Der Öko-Streber-Staat Kalifornien hat ein Problem: Es gibt immer weniger Wasser für immer mehr Menschen. In Los Angeles patrouillieren deswegen die »Drought Busters« durch die Straßen – eine Art Wasserschutzpolizei: Sie sollen verhindern, dass die Stadt zur Wüste wird. 

»Das ist ein Indiz, ein Beweis ist es leider noch nicht.« Lisa Gonzales drückt mit ihrem rechten Fuß auf die Grasnarbe eines dicht bewachsenen Vorgartens im San-Fernando-Tal von Los Angeles. Der Rasen macht ein schmatzendes Geräusch, braunes Wasser läuft in den Rinnstein. Lisa Gonzales trägt eine blaue Uniform mit dem Logo eines durchgestrichenen Wasserhahns. Sie ist eine kräftige kleine Frau Mitte dreißig, die selbst bei nichtigen Anlässen in ein herzliches, lautes Lachen ausbricht. Nur wenn es um Wasser geht, versteht sie keinen Spaß. Sie sagt, sie könne wahnsinnig werden, wenn sie so etwas wie diesen Rasen hier sieht. Es ist zwölf Uhr mittags und drückend heiß. Südkalifornien befindet sich im neunten Jahr einer Dürre, die manche für die schlimmste seit mehr als 100 Jahren halten. Die Wüste frisst sich langsam in Richtung Küste vor. Viele Farmer haben aufgegeben, weil ihre Felder staubtrocken und versalzen sind. Selbst mit Hochleistungspumpen können sie nicht mehr genug Wasser aus dem Boden ziehen, um Landwirtschaft zu betreiben. Die gigantischen Reservoire Lake Mead und Lake Powell, 
die den Südwesten der USA beliefern, sind nur noch knapp zur Hälfte gefüllt und haben an den Ufern haushohe, weiße Kalkringe. Der einst gewaltige Colorado River, der 2300 Kilometer lang vom Norden bis tief in den Süden fließt und fünf Bundesstaaten, eine mexikanisch Provinz und Dutzende Indianerstämme mit Wasser versorgt, kommt in Mexiko nur noch als Rinnsaal an. Die Rocky Mountains, die dem Fluss im Frühjahr wichtiges Schmelzwasser zuführen, sind dieses Jahr mit weniger als der sonst üblichen Schneemenge bedeckt. 

Die Stadt Los Angeles hat es vielleicht am härtesten von allen getroffen. Ihr Grundwasser ist seit Langem 
unbrauchbar, weil es die Raumfahrtindustrie verseucht hat. L.A. importiert den Großteil des Wassers für vier Millionen Menschen über Aquädukte und durch Rohrleitungen. In den vergangenen Jahren hat die Stadt außerdem zwei wichtige Gerichtsprozesse gegen Umweltschützer und andere Gemeinden verloren: Sie muss einen See auffüllen, den sie wegen ihres hohen Wasserverbrauchs trockengelegt hat (was in einem entfernten Tal Sandstürme auslöste). Und sie bekommt nicht mehr so viel Wasser aus dem Sacramento-Delta, weil ein vom Aussterben bedrohter Fisch unter dem Abzug von Süßwasser gelitten hat. »Whiskey is for drinking, Water is for fighting over«, soll schon Mark Twain gesagt haben. 

Um das Wasser gibt es seit den frühen Pioniertagen Konflikte, die damals auch schon mal nach Cowboymanier mit Schusswechseln ausgetragen wurden. Die alten Verträge, die die Wasserrechte von Bundesstaaten und Farmern regelten, passen nur noch eingeschränkt zu den heutigen Verhältnissen: Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Kalifornien in einer ungewöhnlich feuchten Klimaperiode besiedelt wurde. Heute regnet es viel weniger als damals. 
 

Bizarre Idee: Einen Eisberg vor die Küste zu ziehen 


Paradoxerweise ziehen gerade wegen des trockenen, warmen Klimas immer mehr Menschen in die Region. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Bevölkerung im Südwesten der USA auf rund 50 Millionen angewachsen. Las Vegas in Nevada ist einer der schnellstwachsenden Orte der USA, täglich ziehen hunderte Menschen in die Wüstenstadt. Auch L.A. hat im letzten Vierteljahrhundert eine Million neue Einwohner gewonnen, die alle Wasser wollen – zum Kochen, Putzen, Golfspielen und für ihre Pools und Gärten. Niemand verbraucht auf der Erde so viel wie die US-Amerikaner. Während Deutsche im 
Schnitt mit 129 Liter pro Kopf und Tag auskommen (das ist ungefähr eine Badewannenfüllung voll), sind es in den USA laut dem Pacific Research Institute 393 Liter. In einem gemeinsamen Artikel in der »L.A. Times« zeichnen Gouverneur Arnold Schwarzenegger und die Senatorin von Kalifornien, Dianne Feinstein, ein dramatisches Bild: »Die Auswirkungen einer weiteren Trockensaison wären verheerend – wir können nicht mehr warten.«

Kalifornien ist seit jeher das Land der großen Ideen, es gab bizarre Vorschläge, um das Problem zu lösen. Die einen wollten eine Pipeline bauen, um Wasser aus Kanada abzuzapfen. Die anderen wollten das Wasser mit Frachtschiffen anliefern. »Wir könnten genauso gut auch einen Eisberg kaufen und ihn an die Küste ziehen«, sagt Jane Galbraith von den Wasserwerken von L. A. »Das Einzige, das uns über die nächsten zwanzig Jahre rettet, ist ein geringerer Verbrauch.« Die Stadt ruft ihre Bürger dazu auf, Wüstengärten anzulegen. Sie bezuschusst Wasser sparende Toiletten und Waschmaschinen. Und sie hat »Drought Buster« wie Lisa Gonzales angeheuert, eine Art Wasserpolizei. 

Dort wo Lisa Gonzales auf Streife geht, ist es besonders schlimm. Der kühle Wind des Pazifiks wird von Bergkuppen abgehalten, das San-Fernando-Tal ist der heißeste Ort der Stadt – und das Zentrum der Wasserverschwender von L.A. Die Menschen hier benutzen zwischen 40 und 70 Prozent ihres täglichen Wasserbedarfs allein für ihre Gärten. Lisa Gonzales und die anderen fünf »Drought Busters« kontrollieren, dass niemand in der Mittagszeit seinen Vorgarten gießt oder gar mit dem Wasserschlauch den Boden abspritzt. Es ist eine gewaltige Aufgabe: Der Bürgermeister hat auf einer Pressekonferenz gesagt, er erwarte, dass die »Drought Busters« den Wasserverbrauch um zehn Prozent senken. 

Lisa Gonzales macht sich auf die Suche nach dem Besitzer des überschwemmten Rasens. Ein paar Wochen zuvor hat sie einen Hinweis bekommen, dass mit dem Grundstück etwas nicht stimmt. »Meine Nachbarn gießen ihre Blumen von morgens bis abends«, steht mit blauem Kugelschreiber geschrieben auf einem Vordruck in ihrer Hand. Per Telefon kann man Wasserverschwender in der Nachbarschaft anzeigen. Lisa Gonzales arbeitet jeden Tag einen dicken Stapel aus 20 bis 40 solcher Beschwerden ab. Sie hat es mehr als einmal erlebt, dass sie an einer Tür klingelte und merkte, dass alles in Ordnung war und sie nur jemand in einem Nachbarschaftsstreit missbrauchen wollte. Doch es geht um die Zukunft ihrer Stadt, die Sache ist ihr zu wichtig, um aufzugeben. 
 

Schwarzeneggers Hummer braucht Wasser(stoff) 


Die »Drought Busters« gab es in den 90er-Jahren schon einmal in Los Angeles. Doch dann regnete es 1999 und niemand wollte mehr etwas vom Wassersparen wissen. »Dieses Mal wird es anders sein«, sagt Jane Galbraith von den Wasserwerken. »Dieses Mal werden wir die Stadt nachhaltig verändern, die Zeit ist reif.« Kalifornien sieht sich als Vorreiter eines neuen, ökologischen Amerikas – und das spürt man überall. Auf den Highways erinnern Schilder an die Klimaerwärmung, Plakate rufen die Bürger dazu auf, weniger Müll zu produzieren. Gouverneur Schwarzenegger hat seinen monströsen Hummer Jeep mit einem Wasserstoffmotor ausrüsten lassen. 

Lisa Gonzales ist im Inneren des Gebäudes, das sich als Altersheim herausgestellt hat. Die Wasserpolizistin betritt das Büro und stellt sich vor. »Hallo, ich möchte ihnen ein paar Wassersparinformationen geben und das da ist ein Reporter aus Deutschland.« Eine dicke Altenpflegerin in Uniform, die eingezwängt hinter einem winzigen Schreibtisch sitzt, erstarrt wie ein verängstigtes Kaninchen. »Ihr Rasen ist überschwemmt.« »Ach«, sagt die Frau. »Der Rasen. Na klar. Das Leck haben wir gerade vor 20 Minuten repariert.« 

»Das sagen sie alle«, murmelt Lisa Gonzales beim Verlassen des Hauses. Die meisten Menschen sind freundlich zu ihr. Viele halten sich auch an die Regeln und sind sparsamer, seit die »Drought Busters« in der Stadt sind. An die anderen darf Lisa Gonzales Strafzettel verteilen. Und wenn das nicht fruchtet, wird der Hahn abgedreht.