Mario Götze wechselt von Bayern München zu Real Madrid. Er bekommt dafür eine Prämie von zwei Millionen Euro, die er aufs Sparbuch packt. Das Einzige, was er sich kauft, ist ein alter Campingbus, mit dem er ins Trainingslager fährt, während seine Mitspieler das Flugzeug oder einen klimatisierten Bus bevorzugen. Wenn er nicht spielt, sieht man ihn ab und zu beim Surfen an der Atlantikküste, manchmal macht er sich abends eine Dose Ravioli auf dem Gaskocher warm. „Ich liebe das einfache Leben“, sagt Götze. „Geld bedeutet mir nichts.“
Eine unvorstellbare Geschichte, stimmt schon. Aber ungefähr so spielt sie sich in den USA ab, wo der Baseballspieler Daniel Norris nicht nur wegen seines Talents zum Star geworden ist – sondern auch, weil er sich den Mechanismen des Profisports widersetzt. Zu denen eben auch gehört, dass millionenschwere Profisportler ihren Reichtum zur Schau stellen.
Norris ist einer der besten Pitcher in der US-amerikanischen Major League Baseball (MLB). Wenn man sich mit Baseball nicht gut auskennt, denkt man: Okay, das ist einer, der den Ball ziemlich hart und wahnsinnig schnell schmeißen kann. Aber das ist es nicht, jedenfalls nicht nur. Werfer wie Norris können dem Ball alle möglichen oder besser: unmöglichen Flugkurven verpassen. Sie können den Ball so werfen, dass er, kurz bevor er auf die Keule des Schlägers trifft, noch mal leicht die Richtung ändert. Solche Würfe können ein Spiel entscheiden.
Wenn man so gut Baseball spielt wie Norris, verdient man in den USA fast zwangsläufig Millionen Dollar. Das ist das Problem. Na ja, für die meisten eher nicht, aber für Norris schon ein bisschen. „Ich sehe keine Notwendigkeit für Luxus oder das, was die Gesellschaft darunter versteht“, sagt er. Nur einen sehr kleinen Teil seiner jährlichen Gage, etwa 800 Dollar monatlich, braucht er für sein tägliches Leben, den Rest gibt er einem Anlageberater, der es für ihn spart. Wenn die Baseball League pausiert, lebt er eh in seinem Bus und gibt kaum Geld aus.
Aufgewachsen ist der 23-Jährige in einem kleinen Ort in Tennessee. Viel Whiskey gibt es da und viel Sonne. Seine Familie betreibt dort einen Fahrradladen, kein Wunder also, dass Daniel und seine Geschwister ständig draußen waren, ständig auf ihren Rädern durch die Gegend fuhren. Das hat ihn geprägt.
Auf seinem Instagram-Account kann man Norris an einsamen Stränden in Oregon sehen oder beim Wandern in den Rocky Mountains. Während viele Sportprofis gern ihre neuesten Sonnenbrillen, Tattoos oder Sportwagen posten, kann man bei Norris Bäume betrachten – oder grobkörnige Schwarz-Weiß-Porträts alter Menschen. Fotografieren ist auch so ein Hobby von ihm. Dann wieder liegt er in seinem VW-Bus von 1978 und liest. Angeblich hat er seine erste Freundin verlassen, weil er nicht mehr genug Zeit für seine Bücher hatte. Klar, dass sich so eine Geschichte wie die von Norris auch ein bisschen verselbstständigt. Sie ist einfach zu gut, und sie wird immer besser.
Wenn man so gut Baseball spielt wie Norris, verdient man in den USA fast zwangsläufig Millionen Dollar. Das ist das Problem
Vergangenes Jahr wechselte er von den Toronto Blue Jays zu den Detroit Tigers und stellte gleich mal ein paar Vereinsrekorde auf. Das Irre ist ja, dass ihm seine Vorliebe für Einsamkeit auf dem Platz hilft. Diese extreme Stille, die manchmal entsteht, wenn Zehntausende den Atem anhalten, weil gleich der Ball geworfen wird – für Norris ist das, als stünde er ganz allein auf einer Waldlichtung. Wenn das Stadion dann explodiert, ist das nicht mehr so sein Ding.
Im letzten Herbst gab Norris bekannt, dass er einen Tumor an der Schilddrüse habe. Dieser wurde wenig später erfolgreich entfernt. In solchen Situationen wird den meisten Menschen klar, was wirklich wichtig ist. Norris wusste das schon längst.
Foto: Nathaniel Wood