Ned Maddrell war der Letzte, der Manx von klein auf gelernt hatte. Manx ist die traditionelle keltische Sprache der britischen Kronkolonie Isle of Man im Irischen Meer. Sie ist dem Irischen ähnlich, und wenn der alte Fischer Maddrell sie sprach, klang es windig und kratzig und geheimnisvoll. Als Maddrell am 27. Dezember 1974 starb, starb mit ihm auch eine Jahrhunderte alte Sprache. Sprachen sind bedrohte Wesen. Die Unesco schätzt, dass knapp die Hälfte der heute gesprochenen Sprachen bald aussterben könnten. Manchmal überlebt eine Sprache in Kirchengemäuern, wie das Lateinische, manchmal kann man sie nach Jahrhunderten wiedererwecken, wie das Hebräische. Meistens aber verschwinden sie für immer, vor allem, wenn sie kein Schrifttum hinterlassen. Allein in den vergangenen sechs Jahrzehnten ist die Welt um rund 230 Sprachen ärmer geworden.
Auch Manx drohte dieses Schicksal. Im 19. Jahrhundert hörte erst die Kirche auf, ihre Messen in Manx zu lesen, dann setzte sich Englisch als Unterrichtssprache an den Schulen durch. Manx verlor rapide an Ansehen: Eltern brachten es ihren Kindern nicht mehr bei, die Sprache galt als provinziell, ungebildet. Zur Jahrhundertwende beherrschten weniger als zehn Prozent der Einwohner Manx. Sprachenthusiasten bemerkten rechtzeitig, dass der Klang ihrer Insel unwiderruflich zu verschwinden drohte. 1899 gründeten sie eine Gesellschaft zur Rettung der Sprache, ab Mitte des 20. Jahrhunderts reisten Wissenschaftler mit Aufnahmegeräten zu den letzten Muttersprachlern und Sprachkundigen in die Dörfer. Einer davon war Maddrell, der Legenden und Märchen ins Mikrofon sprach. Nach seinem Tod halfen diese Aufnahmen, die alte Sprache wiederzubeleben. Mittlerweile gibt es Manx-Kindergärten und seit einigen Jahren Manx-Kurse an den Schulen. Bei der Volkszählung 1991 gaben 634 Einwohner an, Manx zu sprechen. Zehn Jahre später waren es 1689 der rund 75.000 Inselbewohner. Das ist wenig und doch ein großer Erfolg.