"Die interessantesten Frauen, die ich kenne, sind Singles", sagt Zora*. "Statt sich in einer schwierigen Partnerschaft abzumühen, kann man gut allein leben." Schließlich gebe es neben den Männern auch eine Vielzahl anderer Dinge, für die man sich begeistern kann. Und vor allem: Mit den besten Freundinnen mache vieles im Leben genauso viel Spaß wie mit Männern. Zora ist Single und beobachtet, wie sich in den vergangenen vier bis fünf Jahren einiges verändert hat. Das Flirten sei komplizierter geworden. Die Unsicherheit, wie sich die gesellschaftlichen Rollen von Männern und Frauen verändern, ist mittlerweile auch auf der Tanzfläche im Club angekommen. Das lockere Kennenlernen erlebe sie nur noch selten. Ein One-Night-Stand oder eine Affäre, das gehe schnell. Aber spürbar seltener als früher hätten die Männer Lust, sich länger zu binden.
Umgekehrt fragt sich ein Freund von ihr, ebenfalls Single, was die Frauen heute von ihm erwarten: empfindsam und sanft sein, zugleich aber auch männlich-rau und robust? Wie soll das gehen?
Die zunehmenden Schwierigkeiten von Männern und Frauen, in einer guten Partnerschaft zusammenzuleben, zeigen sich inzwischen auch in den Zahlen: In vier von zehn Haushalten in Deutschland lebt nur ein Mensch, hat das Statistische Bundesamt im Juli festgestellt. Gegenüber 1991 ist die Zahl der Alleinlebenden um rund 40 Prozent gestiegen. Da das Statistische Bundesamt aber nicht nach dem Beziehungsstatus fragt, gibt es nur Schätzungen über die Zahl der Singles. So geht der Soziologe Stefan Hradil davon aus, dass in Deutschland gut sieben Millionen Singles leben, mit steigender Tendenz.
Auf dem Land und in Kleinstädten gibt es deutlich weniger Alleinlebende als in Großstädten – Spitzenreiter sind laut Statistischem Bundesamt Hannover, Berlin, Leipzig, München und Hamburg. Doch auf dem Land sind die Probleme anders: Die Unverbindlichkeit und Anonymität der Großstadt gebe es dort nicht. Man kenne sich viel besser, diskutieren Singles in einem Netz-Forum. Aber dafür sei der soziale Druck auch größer und der Tratsch könne sehr verletzend sein.
Frauen werden aktiv
Anders als früher sind es oft die Frauen, die den Schlussstrich ziehen. Sie sind wirtschaftlich unabhängiger als früher und oft selbstbewusster. Aber auch die Gesellschaft verändert sich: Es sei heute kein Makel mehr allein zu leben, sagte der Soziologe Stephan Baas vom Institut für sozialpädagogische Forschung in Mainz dem Bayerischen Rundfunk. Lukas Brosseder ist davon nicht ganz überzeugt. Er hat in diesem Frühjahr die "Initiative für Singles" gegründet. Brosseder kennt viele Facetten des Themas aus seiner eigenen Zeit als Single und als Gründer einer Partnervermittlung im Netz. "Das klassische Bild des Singles – Ende 20, Anfang 30, mitten im Berufsleben stehend und seine Freiheit genießend –, das trifft oft nicht mehr die Realität", sagt er. Eine 45-jährige Frau, die aus einer gescheiterten Ehe kommt, die schäme sich nicht selten dafür, dass sie jetzt ohne Partner lebt. Auch viele Alleinerziehende seien Singles. In der Politik finden Singles mit ihren Anliegen aber selten Gehör. "Sie haben keine starke Stimme, weil viele denken und hoffen, bald wieder in einer Partnerschaft zu sein", sagt Brosseder. Dementsprechend sei die Bereitschaft, sich zu engagieren, gering. Dabei sei jeder im Leben zeitweise Single. Brosseder will das mit seiner Initiative ändern und zum Beispiel darauf drängen, dass das Ehegattensplitting abgeschafft und die Singles benachteiligende GEZ-Wohnungspauschale geändert werden.
Teurer Spaß
Neben den großen gesellschaftlichen Fragen geht es im Single-Leben auch um ganz Praktisches: Kleine Wohnungen sind seltener und kosten pro Quadratmeter oft mehr als große. Allein zu verreisen ist oft kein Spaß und die Single-Touren von Reiseveranstaltern seien oft "Verkupplungsreisen", wie Brosseder genervt anmerkt. Zwar muss niemand im Supermarkt zu Mohrrüben in Fünf-Kilo-Säcken greifen. Kleine Portionen gibt es in vielen Variationen, aber sie sind relativ teurer. Wie auch das Autofahren und die Strom- oder Gasversorgung, die mit Grundgebühren verbunden sind. Forscher des University College in London haben Alleinlebende als "ökologische Zeitbomben" bezeichnet. Sie konsumierten 38 Prozent mehr Produkte, verbrauchen 42 Prozent mehr Verpackungen und 55 Prozent mehr Elektrizität pro Kopf als Menschen, die in Mehrpersonenhaushalten leben.
Über die Zukunft der "Single-Gesellschaft" Deutschland wird viel diskutiert. Unter der Überschrift "Invasion der Loser" hat der Soziologe Walter Hollstein jüngst eine starke Debatte losgetreten. Seine These: Männer seien viel stärker von Zukunfts- und Bindungsängsten geprägt als Frauen. Eine ähnliche Beobachtung haben Forscher des Sinus-Instituts gemacht: "Partnerschaft ist für die jungen Männer heute ein Wagnis, das sie sicher eingehen werden: Aber im Unterschied zu früher ist Partnerschaft für Männer mit gestiegenen Anforderungen verbunden – und trotzdem unkalkulierbar und mit ungewissem Ausgang."
Zora und ihr Kumpel erfahren gerade beides im eigenen Leben, im Club, auf der Party, im Park: Die Angst vieler Männer, eine Bindung einzugehen, und die wachsenden, oft ambivalenten Anforderungen von Frauen. Ende offen.
Nicole Walter lebt und arbeitet als Journalistin in Berlin.
*Name geändert
Links zum Thema
Die Sinus-Studie
Das Statistische Bundesamt über die Situation Alleinlebender in Deutschland
Der viel diskutierte Beitrag "Invasion der Loser" von Walter Hollstein in der Süddeutschen Zeitung