Die Macht des Fußballs beruht auf Religion und Emotion, Patriotismus und Konsumismus, sagt der Berliner Soziologe und Sportphilosoph Prof. Dr. Gunter Gebauer.
fluter: Kennen Sie den Werbespot der T-Com?
Prof. Dr. Gunter Gebauer: Den finde ich furchtbar.
Dicke und dünne, alte und junge, hässliche und hübsche Deutsche ziehen da ein Nationaltrikot an und stellen sich an einer Linie auf, wie Soldaten: ein Land, geeint hinter dem Fußball.
Wir identifizieren uns nun mal besonders leicht mit der Nationalmannschaft. Die Spieler heißen genauso wie wir: Frings, Schneider, Mertesacker. Sie sehen auch aus wie wir, bewegen sich genauso ungelenk – das sind einfach "unsere Leute". So ein Gefühl lässt sich natürlich leicht für bestimmte Formen von Patriotismus und Nationalismus missbrauchen.
In der T-Com-Werbung schauen alle andächtig zum Himmel – wie Gläubige, die auf die Erlösung warten.
Fußball ist religiös! Fans beten vor dem Fernseher, damit der Elfer reingeht, sie hoffen auf ein "erlösendes" Tor, das oft von einem "auserwählten" Anführer erzielt wird. Unsere Stadien sind wie Kathedralen, in denen eine besonders glaubensfeste Gemeinde durch Krach und Gesang ihre Macht demonstriert. Und gewinnt die eigene Mannschaft, liegen sich Wildfremde in den Armen – das ist ein geradezu transzendentales Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Damit kann man auch gut verdienen.
In gewisser Weise gehört das zusammen. Eine Fußball-Weltmeisterschaft ist ein Spektakel der Gefühle, unglaublich intensiv, und daher besonders gut geeignet zum Geldverdienen, beispielsweise durch Werbung. Dadurch wird Fußball dann noch präsenter, noch sichtbarer. Das ist ein Prozess, der sich selbst verstärkt.
Wir sind also wie Abhängige im Vollrausch. Wann müssen wir dann mit dem Kater rechnen?
Vielleicht nie. Seit Jahren wird in Deutschland orakelt, dass die Leute bald von Fußball genug haben – aber die Begeisterung wächst jedes Jahr, obwohl die Bundesligateams und die Nationalmannschaft so schlecht spielen. Rational kann man das nicht erklären, Fußball scheint eine besondere Droge zu sein.