Wie vergeht denn die Zeit hier im Gefängnis, vergeht die anders?
Harry: Alles dauert länger. Und doch vergeht die Zeit für jemanden, der hier sitzt, zügiger als draußen. Die Jahre purzeln relativ schnell. Wir kriegen hier drin nicht mit, wie das Leben draußen weiterpulsiert. Wir leben in einem Stillstand und wir gewöhnen uns an ihn. Wenn wir hier drinnen an einer Tür eine Dreiviertelstunde warten müssen, dann wissen wir: Das dauert so lange, wir regen uns da drüber nicht auf, wo Sie wahrscheinlich schon hibbelig werden, wenn der Aufzug nach drei Minuten nicht kommt.
Wie haben Sie sich Ihre Zukunft vorgestellt, bevor Sie verurteilt wurden?
Harry: Ich gehörte zur ganz normalen Gruppe der mittelständischen Unternehmer, mit den gleichen Bedürfnissen, mit den gleichen Wünschen wie jeder andere auch. Glückliche Familie, Kinder, Haus, Auto. Mit 55 bis 60 in den Ruhestand gehen. Darauf habe ich hin-gearbeitet.
Malte: Reich wollte ich nicht sein, nur unabhängig und sorglos. Ein Leben mit Tendenz zum Meer, Richtung Süden.
Nach wie vielen Jahren Haft kann man sich von der Außenwelt lösen?
Harry: Das ist schwer. Sie können nicht so einfach loslassen, was sie verloren haben. Da kommt bei vielen eine innere Wut auf. Man kann das nicht so einfach wegstecken. Manche brauchen vier, fünf Jahre, um sich davon geistig zu trennen.
Denken Sie an die Zukunft? Was wer-den Sie in zehn Jahren machen?
Malte: Ich denke schon an die Zukunft, weil ich ja auch noch ein bisschen Hoffnung habe. Ich habe ja auch studiert. Und ich habe das Glück, dass die sozialen Kontakte nicht ganz weggebrochen sind. Ich kann wieder arbeiten, ich kann bei einer Freundin, die eine Marktforschungsagentur hat, wieder anfangen.
Harry: Ich habe mir das abgewöhnt. Ich lebe nur noch in der Gegenwart. Diese buddhistische Auffassung, jeden Tag im Jetzt zu leben, das können Sie hier tatsächlich praktizieren. Sie denken nicht mehr an das Gestern und die Vergangenheit, weil das wahnsinnig wehtut. Wenn Sie hier in der Anstalt spazieren gehen und Sie hatten früher mal einen Garten, und dann kriegen Sie mit, wie die Tulpen blühen, dann tut das weh, weil Sie an Ihre alte, schöne Zeit erinnert werden. Sie wollen auch nicht an die Zukunft denken, weil Sie wissen: Das ist alles Spinnerei. Wenn Sie rauskommen, wartet keiner auf Sie. Sie haben keinen Job. Sie müssen sich um eine Wohnung kümmern. Es wird wahnsinnig Probleme geben. Da wollen Sie nicht dran denken.
Harry* (53) ist wegen Mordes zu lebenslanger Haft (mindestens 15 Jahre) verurteilt und hat schon neun Jahre abgesessen
Malte* (50) wollte mit einem Segelboot Drogen aus der Karibik nach Spanien schmuggeln, wurde erwischt und zu zehn Jahren verurteilt, von denen er noch fünf vor sich hat
* Namen von der Redaktion geändert.