Sie sind keine Pädagogen, aber die Fellows der Initiative „Teach First“ haben sehr gute Studienabschlüsse in Fächern wie BWL, Bio oder Jura und zum Teil schon Karriere in der Wirtschaft gemacht. Mit Teach First können sie noch mal etwas ganz anderes ausprobieren: junge Menschen an ihrer Erfahrung teilhaben lassen. Diesen Sommer treten wieder 80 Fellows ihren Schuldienst an. Bewerberauswahl, dreimonatiger Pädagogik-Crashkurs und Fortbildungen werden von Förderern bezahlt, das Gehalt der Fellows (1.750 Euro brutto im Monat) kommt aus den Töpfen der Bundesländer. Für einige Schulräte und Gewerkschafter ist das ein Unding. Sie sorgen sich, dass das Klassenzimmer zum Abenteuerspielplatz für künftige Führungskräfte wird. Der Trip in die Schule als Probe für die Härten in der Geschäftswelt. DHL, Siemens, Lufthansa, McKinsey – die lange Liste der Teach-First-Förderer liest sich tatsächlich wie ein Who’s who der Wirtschaft. Sie alle machen, was sie auf Marketingdeutsch „Corporate Social Responsibility“ nennen: Sie übernehmen unternehmerische Verantwortung im Sozialen. Kritiker nennen es Weichspülgang. „Ich kann die Kritik verstehen, wenn man glaubt, dass unsere Fellows das Ganze nur machen, weil sie sich nachher bessere Jobchancen ausrechnen. Hier liegt ein Missverständnis vor: Fellows werden junge Menschen, die sich überlegen, was es sonst noch gibt – außer der Karriere“, sagt Ulf Matysiak, Geschäftsführer von Teach First Deutschland.
Auch Sebastian Mildner findet, dass man das Engagement der Wirtschaft nicht verteufeln sollte. „Natürlich muss dabei gewährleistet sein, dass kein Einfluss auf unsere Arbeit genommen wird“, sagt er. Sebastian ist seit knapp einem Jahr als Fellow an der Hamburger Ganztagsstadtteilschule Mümmelmannsberg. Die ist in der Hansestadt bekannt. „Man findet unter den Schülern wenige, die in rundum guten Verhältnissen aufwachsen. Gewalt in der Familie, Arbeitslosigkeit, Armut – alles dabei.“ Sebastian selbst hat es im Leben bisher recht einfach gehabt: schöne Kindheit und das Abi in der Kleinstadt. Bundeswehr. Duales Studium. Danach noch ein MBA. Zuletzt die Stelle in der Presseabteilung der Deutschen Tourenwagen- Meisterschaft. Ganz erfüllt hat es ihn nicht. „Jetzt kriege ich zwar wesentlich weniger Geld, aber auf menschlicher Ebene ganz schön viel zurück.“ Gemeinsam mit den Lehrerkollegen gestaltet Sebastian Unterrichtsstunden, übernimmt Fördergruppen, nachmittags bietet er Fußball- oder Basketballstunden an. Noten geben und Zeugnisse schreiben bleibt weiterhin Sache der Lehrer. Für die Berliner Bildungsgewerkschaft ist die Arbeit von Fellows wie Sebastian eine „Verschwendung und Zweckentfremdung von Mitteln, die für die Einstellung von Lehrern und Lehrerinnen vorgesehen waren“, wie sie in einem Beschluss bekräftigt. Tatsächlich fragt man sich, warum das Geld der Länder nicht einfach in neue Lehrerstellen fließt. Sebastian kennt die Kritik. „Wir Fellows stehen nicht in Konkurrenz zu den Lehrern. Am Ende sollen die Schüler doch davon profitieren, dass wir durch unsere verschiedenen Hintergründe anders an die Dinge herangehen.“
Wie Sebastian ist auch Masiar Emanuel Nashat bisher ziemlich erfolgreich durchs Leben gegangen. Der 25-Jährige arbeitet seit einem Jahr an einer integrierten Sekundarschule in Berlin, vorher hat er Politik studiert. „Wir haben kein Öl. Wir haben unsere Köpfe, und wir haben Schüler, die irgendwann mal auf eine gute Idee kommen.“ Masiar will was verändern, zumindest im Kleinen. „Schüler brauchen Vielfalt. Bei uns an der Schule genießen sie die Mischung aus erfahrenen Kollegen, Referendaren und jungen Hochschulabsolventen wie mir.“ Die Schulleitung setzt ihn dort ein, wo individuelle Förderung notwendig ist. Und hier entstehen die kleinen Erfolgserlebnisse: Wenn das Vokabeltraining Wirkung zeigt oder der Klassenkasper nach einem Gespräch etwas besser zuhört. Masiar und Sebastian wirken nicht so, als wollten sie ihren Lebenslauf noch schnell mit Sozialkompetenz aufpimpen. Sie können sich sogar vorstellen, auch nach den zwei Jahren im Schulbereich zu bleiben. Laut Ulf Matysiak ist das keine Seltenheit. Von den ersten Fellows sei etwa die Hälfte im Bildungssektor geblieben.