fluter: Hallo, Herr Claussen. Wie komme ich denn an Ihr Geld? Reicht Ihnen eine Idee für eine nette App und dass ich mich wie Mark Zuckerberg verkleide – also mit Flip-Flops und Hoodie statt im Anzug komme?
Max Claussen: Ja, das sind so die Klischees. Es geht aber natürlich darum, wie visionär die Idee ist, wie innovativ. Wichtig ist auch, dass das Produkt schon auf einer kleinen Ebene funktioniert, dass es erste Anwender gibt. Wenn man eine frühe Version des Produkts hat, ein kleines Team und nicht mehr nur ein Konzeptpapier, steigen die Chancen.
Sie geben den Gründern Geld und erhalten dafür Anteile am Unternehmen, die Sie später, wenn es ein Erfolg wird, für ein Vielfaches verkaufen. Funktioniert so Ihr Geschäftsmodell?
Ganz vereinfacht stimmt das so. Nur dass wir uns sehr lange an den Unternehmen beteiligen und nicht auf schnelle Gewinne zielen. Und dass man das Geld vervielfacht, kann man den Anlegern, die bei uns einzahlen, auch nicht versprechen. Deswegen heißt es ja Wagniskapital.
Und wie viel kommt da zusammen?
Unser neuer Fonds hat ein Volumen von rund 150 Millionen Dollar. Damit investieren wir in vielversprechende Start-ups. Natürlich nicht alles in einen. Unsere Investments liegen am Anfang so bei 750.000 Euro bis zu einer Million.
In welchem Bereich sind denn gerade Ideen gefragt?
Der Online-Zahlungsverkehr bewegt sich enorm. Auch einfache Lösungen für Office-Management und Buchhaltung sind gefragt, und bei mobilen Apps gibt es natürlich auch Potenzial.
Sie haben Ihr Büro in Hamburg zugemacht und eins in Berlin eröffnet. Ist Berlin das deutsche Silicon Valley?
Hier gibt es jedenfalls ein ungeheures Momentum. Das kreative Umfeld, das kulturelle Angebot, die Internationalität und die günstigen Mieten ziehen unheimlich viele junge, interessierte, gut ausgebildete Leute an. Die kommen aus Osteuropa, aus Skandinavien, aus den USA. Nur in einem der sieben oder acht Unternehmen, die wir unterstützen, wird Deutsch gesprochen.
Wo ist denn der Unterschied zu Kalifornien?
Wir sind in Europa fast 40 Jahre hinterher. In den USA gibt es in der IT-Branche eine Art unternehmerisches Ökosystem, wie wir das nennen. Gefördert durch die Unis in Stanford und Berkeley und von Unternehmen wie HP oder Microsoft, die schon seit den 70er-Jahren Innovationen massiv unterstützt haben. Bei uns entwickelt sich so ein Umfeld erst allmählich.
Bekommen die Gründer in den USA nicht viel mehr Geld?
Das stimmt. Hier muss man lernen, mit weniger zurechtzukommen und dennoch ein Top-Produkt zu entwickeln. Aber deutsche Firmen wie Soundcloud oder 6Wunderkinder, die international erfolgreich sind, bekommen dann auch von US-Investoren schnell viel Geld. Da geht es dann oft um zweistellige Millionenbeträge.
Wie viele Ideen setzen sich denn durch?
Wir sind jetzt seit 15 Jahren dabei, und rückblickend kann man ungefähr sagen: Von zehn Investments klappen vier gar nicht, drei machen Gewinne, wachsen aber nicht so stark, und die anderen zwei bis drei sind richtig erfolgreich und in der Lage, den Fonds ganz zurückzuzahlen.
Japanische Rentner finanzieren deutsche Nerds
Gibt es angesichts des Gründerfiebers in Ihrer Branche eine große Konkurrenz?
Ich fände es sogar gut, wenn es mehr Venture Capital gäbe. Aber nachdem im Jahr 2000 die Internetblase geplatzt ist, also viele völlig überbewertete Unternehmen pleitegingen, ist die Zurückhaltung der Investoren groß. In Deutschland gibt es nur vier bis fünf Fonds. Wenn man das in Relation zur Größe der Volkswirtschaft sieht und mit den USA vergleicht, ist das sehr mager.
Kann ich Ihnen 1.000 Euro hierlassen und Sie geben mir in einem Jahr 2.000 zurück?
Wir haben eher wenig private Investoren. Der größte Teil des Geldes kommt von institutionellen Anlegern, etwa von einem japanischen Pensionsfonds.
Im Ernst? Japanische Rentner unterstützen deutsche Nerds mit ihren Spargroschen?
Ja, kann man so sehen.