Worum geht es?
Nur eine Brücke trennt die Zwillingsstädte Piltover und Zaun. Die „Stadt des Fortschritts“ und die „Undercity“ stehen in ständigem Konflikt. Mittendrin sind die Schwestern Vi und Jinx. Nach dem katastrophalen Chaos, das Jinx am Ende der ersten Staffel angerichtet hat, sieht auch Vi zu Beginn der zweiten Staffel ein: Aus Jinx ist endgültig eine nihilistische Anarchistin auf Zerstörungskurs geworden. Nun steht ein Krieg unweigerlich bevor, und die beiden Schwestern finden sich endgültig auf gegnerischen Seiten wieder. Die instabile Situation ruft zudem die Generalin Ambessa aus dem militaristisch ausgerichteten Staat Noxus auf den Plan. Sie interessiert sich für die von Piltover entwickelte magische Technologie Hextech. Während der Konflikt immer weiter eskaliert, drängt sich die Frage auf: Wofür soll Hextech eingesetzt werden?
Wie wird es erzählt?
Der Animationsstil von „Arcane“ zeichnet sich durch eine Mischung aus 2D- und 3D-Elementen aus. Die Hintergründe sind digital per Hand gemalt, was die besondere Gemäldeästhetik der Serie ausmacht. Die wichtigsten Objekte und die Figuren sind als 3D-Modelle angelegt, ihre Bewegungen, Mimiken und Gesten wirken dadurch besonders menschlich. Hinzu kommt, dass Bildausschnitte, „Kamerafahrten“, aber auch Lichtreflexionen oder Verwacklungen den Eindruck erwecken, die Serie sei gefilmt worden, sodass sich das Gezeigte noch unmittelbarer anfühlt.
Während in der ersten Staffel die emotionalen Prozesse der Figuren – allen voran die Folgen von Jinx’ Traumata – bemerkenswert viel Raum einnahmen, ist die zweite Staffel actionreicher und bildgewaltiger. Auch bringt das verantwortliche Animationsstudio Fortiche aus Frankreich wieder viele neue Stile ein, etwa wenn Szenen, in denen es um Trauer geht, wie mit Kohle gezeichnet sind.
Insgesamt ist das Tempo schneller als in der ersten Staffel, was beim Anschauen noch mehr Konzentration abverlangt. Aber „Arcane“ war nie eine Serie, die ihr Publikum an die Hand nimmt. Sie ist voller Verweise, Rückbezüge und Full-Circle-Momente, in sich stimmig und deshalb für Detailverliebte sehr befriedigend.
Lohnt sich das?
Auf jeden Fall, wie die erste Staffel auch. Die Serie basiert auf der Welt von „League of Legends“ von Riot Games, dem global größten E-Sports-Spiel. Man muss „LoL“ jedoch nicht kennen, um die Handlung zu verstehen. Dass ausgerechnet eine Serie, die auf einem Videospiel mit weiblichen Champions in übersexualisierten Pin-up-Girl-Looks basiert, außergewöhnlich vielschichtige Frauenfiguren zeigt, ist zumindest erstaunlich, vielleicht sogar ein bisschen revolutionär. Die Figuren haben realistische (wenn auch immer noch sehr ästhetische) Körper, es werden auch androgyne und als maskulin gelesene Formen von Weiblichkeit gezeigt. Außerdem sind es in der Welt von „Arcane“ mehrheitlich Frauen, die die Fäden in der Hand halten, egal auf welcher Seite der Brücke. Anders als im Spiel sind sie nicht durchgehend flirty, weder einseitig gut noch böse, sondern ambivalent. Auch die große Liebesgeschichte ist eine zwischen zwei Frauen. Geschlechterübergreifend ist die Serie ein Paradebeispiel für Repräsentation, sie zeigt Vielfalt, ohne sie zu forcieren. Die Figuren werden durch ihre komplexe Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten definiert und durch nichts anderes.
Und was hat das Ganze jetzt zu bedeuten?
Eines der wichtigsten Gespräche führt Jinx in ihrem Kopf mit ihrem verstorbenen Ziehvater, dem ehemaligen Unterwelt-Boss Silco. Jinx hat aufgegeben, sie ist es leid, immer wieder alles zu verlieren. „Töten ist ein Kreislauf“, sagt Silco. Aber wie kommt man aus diesem heraus? „Arcane“ ist ein Plädoyer für die zweite Chance: Auch wenn man bisher immer auf dem falschen Weg war, die Möglichkeit zu haben, sich anders zu entscheiden, kurz: den Kreislauf zu durchbrechen.
Alle neun Folgen der zweiten Staffel und die gesamte erste Staffel laufen auf Netflix. Freigabe ab 16 Jahren.
Fotos: Netflix