Es hatte ganz harmlos begonnen. Mit Demonstrationen, Reden und Plakaten protestierten im Jahr 2006 Tausende Menschen in Köln und Berlin gegen den Neubau von Moscheen. In Köln-Ehrenfeld sollte ein Gebetshaus mit einer 30 Meter hohen Kuppel entstehen. Im Ostberliner Stadtteil Heinersdorf war eine deutlich kleinere Moschee geplant für die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde. Die Anwohner hier wie dort gründeten Bürgerinitiativen und sammelten Unterschriften. Sie fürchteten, dass sich gewalttätige Islamisten in den Gotteshäusern treffen könnten; aber sie hatten auch Angst davor, dass der Wert ihrer Grundstücke sinken und es weniger Parkplätze geben könnte in den Straßen rings um die Moscheen. Die Gotteshäuser wurden trotzdem gebaut, und die Anwohner haben längst ihren Frieden damit geschlossen.

Dennoch taugt das Thema Islamismus immer wieder dazu, viele Menschen zu verunsichern, besonders nach den Anschlägen am 11. September 2001 fiel es manchem Polemiker leicht, Islam und Islamismus gleichzusetzen. Der Weg vom Kopftuch zum Selbstmordattentat ist nicht weit in diesem Weltbild, das in vielen Ländern zunehmend Verbreitung findet: In den Parlamenten von 16 europäischen Ländern sind rechtspopulistische Bewegungen vertreten – es gibt in den Niederlanden die Freiheits-Partei von Geert Wilders, die für einen Migrationsstopp eintritt und eine Minderheitenkoalition duldet, es gibt die Wahren Finnen oder in den USA die Tea Party, die Präsident Barack Obama mit patriotischen, ausländerfeindlichen Aussagen unter Druck setzt.

Der Erfolg dieser Bewegungen im Ausland hat wohl auch dazu geführt, dass die auf die Zurückdrängung von Immigranten muslimischer Herkunft gerichteten Botschaften zunehmend in Deutschland Gehör finden. Dabei kommen die Argumente der Islamhasser gut getarnt als Bürgerprotest aus der Mitte der Gesellschaft daher. „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“ – so lautet unausgesprochen die Ouvertüre zu den oft als wissenschaftliche Erkenntnis vorgetragenen Vorurteilen, wie etwa die provozierenden Thesen von Thilo Sarrazin, der den muslimischen Einwanderern in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ den Willen und die Fähigkeit zur Integration abspricht. Europas neuer rechter Populismus hat die alte Unterscheidung von Rechts und Links ersetzt durch die Vorstellung von Systemverteidigern und Systemgegnern. Man selbst verteidigt bürgerliche und christliche Werte und den Wohlstand, während auf der anderen Seite jene Blauäugigen stehen, die den Multikulturalismus verteidigen, in dem auch der Islam seinen Platz hat.

Verbreitet wird diese Ideologie vor allem im Internet. Hier hat sich in den letzten zehn Jahren eine globale Einheitsfront der Islamfeinde gebildet. Bestens vernetzt sind etwa einschlägige Blogs aus Europa wie Gates of Vienna, Document.no, Islam Versus Europe, Brussels Journal und das deutsche Portal PI – Politically Incorrect mit ihren Gesinnungsfreunden in den USA, die Atlas Shrugs, Jihad Watch und andere Blogs betreiben. Sie sehen sich als geistige Vorhut eines sogenannten Counter-Jihad, mit dem man eine Gesellschaft verhindern wolle, „in der Burkas und Ehrenmorde sowie Genitalverstümmelung als kulturelle Bereicherung gelten“, wie es in einem PI-Blogeintrag hieß. Diese Szene liefert die ideologische Blaupause für den „heiligen Krieg“ gegen Islam und linke Gutmenschen, die die freie Welt durch Multikulturalismus dem Feind opfern.

Es herrscht die Angst vor der Kopftuchpflicht

Zur Gewalt rufen die Autoren der islamfeindlichen Blogs dabei nie ausdrücklich auf, auch um möglichen Repressionen durch die Sicherheitsbehörden zu entgehen. Dafür aber nehmen die Kommentatoren auf diesen Seiten kein Blatt vor den Mund. Vom ungebremsten Hass und der verbalen Aggressivität in den Kommentatorenspalten dieser Seiten hat sich offenbar auch der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik leiten lassen, der nach seiner Festnahme angab, Norwegen vor dem Islam und dem „Kulturmarxismus“ retten zu wollen. Insofern sei Breivik ein „furchteinflößender Auswuchs der antimuslimischen Szene“, sagt der Chefredakteur der schwedischen Zeitschrift „Expo“, Daniel Poohl. Die eifrigen Blogger aus der Anti-Islam- Allianz wollen freilich nicht in einem Atemzug mit Breivik genannt werden, allerdings hatte der für seine 1500-seitige Kampfschrift, in der er seine Tat rechtfertigt, manche Texte aus den Blogs übernommen. „Die Gewalt ist in der Rhetorik angelegt, auch in derjenigen der rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen“, sagt der Sachbuchautor Anton Maegerle. „Wer Hass schürt, muss davon ausgehen, dass dieser Hass irgendwann explodiert.“

Im Oktober 2007 hatten sich in Brüssel Aktivisten der „Counter Jihad“-Bewegung zu einem Kongress versammelt, auf dem Mitglieder von politischen Parteien und Interessensgruppen, Blogger und Autoren über „Maßnahmen gegen das Übergreifen des Islam in ihren Ländern“ berieten. Zu den Rednern auf dem Kongress gehörte auch der Bergisch-Gladbacher Sportlehrer Stefan Herre. Der 46-Jährige betreibt das deutsche Blog PI – Politically Incorrect, die wohl einflussreichste in Deutschland betriebene islamfeindliche Internetseite. Will man Herre glauben, zählt PI mehr als 30.000 Besucher täglich. Die Seite verspricht „News gegen den Mainstream“ – als Mainstream begreift Herre die Islamisierung Europas. Man sei proamerikanisch und proisraelisch. Trotz Letzterem finden sich auch schon mal antisemitische Blogeinträge bei PI, zuletzt bei der Diskussion um die Holocaust- Leugnung von Bischof Williamson von der Pius-Bruderschaft. Schwerpunkt des Blogs aber sind die Warnungen vor einer bevorstehenden Islamisierung Deutschlands und Europas. So kann man auf der betont sachlich und nüchtern gehaltenen Nachrichtenseite etwa von der baden-württembergischen „Türkenministerin“ Bilkay Öney (SPD) lesen, die das „islamische Multikulti“ fördere, oder von Subventionen für „Ekelkunst von Zuwanderern“. Es wird aber auch offen gegen Homosexuelle gehetzt und Stimmung gegen die „rote Gefahr“ von Links gemacht. Herre hat kürzlich in einem seiner seltenen Interviews die Einschätzung zurückgewiesen, Breivik habe sich zu seiner Tat auch durch Blogs wie den seinen inspirieren lassen. „Ich bin doch nur ein kleiner Blogger“, der nicht will, dass seine „Kinder später mit einem Kopftuch herumlaufen müssen“, sagte Herre dem „Stern“. So tarnt sich die Islamphobie als ganz nachvollziehbarer Protest gegen eine Überfremdung. Dass in den vergangenen Jahren mehr Moslems aus Deutschland weggezogen als gekommen sind, wird dabei geflissentlich ignoriert.

Das Konzept scheint aufzugehen. Nutzer und Leser von Poltically Incorrect haben sich inzwischen in Dutzenden Aktionsgruppen zusammengeschlossen und sind politisch in der Öffentlichkeit aktiv. Personelle Verflechtungen gibt es insbesondere zur Bürgerbewegung Pax Europa, die ebenfalls eine populistische Melange aus Antiislamismus und christlich-fundamentalen Grundsätzen pflegt. Sie ist eng vernetzt nicht nur mit dem PI-Blog, sondern auch mit der English Defense League, einer 2009 gegründeten islamfeindlichen Sammelbewegung in Großbritannien, die von Geheimdiensten der extremen Rechten zugeordnet wird und Verbindungen in militante Kreise unterhalten soll.

Die neue Bewegung gibt sich gesetzestreu und harmlos

„Religionskritik ist kein Rassismus“, steht auf der Internetseite von „Die Freiheit“, laut Eigenwerbung eine „Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie“. Gegründet wurde sie von René Stadtkewitz, der zuvor aus der Berliner CDU-Fraktion ausgeschlossen worden war, weil er den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen hatte. Wilders wurde durch seinen Kampf gegen eine vermeintliche Überfremdung bekannt – als er einst nach London reisen wollte, verweigerte man ihm die Einreise. Ein Prozess wegen Volksverhetzung endete mit einem Freispruch für ihn. Seine Meinungsäußerungen bewegten sich im Rahmen des Erlaubten, urteilte das Gericht.

Auch das ist ein Zeichen der neuen Bewegung. Im Gegensatz zu rechtsextremen Organisationen gibt man sich gesetzestreu, beteuert seine Sympathie mit Israel und tarnt sich als Bürgerprotest hinter unverfänglichen Namen wie „Pro Deutschland“. Diese Partei trat im Herbst bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus mit Plakaten an, die eine durchgestrichene Moschee zeigten. Es ist das Symbol, mit dem die Menschen vor fünf Jahren gegen den Moscheenbau in Köln auf die Straße gingen. Mittlerweile ist es das Logo einer ganzen landesweiten Bewegung.