Bodo Wolf kann mit alten Möbeln Autos betanken – fast. Er hat SunDiesel erfunden, einen Treibstoff, der leistungsfähiger ist als herkömmlicher Diesel. Wolf gewinnt ihn aus Biomasse, vor allem aus Stroh und Holz. Im sächsischen Freiberg hat er eine Firma gegründet, die an SunDiesel forscht: CHOREN.C steht für Kohlenstoff, H für Wasserstoff, O für Sauerstoff, REN kommt vom englischen „renewable energies“ her – erneuerbare Energien. Als gelernter Steinkohlehauer kennt Wolf den Prozess, in dem die fossilen Energieträger entstanden sind: Vor Millionen von Jahren verschoben sich Erdplatten und begruben Pflanzen unter sich, die nicht mehr an der Luft vermodern konnten, sie wurden unter der Erde zu Kohle oder Öl. Da Wolf auch gelernter Ingenieur ist, überlegte er, wie er diesen Prozess im Zeitraffer nachmachen könnte. Er wollte aus Pflanzen Öl machen. Und das schnell. Wolf entwickelte ein kompliziertes Verfahren, in dem zerkleinerte Biomasse wie Stroh oder Holz in einem Vergasungsreaktor vorisiert, Raps wächst mittlerweile auf einem Zehntel der Ackerfläche in Deutschland. Andere Länder setzen auf Bioethanol, einen Alkohol, der zum Beispiel aus Zuckerrohr gewonnen wird. In Brasilien fahren Autos schon seit Jahren mit Ethanol. Schweden möchte bis zum Jahr 2020 alle Autos mit Bioethanol antreiben. Das Bundeslandwirtschaftsministerium errechnete, dass sich aus einem Hektar Ackerfläche 1300 Liter Rapsöl gewinnen lassen. An Ethanol könnte man 2500 Liter gewinnen, die aber nur dem Energiegehalt von 1653 Litern Benzin entsprechen. Den Ertrag von Sun-Diesel schätzt man auf 3325 Liter je Hektar. Autoingenieure nennen Rapsdiesel einen pflanzlichen Kraftstoff der ersten Generation.
Er ist nicht besonders hochwertig und nur in Freiberg baut Shell mit Choren derzeit die weltweit erste Großanlage zur Umwandlung von Biomasse in Kraftstoff. Ab 2007 sollen dort 15 Millionen Liter SunDiesel entstehen. Die FNR schätzt, dass im Jahr 2020 25 Prozent des Kraftstoffverbrauchs in Deutschland aus solchen Anlagen kommen könnten. Am Rohstoff sollte es nicht mangeln. Weltweit steckt in den Pflanzen bis zu zehnmal mehr Energie, als aktuell an Kraftstoff benötigt wird. Konzerne wie Shell oder BP scheinen vorauszuplanen: Sie sollen weltweit in großem Stil Waldflächen kaufen. Umweltschützer fürchten allgemein Plantagen, auf denen nur noch Holz oder Zuckerrohr für die Kraftstoffherstellung angebaut wird. In Brasilien werden schon jetzt zehn Millionen Tonnen Ethanol im Jahr hergestellt – dafür wurden große Flächen Regenwald abgeholzt. Ökologische Perfektion bieten also auch Biokraftstoffe nicht. Perfekt wäre nur Wasserstoff. Brennstoffzellen und auch Motoren, die mit flüssigem oder gasförmigem Wasserstoff schadstofffrei fahren zu einem Synthesegas gemacht wird, aus dem in einem weiteren speziellen Reaktor flüssiger Kraftstoff gewonnen wird: SunDiesel. Weil bei der Verbrennung in einem Automotor nur wenig mehr CO2 frei wird, als die Pflanzen vorher bei der Photosynthese aufgenommen haben, ist SunDiesel fast umweltneutral. Bei der Verbrennung von Diesel aus Erdöl wird dagegen zusätzliches,vorher in der Erde gespeichertes CO2 frei. Wolf ließ das Verfahren patentieren, gründete Choren und erntet viel Lob. Für das Bundesverkehrsministerium ist sein Projekt ein „Quantensprung“, der Automobilkonzern VW hält SunDiesel für den „Stoff, aus dem die Träume sind“, der World Wide Fund For Nature ernannte Wolf zum „Ökomanager 2005“. Schon lange suchen Forscher nach Möglichkeiten, aus Pflanzen einen Treibstoff zu entwickeln, der Erdöl ersetzen kann. In Deutschland wurde bisher Biodiesel aus Rapsöl fazu Teilen nutzbar. Bei den Kraftstoffen der zweiten Generation, den BtL-Kraftstoffen (Biomass to Liquid), kann man die ganze Pflanze nutzen. Choren gelang es als einem der ersten Unternehmen, BtL-Kraftstoffe außerhalb des Labors herzustellen. Auf dem Markt sind sie noch nicht, die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) schätzt, dass man diese Kraftstoffe erst in einigen Jahren tanken kann. Der Liter SunDiesel würde dann etwa einen Euro kosten. Da Mineralölkonzerne wie BP oder Shell wissen, dass sie nicht ewig Öl fördern können, forcieren sie die Forschung nach alternativen Kraftstoffen. Shell ist an einer Versuchsanlage in Kanada beteiligt, in der an der effizienteren Nutzung der Pflanzen zur Herstellung von Bioethanol geforscht wird: Dort wird Ethanol nicht mehr aus Zuckerrüben oder Getreidekörnern hergestellt, sondern aus Stroh. Allerdings muss man Wasserstoff aus Wasser spalten. Dazu benötigt man Energie, die aus erneuerbaren Energien kommen muss. Spaltet man das Wasser mit Energie aus Erdöl, könnte man dieses gleich als Treibstoff nutzen. Noch ist nicht absehbar, wann genug erneuerbare Energie vorhanden ist, um in großem Stil Wasser zu spalten. Deshalb bekommt Bodo Wolf gerade so viel Applaus: Bundesregierung, Autohersteller, Mineralölkonzerne und letztendlich auch Umweltschützer setzen Hoffnungen in Ideen wie die von Bodo Wolf. Sie wollen gerüstet sein für den Tag, an dem das Erdöl versiegt. Der Ölkonzern BP deutet vorsichtshalber schon seinen Namen um, der ursprünglich für „British Petroleum“ stand. In der Werbung heißt es jetzt: „BP – Beyond Petroleum“.