Die Prinzessin wurde entführt, und Super Mario muss sie retten. Oder der Elfenkrieger Link. Oder irgendein anderer Held, natürlich ein männlicher. Es gibt kaum eine Kulturgattung, die so straight, so heteronormativ wirkt wie Computerspiele. Aber stimmt der Eindruck auch? Unter anderem dieser Frage nimmt sich „Rainbow Arcade“ an – die erste Ausstellung, die sich mit queerer Videospielgeschichte beschäftigt – und schafft es, sie gleichzeitig mit Nein und mit Ja zu beantworten.
Mit Nein, weil die Kurator*innen von „Rainbow Arcade“ diverse Beispiele queerer Themen in Computer- und Videospielen zusammengetragen haben. Das geht schon in den 1980er-Jahren los. Im durchaus prominenten „Super Mario Bros 2“ tritt mit dem Dinosaurierwesen Birdo ein Zwischenboss auf, der laut Anleitung „denkt, er wäre ein Mädchen“ und „lieber Birdetta genannt werden will“. Ein transidentitärer Charakter? Nintendo hat das nie aufgelöst.
Adventure im Schwulen- und Lesbenviertel
1989 erscheint mit „Caper in the Castro“ sogar das erste eindeutig aus lesbischer Perspektive erzählte Spiel, ein Detektivinnen-Adventure, das im Schwulen- und Lesbenviertel von San Francisco spielt. Auch in der frühen Adventure-Serie „Leisure Suit Larry“ tummeln sich mehrere – zum Teil allerdings diskriminierend dargestellte – LGBTQ-Charaktere, Gleiches gilt für die bis heute populäre „Grand Theft Auto“-Reihe. Auch in Spielen, in denen die Charaktere komplexere Entwicklungen durchlaufen, werden gleichgeschlechtliche Beziehungsoptionen immer häufiger zur Selbstverständlichkeit – etwa bei den „Sims“ oder in Rollenspielreihen wie „Dragon Age“ oder „Fable“.
Doch beantwortet „Rainbow Arcade“ die Eingangsfrage auch mit Ja: Videospiele sind schon verdammt heteronormativ. Aus über 30 Jahren Gaming-Geschichte und sicherlich Zigtausenden Spielen sind letztlich nicht besonders viele queere Beispiele zusammengekommen.
Das liegt nun natürlich auch daran, dass die sexuelle Orientierung in vielen Spielen keine oder kaum eine Rolle einnimmt. LGBT-Charaktere – das ist auch in der Ausstellung so – lassen sich oft nur durch visuelle Codes identifizieren, und das häufig nur über Klischees. Ist beispielsweise Zangief aus „Street Fighter II“ schwul? Oder „sieht er nur so aus“?
Angst, dass „Homo-Inhalte“ den Verkauf schmälern
Doch es ist nicht nur das. Nintendo etwa kontrolliert strikt, welche Spiele auf seinen Geräten erscheinen dürfen, und achtet darauf, dass sie so wenig wie möglich mit Sex zu tun haben – wozu nach der Firmenlogik auch die sexuelle Orientierung zählt. Die Angst, dass „Homo-Inhalte“ den Verkauf schmälern, hat sicherlich viele Publisher von einem liberaleren Umgang mit LGBTQ-Inhalten abgehalten – und tut es bis heute.
Besser sieht es mit der Repräsentation auf dem wachsenden Sektor der Indie-Spiele aus, denen „Rainbow Arcade“ viel Platz einräumt. Klar: Wenn ein Spiel keine Millionenproduktion eines Riesenteams ist und mit weniger Erfolgsdruck auf den Markt kommt, steigt die gestalterische Freiheit. Das erfolgreichste Beispiel dürfte dabei das Adventure „Gone Home“ aus dem Jahr 2013 sein, das unter anderem mit dem British Academy Games Award ausgezeichnet wurde. Hier ist die Romanze von zwei Teenagerinnen im US-amerikanischen Nordwesten einer der zentralen Storyinhalte.
Die digitale Gay Pride bei „World of Warcraft“
Dann gibt es natürlich noch den Content, den Gamer*innen selbst beisteuern. So fand im Multiplayer-Online-Rollenspielhit „World of Warcraft“ viele Jahre eine digitale Gay Pride Parade statt. Als 2017 dann allerdings Jagex, der Publisher des Rollenspiels „RuneScape“, eine ähnliche Parade in seinem Spiel veranstaltete, liefen homophobe Spieler Sturm und verabredeten sich zu einer Art Gegendemonstration. Manche traten als Ku-Klux-Klan-Men auf und wurden später aus dem Spiel ausgeschlossen. Denn das ist auch ein Problem: Die „Gamerszene“ nimmt nicht gerade eine Avantgarde-Rolle in Sachen Toleranz gegenüber emanzipativen Lebensentwürfen ein – wie sich in der Vergangenheit unter anderem beim sexistischen Gamergate-Skandal zeigte.
„Rainbow Arcade“ macht aber noch mehr, als alte Spiele zu durchforsten. Die Ausstellung stellt unter anderem mehrere LGBTQ-Programmierer*innen aus dem Mainstream- und dem Indie-Bereich vor, etwa Robert Yang. Sie beschäftigt sich auch mit Homo- und Transphobie in Computerspielen – oftmals werden stereotype, vor allem schwule Charaktere als unheimliche Gegenspieler inszeniert – und gibt einen Einblick in die queere Gaming-Community. Und spielen kann man natürlich auch.
Wer hat sich bloß ausgedacht, dass der Text weiß auf orange stehen soll?
Ganz schön viel Stoff, dessen Aufbereitung leider nicht optimal gelungen ist: Oft mangelt es an Stringenz und Struktur, viel zu viele Themen werden nur angerissen. Während mitunter winzige Details umständlich ausgebreitet werden, sind anderswo durchaus bedeutende Schritte für LGBTQ-Repräsentation in Halbsätzen versteckt. Zudem sind die Texttafeln recht lieblos ins Deutsche übersetzt (wer kann, sollte die englischen Texte lesen) und typografisch eine mittlere Zumutung (weiß auf orange ist keine gute Idee).
So ist „Rainbow Arcade“ vor allem ein Startpunkt in ein bisher unterrepräsentiertes Thema, auf dem andere nun aufbauen können – und sollten. Denn die Diversität in Videospielen wird garantiert zunehmen.
„Rainbow Arcade: Queere Videospielgeschichte 1985–2018“. Schwules Museum, Lützowstraße 73, Berlin. Kurator*innen: Adrienne Shaw, Jan Schnorrenberg, Sarah Rudolph. Die Ausstellung läuft noch bis zum 13. Mai. Wer es bis dahin nicht nach Berlin schafft: Am 10. April wird ein Katalog zur Ausstellung erscheinen. Diesen ließ sich das Museum über eine Kickstarter-Kampagne finanzieren und schaffte es, in nur vier Wochen 25.000 Euro einzunehmen.