Maik Lehmann steckt den Kopf aus der oberen Luke des MD 77. Links sieht er nach Polen, rechts die sieben anderen Windenergieanlagen. Sie stehen still. Kein Wind. Heute kommt kein Strom aus dem Windpark Sembten in Brandenburg,der nur einen kleinen Teil der insgesamt 2740 Windenergieanlagen in Brandenburg ausmacht. Windräder benötigen ebenes Gelände, Brandenburg ist daher mit Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen Spitze. Vor sechs Jahren arbeitete Maik Lehmann, 36, noch als Heizungsinstallateur auf dem Bau in Brandenburg. Damals war gerade das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft getreten, im Frühjahr 2003 verlor er den Job. Als das Arbeitsamt ihm die Fortbildung zum Servicetechniker für Windenergieanlagen nicht finanzieren wollte, zahlte er die 6000 Euro selbst. Die Investition hat sich gelohnt: Seit zwei Jahren hat er eine feste Anstellung, zusammen mit drei Kollegen ist er für die Wartung von 44 Windenergieanlagen in Brandenburg zuständig. Windenergie ist eine deutsche Erfolgsgeschichte. 1990 gab es 405 Windenergieanlagen, Ende 2005 waren es 17574. In keinem anderen Land der Welt wird so viel Strom durch Wind erzeugt. Auslöser des Windbooms war das am 1.April 2000 in Kraft getretene EEG, das die Förderung erneuerbarer Energien regelt.

Ob Maik Lehmann in einem U-Boot sitzt oder 85 Meter über dem Boden in einer kleinen Kapsel, ist schwer einzuschätzen, wenn man ihm nicht vorher die mehr als 200 Stufen der Leiter steil nach oben gefolgt ist – so eng ist es hier. „Es ist schon viel Routine“, sagt Lehmann. „Richtig spannend ist es, wenn es einen Störfall gibt, das passiert so etwa zweimal im Monat. Dann müssen wir schnell sehen: Wo ist das Problem? Kriegen wir das hin?“ Die Brandenburger, meint Lehmann,seien sonst gerne skeptisch. Steigen sie aber erst mal in die Kapsel auf, seien sie von der Technik begeistert. Wenn nicht, hilft das Argument: Wäre Ihnen ein Atomkraftwerk hier lieber? Gerade einmal 6,65 Prozent trägt die Windenergie gegenwärtig zum Gesamtstromverbrauch in Deutschland bei und ist damit dennoch die leistungsstärkste der regenerativen Energien. Bis 2030 soll der Wind bereits ein Viertel des Stromverbrauchs decken.

Derzeit erzeugen Windenergieanlagen in Deutschland gerade genug Strom für die Versorgung von Berlin und Brandenburg. Da die meisten guten Flächen bereits vergeben sind, liegt die Zukunft im Offshore-Bereich, also auf dem Meer. Maik Lehmann ist es egal: Für die kommenden knapp zwanzig Jahre ist der Abnahmepreis für die von ihm betreuten und gewarteten Windenergieanlagen in Brandenburg gesichert. Sein Job damit auch.

Repowering. Moderne Anlagen produzieren mehr als dreimal so viel Strom wie vier Jahre alte Anlagen. Interessant wird daher das Repowering: Alte Windanlagen werden abgebaut, neue aufgestellt. Also: weniger Windräder, die mehr Strom erzeugen.

Kosten. Strom aus Windkraft ist, auch wegen der Förderung, noch teurer als Strom aus konventionellen Kraftwerken. Da der teurer werden wird, die Windkraft hingegen auch wegen der abnehmenden Förderung günstiger, wird damit gerechnet, dass spätestens 2015 Windenergie günstiger zu erhalten ist als konventioneller Strom.

Umweltschutz. Eine 1,5-MW-Anlage vermeidet während einer 20-jährigen Betriebszeit 64 000 t CO2-Emissionen bzw. den Verbrauch von 80 000t Braunkohle in herkömmlichen Kraftwerken.

Wirtschaftsfaktor. Der Bundesverband Windenergie (BWE) geht von bundesweit 64 000 Arbeitsplätzen in der Windenergiewirtschaft aus. Der bundesweite Umsatz 2005 wird auf 7,4 Mrd. Euro geschätzt: 2,1 Mrd. Euro Neuinvestitionen, 2,9 Mrd.Euro Export, 2,4 Mrd. Euro Stromerzeugung. Im Jahr 2020 könnte die Windenergie laut BWE 130 000 Menschen beschäftigen.

Das EEG. Wer Strom aus Quellen wie Photovoltaik, Biomasse oder Wind ins Stromnetz einspeist, bekommt einen festen Preis bezahlt. Die Mehrbelastung trägt der Verbraucher – 2005 waren das für einen durchschnittlichen Haushalt 1,50 bis 2 Euro im Monat. Der Festpreis, den der Anbieter für die Windenergie erhält, wird von Jahr zu Jahr um zwei Prozent gesenkt, ein Grund für den raschen Ausbau in Deutschland. Ähnliche Regelungen gibt es in Spanien, Frankreich, Großbritannien, Kanada, einigen US-Bundesstaaten und in China.