Für manche erfolgreiche Abiturienten ist es eine große Enttäuschung: Da haben sie ihre Schulzeit mit einer guten Note abgeschlossen und bekommen dennoch nicht ihren Wunschstudienplatz. Wer etwa in diesem Wintersemester an der Humboldt-Universität Berlin Psychologie oder an der Uni Saarland Biologie studieren wollte, musste schon eine Abi-Durchschnittsnote von 1,0 vorweisen – oder eben Glück haben und bei der zentralen Studienplatzvergabe zum Zuge zu kommen. Universitäten in Deutschland verteilen ihre Studienplätze entweder selbst oder überlassen das der Stiftung für Hochschulzulassung, der Nachfolgeeinrichtung der „Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen“ (ZVS), die wiederum ein bestimmtes Kontingent nach der Abiturnote und den Wartesemestern der Bewerber verteilt. Wer nach der Bewerbung an der Universität seiner Wahl einige Absagen eingesammelt hat, muss aber nicht verzweifeln, denn dagegen kann man klagen. Das Recht auf einen Studienplatz ist durch das Grundgesetz insofern gedeckt, als dass es ein Recht auf Berufsfreiheit gibt – wer also Arzt werden möchte, aber trotz der nötigen Voraussetzungen für die Ausbildung (ein Abitur) keine Möglichkeit dazu (keinen Studienplatz) erhält, ist in diesem Recht beschnitten und kann klagen.
Sogar mit einer eher schlechten Abiturnote hat man keine schlechten Chancen, zu gewinnen, sagt ein Berliner Rechtsanwalt, der sich auf das Thema Studienplatzklage spezialisiert hat und gleich mehrere Anwälte in seiner Kanzlei beschäftigt, die fast ausschließlich an solchen Klagen arbeiten. „Es hängt dabei aber schon davon ab, wie flexibel die künftigen Studenten sind.“ Wer sich also darauf versteift, Zahnmedizin in Heidelberg zu studieren, dort aber keinen Platz bekommt, muss zuerst einmal lernen, sich von Träumen zu verabschieden und die Schönheiten von Halle zu entdecken. Und es kann nicht schaden, entweder Eltern mit Geld, eine Rechtschutzversicherung oder beides zu haben. So ging es Katharina, bei der es trotz eines guten Abiturs nicht für einen Studienplatz in Psychologie reichte. Mithilfe eines Rechtsanwalts hat sie nun einen Studienplatz in Hamburg ergattert, wo sie im dritten Semester studiert, nachdem sie zuvor schon Bio-Verfahrenstechnik belegt hatte. „Ich hatte Glück, dass mich meine Eltern die ganze Zeit unterstützt haben, auch finanziell“, sagt sie. „Von der ersten Absage bis zum Studienstart hat es ein halbes Jahr gedauert, in dem ich dann wieder bei meinen Eltern eingezogen bin und gejobbt habe.“
Das Gerangel um die Studienplätze sorgt in vielen Kanzleien für ein rege Nachfrage. Was auch daran liegt, dass sich Fristen und andere Formalien für das termingerechte Einreichen einer Klage von Bundesland zu Bundesland und Uni zu Uni so stark unterscheiden, dass es fast unmöglich ist, ohne Hilfe die nötigen Informationen zu recherchieren. „Bei manchen Universitäten kann man auch schon vor dem Erhalt einer Absage klagen, wenn man weiß, dass man den nötigen NC ohnehin nicht erreichen wird“, so ein Fachanwalt. „Eine selbstgestrickte Klage anhand von Asta-Flugblättern ist ungefähr so erfolgversprechend wie ein chirurgischer Eingriff auf Grundlage von Informationen aus Wikipedia.“ Um ihre Chancen zu erhöhen, mit einem Psychologiestudium starten zu können, hat Katharina auf Rat ihres Rechtsanwalts 20 Universitäten verklagt – und dann gleich mehrmals gewonnen, sodass sie sich plötzlich einen Platz aussuchen konnte. An der Universität Hamburg, an der sie nun studiert, war sie nicht die einzige, die sich in ihr Studium eingeklagt hat: „In meinem Semester sind ungefähr 60 Kläger zugelassen worden“, sagt sie, „dadurch ist ein guter Zusammenhalt unter uns entstanden. Und niemand hat getuschelt, als bekannt wurde, dass sich jemand eingeklagt hat.“ Die Professoren wissen nicht, welche ihrer Studierenden auf dem Rechtsweg zu ihrem Studienplatz gekommen sind.
Das Verfahren ist dabei ein rein administrativer Akt. Katharina musste wie üblich in solchen Fällen keinen einzigen Termin vor Gericht wahrnehmen, das tat ein Verwaltungsrechtler für sie. Auch am Geld muss so eine Klage nicht scheitern, denn wer nachweislich keine Mittel hat, um so ein Verfahren zu bestreiten (das pro Uni schnell um die tausend Euro kosten kann, wenn man verliert), kann beim zuständigen Gericht Prozesskostenhilfe beantragen. Das hört sich aufwendig und kompliziert an, und tatsächlich sollte man einiges an Durchhaltevermögen mitbringen. Aber das hat ja auch schon im Abi geholfen.