Zu den Sehenswürdigkeiten im italienischen Prato zählen der Dom aus grün-weißem Marmor, die Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert und die engen Gässchen der mittelalterlichen Altstadt. Hier ist die Toskana so, wie Touristen sie lieben.
Von den 190.000 Einwohnern Pratos sind zwischen 30.000 und 50.000 Migranten aus China; ihre genaue Anzahl kennt niemand. Die meisten arbeiten in den 3.600 Textilfabriken, die hier in chinesischer Hand sind. Viele sind illegal im Land. Entsprechend gering ist der Kontakt zwischen den Neuankömmlingen und den alteingesessenen Italienern.
Die Stoffherstellung hat in Prato eine lange Tradition. Schon seit dem Mittelalter prägt sie das Wirtschaftsleben der toskanischen Provinzhauptstadt. In den 1990er-Jahren wurde die Produktion zu teuer, um gegen die internationale Konkurrenz bestehen zu können. Als die Betriebe schlossen oder ins Ausland gingen, übernahmen Chinesen das Geschäft. Sie mieteten sich in die leer stehenden Fabriken ein und organisierten die Textilproduktion nach ihren Regeln. Zu den Kunden zählen Modeunternehmen aus der ganzen Welt.
Zwei Milliarden Euro Jahresumsatz erwirtschaften diese Firmen laut Schätzungen. Mindestens die Hälfte davon, so hat es die italienische Journalistin Silvia Pieraccini recherchiert, kommt durch Schwarzarbeit zustande. Pieraccini hat ein Buch über Pratos chinesische Textil-Exklave geschrieben: „L’Assedio Cinese“ (Die chinesische Belagerung). Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, so kritisieren auch italienische Gewerkschaften, würden Sweatshops gleichen: Schichten bis zu 18 Stunden täglich an sieben Tagen die Woche. Dafür gibt es monatlich 300 Euro brutto, berichten ehemalige Arbeiter.
Jordis Antonia Schlösser, geboren 1967 in Göttingen, ist Mitglied der Fotografenagentur OSTKREUZ. Sie fotografierte in nahezu allen Teilen der Welt für Magazine wie Geo, Stern, National Geographic und Spiegel. 1998 wurde sie in die Word Press Masterclass aufgenommen. Für ihre Arbeiten erhielt sie mehrere internationale Fotopreise, etwa den „Yann Geoffroy Competition“ und den „World Press Photo Award“. Sie lebt und arbeitet in Berlin.