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Tony Hawk muss draußen bleiben

Skatefilme werden meist von Männern für Männer erzählt. Jetzt kommt die Comedyserie „Betty” über fünf Skaterinnen in New York

Betty Serie

Worum geht’s?

Um fünf junge Skaterinnen und ihren Alltag in der Lower East Side in New York City. Im Skatepark unter der Manhattan Bridge wollen Kirt (Nina Moran) und die YouTuberin Janay (Dede Lovelace) eine „all-girl skate sesh“ veranstalten, eine Skatesession nur für Mädchen. Es taucht aber nur eine Interessentin auf: die Künstlerin Honeybear (Kabrina „Moonbear“ Adams), die immerzu alles mit ihrer Kamera filmt. Die drei freunden sich mit der Grasdealerin Indigo (Ajani Russell) und mit Camille (Rachelle Vinberg) an, die meist mit den männlichen Skatern abhängt und versucht, diese zu beeindrucken. Mit „Betty“ setzt die Regisseurin Crystal Moselle ihren Coming-of-Age-Film „Skate Kitchen“ von 2018 fort, der Großteil der Besetzung ist wieder dabei. Moselle führt in allen sechs Folgen Regie, am Drehbuch schrieb unter anderem die Autorin Lesley Arfin („Girls“) mit.

Gut zu wissen:

Der Begriff „Betty“ entstand in den 80er-Jahren als abwertende Bezeichnung für Mädchen, die sich in Parks aufhielten, um den männlichen Skatern zuzusehen – anstatt selbst zu fahren. Kirt, Janay, Honeybear, Indigo und Camille sind keine „Bettys“ im klassischen Sinn, müssen sich den Respekt der männlich dominierten Szene aber immer wieder erkämpfen. Skaterfilme werden meist von Männern für Männer erzählt. „Betty“ dagegen ist überwiegend von Frauen geschrieben, inszeniert und produziert. Dieser weibliche Blick auf die Szene ist längst überfällig.

Worum geht’s wirklich?

Um Freundschaft, Feminismus, Rassismus, Sexismus, toxische Beziehungen. Das Skaten bringt die fünf Mädchen zusammen, sie entfliehen damit ihren Sorgen und Problemen. „Betty“ ist eine authentische, hochaktuelle Coming-of-Age-Geschichte. Die Protagonistinnen werden dabei mit unangenehmen Fragen konfrontiert, so wie Janay, die im Rückblick erkennt, dass sie in der Vergangenheit von ihrem Freund sexuell missbraucht wurde. Die Serie weckt, ohne erhobenen Zeigefinger, ein Bewusstsein für Ungerechtigkeit und Unrecht.

Betty (2020): Official Trailer | HBO

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Wie wird’s erzählt?

Fast dokumentarisch wirkende Aufnahmen mit wackeliger Handkamera wechseln sich ab mit kunstvoll durchkomponierten Bildern. So verhält es sich auch mit dem Erzählton: In der einen Minute lacht man als Zuschauerin über einen Gag, in der nächsten fesselt einen die Serie mit einem Gespräch über Beziehungsgewalt. Den Figuren kommt man im Lauf der Serie sehr nah, spürt ihre Wut und Verzweiflung – und die Freiheit, die sie auf dem Skateboard empfinden. Es gibt natürlich genug New-York-Filme und -Serien, aber diesen jungen Frauen folgt man gerne durch das sommerliche New York und seine Menschenmassen (da man es pandemiebedingt ja sonst schon nicht kann).

Die stärkste Szene:

Indigo soll bei einem Modeljob rassistische Stereotype bedienen. Der Artdirector, der sie auf den Fotos wütend sehen will, ruft ihr, einem Model of Color, Sprüche wie „Gib mir Ghetto“ und „Raus aus der Plantage, flieh in die Freiheit“ zu. Indigo schüttelt den Kopf und verlässt das Set. Den roten Gucci-Pelzmantel behält sie an und skatet darin davon, während im Hintergrund Rico Nasty „Smack A Bitch“ rappt.

Lohnt sich das?

Die Serie beginnt etwas schleppend; wegen des lakonischen Humors und des liebevollen Umgangs mit den Figuren sollte man aber trotzdem dranbleiben (auch wenn man keine Ahnung vom Skaten hat). Toll ist auch der diverse Cast: Die Protagonistinnen erleben zwar Rassismus – bei einer Prügelei werden zum Beispiel nur die nichtweißen Beteiligten verhaftet – innerhalb der Gruppe spielen Hautfarbe und sexuelle Orientierung aber keine Rolle. Außerdem setzen sich die Mädchen dafür ein, dass sie auch außerhalb der eigenen Gruppe als Frauen respektiert werden, dass ihr Umfeld zum Beispiel ihre lesbischen Beziehungen akzeptiert. Nur einmal zeigen sie selbst Grenzen auf: Tony Hawk, der einen Cameo-Auftritt hat, bekommt keinen Flyer für die „all-girl skate sesh“. Die Skatelegende ist schließlich keine Frau.

„Betty“ läuft seit 8. Dezember auf Sky. Eine zweite Staffel ist schon geplant.

Titelbild: Sky

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.