Bolivien
Der Wasserkrieg
In kaum einem anderen Land hat der Konflikt um Wasser solch eine Bedeutung angenommen wie in Bolivien. 2,5 Millionen Menschen haben dort nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser. Im Jahr 2000 kam es zu den inzwischen berühmten Ausschreitungen von Cochabamba, dem sogenannten Guerra del Agua, dem „Wasserkrieg“. Die multinationale Bechtel Corporation hatte die Wasserrechte für die gesamte Provinz gekauft. Bechtel versprach sich ein gutes Geschäft davon, da ein Teil der Region in der wasserreichen Regenwald-zone liegt, der andere in den unterversorgten Altiplano-Höhen. Innerhalb kürzester Zeit wurden die Wasserpreise verdreifacht. Nach einem halben Jahr begann die Bevölkerung von Cochabamba gegen Bechtel zu protestieren. Es kam zu Generalstreiks, was den Einsatz des Militärs nach sich zog, das Kriegsrecht wurde über die Stadt verhängt. Viele Menschen wurden verletzt, sieben starben. Bechtel zog sich zurück, doch 2005 kam es in El Alto, nahe der bolivianischen Hauptstadt La Paz, erneut zu Auseinandersetzungen. Das dortige Wasserkonsortium unter der Leitung des französischen Konzerns Suez sollte wegen Vertragsbruchs vertrieben werden. Per Dekret kündigte die bolivianische Regierung schließlich den Vertrag auf. Doch diesmal schaltete sich die deutsche Vertretung in Bolivien ein: Ein geplanter Entwicklungshilfekredit von 15 Millionen Euro werde nur gewährleistet, falls es zwischen Suez und Bolivien zu einer Einigung komme. Bis heute fördert die Gesellschaft für Technische Entwicklungsarbeit ausschließlich öffentlich-private Mischmodelle und wird dafür vor allem von linken Aktivisten in Bolivien angeprangert. Der sozialistische Präsident Evo Morales jedoch hatte dagegen bisher nichts einzuwenden.
Einwohnerzahl: 9,1 Mio.
Wasserverbrauch pro Person / Tag: 59 l
Wasserreserven: 622 km3
Zugang i. d. Bev.: 85 %
Libyen
Rettung aus der Eiszeit
Bald will der Wüstenstaat Libyen in saftigem Grün leuchten und Obst, Gemüse und Getreide exportieren. Das nötige Wasser kommt aus der Sahara. Dort fand man nach dem Zweiten Weltkrieg riesige unterirdische Wassermengen, die zum Teil wahrscheinlich bis zu eine Million Jahre alt sind. Das größte Vorkommen ist der sogenannte Nubische Aquifer, der sich unter ganz Ägypten westlich des Nils, im Nordosten des Tschad sowie unter großen Teilen des Sudan und Libyens erstreckt. Das Wasservolumen wird auf 150 000 Kubikkilometer geschätzt - eine Menge, mit der man Deutschland 420 Meter tief unter Wasser setzen könnte. Auch wenn es jahrzehntelang nicht regnet, speist das bis zu 2000 Meter tief liegende Wasser Oasen, Brunnen und Seen in der Wüste. Seit 1984 zapft Libyen das fossile Grundwasser an. Mit dem „Great Man-Made River“-Projekt rief Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi 1984 das inzwischen größte Trinkwasserpipeline-Projekt der Welt ins Leben, nun steht es vor der Vollendung. Ziel des Milliardenvorhabens: die Städte Bengasi, Sirte und Tripolis sowie die Landwirtschaft in den Küstengebieten. Ist die Pipeline fertig, wird sie knapp 3400 Kilometer lang sein. Schon jetzt pumpen die Rohre täglich vier bis sechs Millionen Kubikmeter Trinkwasser nach Libyen. Wie befürchtet, sank in den letzten Jahren der Spiegel des normalen Grundwassers. Lange hieß es, der Aquifer regeneriere sich von selbst. Berliner Forscher allerdings fanden heraus, dass diese Regeneration nur in feuchten Klimaperioden stattfand, in der Sahara zuletzt in der letzten Eiszeit, vor 4000 Jahren. Theo-retisch könnte das alte Wasser die Wasserver-sorgung Libyens auf Jahrhunderte sichern. Doch Experten rechnen inzwischen eher mit nur fünfzig Jahren – weil sich nicht alles Wasser zur Förderung eignet und es sich eben nicht wieder auffüllt. Und womöglich wollen Ägypten, Sudan und Tschad auch bald mehr vom Eiszeitwasser.
Einwohnerzahl: 6 Mio.
Wasserverbrauch pro Person / Tag: 207 l
Wasserreserven: 4,6 km3
Zugang i. d. Bev.: ca. 72 %
USA
Mit Dynamit gegen einen Aquädukt
Los Angeles, Anfang des 20. Jahrhunderts: Angesichts einer nahenden Dürreperiode stimmen die Bürger der Stadt für ein ehrgeiziges Millionenprojekt. Ein Aquädukt soll Trinkwasser aus dem knapp 400 Kilometer nördlich liegenden Owens Valley herbeibringen. So will die rasant wachsende Stadt dauerhaft dem südkalifornischen Wüstenklima trotzen. So steht es in der Presse, die zu dieser Zeit jedoch fest von korrupten Lokalpolitikern kontrolliert wird. Diese verbreiten so gefälschte Wetterberichte und betreiben Panikmache, um sich die Zustimmung für ihr Wasserprojekt zu sichern. Als 1913 schließlich die ersten Liter in Los Angeles ankommen, werden sie zu landwirtschaftlichen Betrieben umgeleitet, die Förderern der lokalen Politik gehören. Leidtragende sind die Bauern im Owens Valley: Ihre Äcker verwandeln sich in wenigen Jahren in Staubwüsten. 1924 bewaffnen sich einige der Geschädigten mit Dynamit und jagen Teile des Aquädukts in die Luft. Los Angeles schickt bewaffnete Patrouillen mit dem Auftrag, Saboteure zu erschießen. Vor zehn Jahren wurde Los Angeles gerichtlich zur Aufforstung des Owens Valley gezwungen. Seitdem werden dort riesige Bewässerungsanlagen gebaut. Das Wasser dafür bezieht die Millionenstadt aus dem ebenfalls rund 400 Kilometer entfernten Colorado – per Aquädukt.
Einwohnerzahl: 301 Mio.
Wasserverbrauch pro Person / Tag: 589 l
Wasserreserven: 3069 km3
Zugang i. d. Bev.: 100 %
England
Vom Regen in die Privatisierung
An Wasser sollte es den Briten nicht mangeln, denkt man, schließlich ist die Insel für ihren Dauerregen bekannt. Und doch ist Wasser für viele Briten mittlerweile ein rares und teures Gut. Hauptgrund dafür ist die radikale Privatisierung der Wasserversorgung unter Premierministerin Margaret Thatcher. Als eine der ersten in Europa splittete ihre Regierung die staatliche Wasserindustrie 1989 in regionale Wasser- und Abwasserunternehmen auf und verkaufte die-se weit unter Marktwert. Die Unternehmen machten zunächst Milliardengewinne, doch die Preise verdoppelten sich. Zugleich blieben erhoffte Investitionen in die Modernisierung des aus viktorianischen Zeiten stammenden Wassersystems aus. Besonders groß ist der Unmut über die Folgen der Privatisierung in London. Durch lecke Leitungsnetze gehen hier täglich fast eine Milliarde Liter Wasser verloren. Hinzu kommt, dass die Insel seit 1995 unter niederschlagsarmen Wintern leidet. Ganze Regionen im Südosten mussten monatelang aus Tankwagen versorgt werden. Weil ärmere Familien die Wasserrechnung nicht mehr zahlen konnten, verdreifachte sich die Zahl hygienebedingter Krankheiten. 1999 schritt die staatliche Aufsichtsbehörde ein und verpflichtete die Unternehmen bis 2010 zu Milliardeninvestitionen in die Rohrnetze, Wasserwerke und Kanäle.
Einwohnerzahl: 50,7 Mio.
Wasserverbrauch pro Person / Tag: 148 l*
Wasserreserven: 160,6 km3*
Zugang i. d. Bev.:100 %*
*Angaben für Großbritannien
China
Staudammstau
Nun soll er gebändigt sein, der „lange Fluss“, wie die Chinesen den Jangtse auch nennen. Seit letztem Sommer staut ihn eine 184 Meter hohe Mauer in einem 600 Kilometer langen See. Der Drei-Schluchten-Staudamm, weltgrößter seiner Art, soll die Hochwassergefahr bannen und dem Land umweltfreundlichen Strom liefern. Bis 2008 werden sich voraussichtlich alle 26 Turbinen drehen und 18 Gigawatt Leistung erzeugen. Ziemlich bescheiden im Vergleich zu den 585 Gigawatt, die China bisher schon produziert. Bereits bei Baubeginn im Jahr 1993 gab es Kritik am Mammutprojekt, sie wurde mit den Jahren immer lauter. Im Auftrag des International Rivers Network, eines Zusammenschlusses von Experten und Umweltorganisationen, hat ein langjähriger Beobachter die Probleme dokumentiert, die mit dem Bau zusammenhängen: Mehr als eine Million Menschen mussten für Damm und Stausee ihre Dörfer verlassen. Sie wurden und werden nicht ausreichend entschädigt – das Geld stecken korrupte Beamte ein oder es ist zu wenig, um ein neues Haus zu bauen und ein neues Leben anzufangen. Proteste werden mit Gewalt niedergeschlagen. Auch die Befürchtungen der Umweltaktivisten haben sich bestätigt: Chinesische Wissenschaftler fanden im Stausee Pestizide, Düngemittel und Kloake. Laut dem Jangtse-Wasserschutz-büro kann sich der Fluss nicht mehr selbst regenerieren, weil das Wasser zu langsam fließt, seitdem das Wasserkraftwerk in Betrieb ist – bei 14 Milliarden Tonnen Abwasser, die die Industrie letztes Jahr in den Jangtse leitete, wäre das wohl auch bei schnellerer Strömung schwierig. Seltene Fischarten sind bedroht, der Baiji, ein ausschließlich im Jangtse lebender Flussdelfin, gilt seit Kurzem als ausgestorben. „Großstaudämme bringen gravierende ökologische Folgen mit sich“, steht im Bericht der Weltstaudammkommission vom November 2000. Peking plant trotzdem weitere Dämme, die Strom liefern sollen. Ein anderes Großvorhaben am Jangtse ist bereits im Bau. Das „Süd-Nord-Wasserumleitungsprojekt“ soll Wasser in den trockenen Norden Chinas bringen. Stimmen jüngste Untersuchungen, wird dort aber nur schmutzige Brühe ankommen.
Einwohnerzahl: 1,3 Mrd.
Wasserverbrauch pro Person / Tag: 89 l
Wasserreserven: 2829 km3
Zugang i. d. Bev.: 77 %
Deutschland
Unter uns
Wer auf dem Land lebt, kennt seine Nachbarn. Die Bürger des Dörfchens Ellerhoop in Schleswig-Holstein stellten fest, dass das nicht unbedingt ein Nachteil sein muss: Als bekannt wurde, dass die Wasserversorgung des Ortes von einem großen Wasserwerk aus einer der Nachbarstädte übernommen werden sollte, protestierten sie und stimmten in einem Bürgerentscheid mit großer Mehrheit dagegen. Sie fürchteten höhere Kosten und verstanden nicht, warum Ellerhoop mit seinen 1300 Einwohnern an ein Fernnetz angeschlossen werden sollte, obwohl das Dorf über eigene Quellen verfügt: Direkt unter dem Ort verläuft die Ellerbecker Rinne, „eine Gletscherspalte mit Wasser höchster Güte“, sagt Hans-Joachim Santen von der Wassergenossenschaft Ellerhoop. Zur Wassergenossenschaft schlossen sich engagierte Bürger im Juni 2003 zusammen, unter ihnen auch Santen. Am Gründungstag zählte die Genossenschaft 45 Mitglieder, zehn Tage später kamen noch 18 hinzu. Gemeinsam kauften sie der Gemeinde das kleine Wasserwerk ab. Die Mitglieder zahlten 500 Euro Einlage, so dass sie das Werk sanieren konnten, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen. Noch im Gründungsjahr bohrten sie einen zweiten Brunnen, heute zählt die Genossenschaft 71 Mitglieder. Inzwischen arbeiten zehn Ellerhooper ehrenamtlich für die Wassergenossenschaft, sie kennen sich nun aus mit der Fließrichtung des Grundwassers und technischen Anlagen zur Wasseraufbereitung. Bald werden 28 neu gebaute Häuser und Wohnungen an das Wassernetz angeschlossen, dann fließt in 127 Haushalte dorfeigenes Wasser. „Wir könnten rund 200 Häuser versorgen, der Kubikmeter kostet momentan 1,31 Euro“, sagt Santen. Das liegt deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von 1,77 Euro. Und die Ellerhooper wissen, woher das Wasser kommt, wenn sie zu Hause den Hahn aufdrehen.
Einwohnerzahl: 82 Mio.
Wasserverbrauch pro Person / Tag: 127 l
Wasserreserven: 188 km3
Zugang i. d. Bev.: 100 %
Australien
Warten auf Regen
Zunächst war niemand überrascht. Regenarme Zeiten hat es in Melbourne immer mal gegeben. Doch dass die Niederschläge so lange ausbleiben, ist neu. Seit zehn Jahren hält die Trockenzeit schon an, und die Situation verschlechtert sich weiter. Im letzten Sommer fielen nur 40 Prozent der üblichen Wassermenge. Zunächst versuchte es die Stadt mit Einschränkungen in der Wassernutzung der Haushalte. Als der Wasserspiegel trotzdem weiter sank, wurden schärfere Restriktionen eingeführt. 140 Polizisten patrouillieren durch die Stadt, kontrollieren verdächtig grüne Gärten inmitten der trockenen Rasenflächen und gehen Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Die Regierung fordert dazu auf, Verstöße von Nachbarn oder Bekannten über die Hotline 13WATER zu melden. „Mehr als 50 000 Verwarnungen wurden ausgesprochen“, sagt Luke Enright vom Wasserversorger South East Water – die „Höchststrafe“ müsse aber nur selten verhängt werden. Bei dreimaligem Vergehen bringen die Wasserpolizisten eine Art Klammer am Hausanschluss an. Die Vorrichtung reduziert die Menge des durchfließenden Wassers auf zwei Liter pro Minute. Ausgiebiges Duschen ist so unmöglich. Sollte der städtische Wasservorrat trotzdem weiter sinken, wird am 1. August Level 4 eingeführt. Dann ist jeglicher Wasserverbrauch außerhalb des Hauses verboten. Luke Enright ist optimistisch: „Es wird wieder Regen fallen, die Vorhersagen sind gut.“ Aber auch er weiß: Viele Alternativen hat die Stadt nicht mehr. Level 4 ist die letzte Stufe im Aktionsplan.
Einwohnerzahl: 20 Mio.
Wasserverbrauch pro Person / Tag: 256 l
Wasserreserven: 398 km3
Zugang i. d. Bev.: 100 %
Israel
Zwei-Wasser-Gesellschaft
In den Nachrichten wird meist nur von religiösen Fanatikern berichtet, die den Nahostkonflikt anheizen. Doch auch der Mangel an Wasser und dessen ungleiche Verteilung tragen dazu bei. Dabei weisen viele Experten seit Jahren darauf hin: Ein dauerhafter Frieden kann nur erreicht werden, wenn alle Menschen in Nahost genug Wasser haben – für sich selbst, für die Landwirtschaft und die Industrie. Ein Palästinenser hat im Schnitt 55 Liter am Tag zur Verfügung, ein Israeli etwa das Fünffache – das ist das Ergebnis aus vierzig Jahren Auseinandersetzungen um Quellen, Flüsse und Brunnen. Beiden Seiten war immer klar: Dämme und Wasserleitungen sind die wunden Punkte des Gegners. Deshalb wird Israels Wasserversorgung seit den Sechzigerjahren vom Militär überwacht. In den besetzten Gebieten war es den meisten Palästinensern verboten, selbst Brunnen zu bauen, weil so das gemeinsame Grundwasser angezapft würde. Doch selbst in Gebieten, die jetzt von Palästinensern verwaltet werden, gehört das Wasser immer noch Israel. Und wie früher wird das meiste ohnehin schon umgeleitet, bevor es die palästinensi-schen Gebiete erreicht, die Quelle des Jordan und der See Genezareth bei Tiberias sind in israelischer Hand. Gleichzeitig bekommt Israel aber auch importiertes Wasser, über Tanker aus der Türkei, während im Gaza-streifen das Grundwasser absinkt, weil die Menschen dort mehr Wasser verbrauchen, als es nachregnet. Die Vereinten Nationen befürchten, dass der Gazastreifen im Jahr 2015 kein eigenes Trinkwasser mehr haben wird. Jetzt sollen Entsalzungsanlagen gebaut werden, um aus Meerwasser Trinkwasser zu machen – doch das ist teuer. Die Anlagen will Israel mit internationaler Hilfe für die Palästinenser bauen lassen und dafür das preiswertere Wasser aus der West Bank selbst behalten. In jedem Fall bleibt zusätzliches Wasser aus dem Ausland vorerst unerlässlich. Die Türkei hatte 2005 angekündigt, eine Pipeline von Ceyhan nach Haifa in Israel bauen zu wollen, die womöglich auch für Palästina gedacht ist. Die Planungen wurden durch den Krieg im Libanon im Sommer 2006 aber enorm verzögert.
Einwohnerzahl: 6,4 Mio.
Wasserverbrauch pro Person/Tag: 257 l
Wasserreserven: 1,7 km3
Zugang i.d.Bev.: 100 %