Heute gibt’s Zensur: Der App Store ist ein riesiger Marktplatz, aber alles darf da noch lange nicht verkauft werden. Über Apples schwieriges Verhältnis zu manchen Apps
Manche Dinge gibt es im App Store von Apple einfach nicht. Den Bürgerkrieg in Syrien etwa oder Fließbandarbeit in China. Nachrichten, Bücher und Videos landen ungefiltert auf dem iPhone. Aber für eine App sind die Themen zu kontrovers. Auch wenn sie respektvoll und vorsichtig präsentiert werden.
Beim Blick in den App Store merkt man von der Firmenzensur wenig. Der Marktplatz ist riesig. Die Auswahl wirkt grenzenlos. Über eine Million Apps sind erhältlich, viele davon sind schlecht. Man könnte glauben, da darf jeder rein.
Aber genau das stimmt nicht. Am eigenen Leib zu spüren bekam das Ben Poynter. Der Student und Künstler aus Nevada schuf "In a Permanent Save State". Das Spiel ist so sperrig wie sein Titel – es handelt von chinesischen Fließbandarbeitern, die Selbstmord begingen. Die Namen aller Personen und Arbeitgeber wurden geschwärzt, aber die Anspielung auf Foxconn bleibt erkennbar. Die chinesische Firma stellt elektronische Geräte für viele Konzerne her, auch für Apple. Das wollte Poynter kommentieren: "Das iPhone ist ein brillantes Gerät. Aber die Art, wie es hergestellt wird, ist problematisch." Direkte Kritik an Foxconn oder gar an Apple übt er gar nicht. "Ich wollte keine Aussage treffen, die platt genug für einen Autoaufkleber ist." Poynters App flog innerhalb einer Stunde aus dem App Store. Apple wertete sie als direkte Kritik an Institutionen – und die ist im Marktplatz verboten. Ärgerlich, aber kein Weltuntergang für Poynter. Sein Kunstspiel hat viel erreicht. Der Rausschmiss brachte Aufmerksamkeit. Geld verdienen wollte Poynter gar nicht, er hat das Spiel immer gratis angeboten.
Andere Medien haben einen hohen kulturellen Status
Andere Zensuropfer wurden härter getroffen. Littleloud war eine Spielefirma aus England. Ihr Titel "Sweatshop HD" stand wochenlang im App Store. Das Spiel sollte vor allem aufklären, wie Kreativdirektor Darren Garrett erläutert: "Spieler müssen selbst einen Sweatshop leiten. So wollten wir sie dazu bekommen, über die komplexen Mechanismen dahinter nachzudenken." Beim Spielen begreift man, dass der Teufel im System steckt: Die Textilfabrik hat weder Zeit noch Geld für gute Arbeitsbedingungen. Eines Tages wurde Apple darauf aufmerksam, dass man in "Sweatshop HD" auch Kinder anheuern kann, und warf das Spiel raus. "Wir haben versucht, ihnen zu erklären, dass wir gut recherchiert hatten, dass wir keine einfachen Antworten geben." Apple gab nicht nach, "Sweatshop HD" blieb draußen. Einer von vielen harten Schlägen für Littleloud. Das Unternehmen ist heute pleite.
Hätten die Entwickler es wissen müssen? Zwar hat Apple Richtlinien für den App Store veröffentlicht. Aber eindeutige Verstöße der Spiele lassen sich kaum erkennen. Nur ganz am Anfang des Dokuments steht ein merkwürdiger Satz: "Wir sehen Apps anders als Bücher oder Songs." Wer beispielsweise eine Religion kritisieren oder über Sex aufklären wolle, der solle lieber ein Buch schreiben.
Warum dürfen Bücher und Songs, was Apps nicht dürfen? Apple erwähnt Kinderschutz. Aber muss man Kinder vor Politik schützen? Und warum werden viele gewalttätige Apps nicht rausgeschmissen? Ein merkwürdiges Bild: Andere Medien haben einen hohen kulturellen Status, Apps nicht – zumindest nicht in den Augen der Firma, die Geld mit ihnen verdient. Wenn aber Apple die intelligentesten Apps vor die Tür setzt, könnte der Marktplatz uninteressant werden, weil man manches nicht findet, was man sucht.