sich die Kosten wohl auf über eine Milliarde Euro summieren werden, was das Stadion neben dem Londoner Wembley Stadion zum teuersten weltweit machen würde. Die Verzögerung des Baus ist nur ein Grund, warum die Kosten explodiert sind, ein weiterer ist Korruption. Baufirmen fälschen oft Materialkosten, um den Gewinn zu maximieren. Dies hat auch dazu geführt, dass viele Stadien im Land oft fast das Doppelte kosten wie vergleichbare Arenen in Deutschland.
Hinzu kommt: Durch den schwachen Rubel sind viele Arbeitsmigranten nach Zentralasien und in den Kaukasus zurückgekehrt. Laut dem Chef der Sankt Petersburger Baubehörde, Michail Demidenko, verließen 20 Prozent der Arbeitsmigranten die Stadt im Januar 2015. Die Baufirmen müssen nun auf besser bezahlte einheimische Arbeiter zurückgreifen, um die Stadien rechtzeitig fertigzustellen. Das reißt Löcher ins Budget. Im März verklagten 50 Elektriker, die an der Zenit-Arena arbeiteten, die Baufirma Transstroy, die seit Wochen keine Löhne mehr gezahlt hat.
Um den Kostenrahmen von etwa elf Milliarden Euro einzuhalten, hat die Regierung 25 Projekte gekürzt und weitere 23 Projekte auf eine Liste gesetzt, bei denen gespart werden soll. Besonders betroffen sind die Städte Nischni Nowgorod, Kaliningrad, Wolgograd, Rostow am Don und Saransk. Hier sollen für Hotels, Infrastrukturmaßnahmen, Krankenhäuser oder neue Abwasserkanäle Mittel gestrichen werden. Für die Kosten sollen die Kommunen aufkommen. Da die aber ebenfalls von der Finanzkrise betroffen sind, ist es am wahrscheinlichsten, dass gar nichts passiert.
Ärger mit rassistischen Fans
Zu den wirtschaftlichen Problemen kommen noch schwierige Fans. Immer wieder wird die Liga von Rassismusskandalen erschüttert. Die Exzesse der russischen Fans waren der Hauptbestandteil einer Studie, die im Februar bei FAREnet.org (Football Against Racism in Europe), das sich als Organisation aktiv gegen Diskriminierung im Fußball einsetzt, veröffentlicht wurde.
Die Studie, die sich mit Rassismus im russischen Fußball beschäftigt, zeichnet ein düsteres Bild. Zwischen 2012 und 2014 wurden 99 rassistische Vorfälle dokumentiert. Unter den Opfern waren auch prominente Spieler wie der brasilianische Nationalspieler Hulk, der im Spiel gegen Torpedo mit Affenlauten begrüßt wurde. Der Report rief die FIFA auf den Plan, die vom russischen Fußballverband eine klare Strategie im Kampf gegen den Rassismus in den Stadien erwartet. Immerhin hat der Verband eine neue Antirassismusbehörde ins Leben gerufen.
Neu sind diese Probleme nicht. Doch ähnlich wie bei der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine werden sie jetzt insbesondere im Westen von den Medien wahrgenommen. Dies führt zwar dazu, dass Russland kurzfristig Maßnahmen ergreifen muss, um den Rassismus in den Stadien und außerhalb zu bekämpfen. Aber wenn es so läuft wie 2012 in der Ukraine, wird man eher versuchen, diese Probleme kleinzureden und die Maßnahmen verpuffen zu lassen, sobald das Turnier vorbei ist.
So viele Baustellen es auf dem Weg zur Fußball-WM 2018 noch gibt, die FIFA und die russische Regierung werden dafür sorgen, dass die WM, ähnlich wie in Brasilien, glänzen wird. Ob sie nachhaltig politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen bewirken kann, ist fraglich.
Manuel Veth promoviert am Kings College in London über den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel des russischen Fußballs seit den 1980er-Jahren. Er ist Fan von Borussia Dortmund und 1860 München.