Seine Stenotypistin zu heiraten war wohl die klügste Entscheidung, die Fjodor Dostojewski je traf. Seine zweite Frau Anna erwies sich als sein rettender Engel. Sie half ihm, in nur 26 Tagen den Roman „Der Spieler“ niederzuschreiben, heiratete ihn anschließend, reiste mit ihm durch die Casinos von Europa und stand ihm auch dann noch treu zur Seite, als sie zur Begleichung seiner Spielschulden all ihren Besitz veräußern musste.


Der Vielschreiber hat der Welt zahlreiche sehr dicke Bücher hinterlassen, die moral- und religionsphilosophische Fragestellungen mit psychologisch hellsichtigen Charakterzeichnungen verbinden und ein neues, vielstimmiges Erzählmuster etablierten. „Schuld und Sühne“, das von dem armen Studenten Raskolnikow handelt, der eine Pfandleiherin erschlägt, ist von Thomas Mann als der größte Kriminalroman aller Zeiten bezeichnet worden.Später stellte Anna Dostojewskaja das Leben des chronisch klammen Autors auf ökonomisch soliden Boden, indem sie einen Verlag gründete und die Werke ihres Mannes fortan selbst herausgab. Von seiner Spielsucht kurierte Dostojewski aber erst die Arbeit an seinem Roman „Die Dämonen“, der 1873 erschien.

Auch dem ungemein figurenreichen philosophischen Roman „Die Brüder Karamasow“ liegt ein kriminalistisches Sujet zugrunde. Dostojewskis Romane erschienen meist als Fortsetzungen in Zeitschriften und weisen deshalb, bei aller Komplexität der Gesamtanlage, kurze innere Spannungsbögen auf, die ihre Lektüre erleichtern.

Mit den „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“, in denen Dostojewski seine Erfahrungen im Straflager verarbeitete, schuf er die Urform des literarischen Lagerberichts, woran im 20. Jahrhundert Alexander Solschenizyns „Archipel Gulag“ anknüpfte. Dostojewski war im Übrigen noch glimpflich davongekommen mit seiner Lagerhaft: In frühsozialistischen Kreisen aktiv, war er als 28-Jähriger zum Tode verurteilt worden und hatte bereits mit dem Leben abgeschlossen. Erst auf dem Hinrichtungsplatz wurde seine Strafe umgewandelt.

Mehr aus der Reihe „Mitreden, obwohl ich das Buch nicht gelesen habe“:

Teil 1: Alexander Puschkin – der Nationaldichter
Teil 2: Nikolai Gogol – der Surreale
Teil 3: Fjodor Dostojewski – der Spieler
Teil 4: Lew Tolstoi – der Graf
Teil 5: Anton Tschechow – der Menschenfreund