Was passiert?

Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise kommt es in ganz Spanien zu Massenprotesten des sogenannten Movimiento 15-M (Bewegung 15. Mai). Aus der Forderung nach demokratischer Partizipation gründet sich 2014 die Partei Podemos („Wir können“), deren rasanten Aufstieg der Dokumentarfilmer Fernando León de Aranoa begleitet. Obwohl anfangs noch ohne Hierarchie und umfangreiches Programm, erreicht Podemos schnell beachtliche Umfragewerte. Noch im selben Jahr gibt Pablo Iglesias Turrión, ehemaliger Unidozent und einer der führenden Politiker der Partei, einen Sieg bei den Parlamentswahlen 2015 als Ziel aus. Von umkämpften Parteitagen über Talkshow-Kontroversen bis zum ersten Skandal in der Führungsriege: ein Wahlkampf aus dem Stegreif.

Was soll uns das zeigen?

Das Dilemma der linken Protestparteien, die in verschiedenen EU-Staaten während der Eurokrise gegründet wurden. Während nur eine von ihnen – Syriza in Griechenland – den Sprung in die Regierung schaffte, die europäische Austeritätspolitik dann aber auch nicht beeinflussen konnte, zeigt sich am Beispiel von Podemos schon im Wahlkampf die Schwierigkeit, alles „ganz anders zu machen“.

Wie wird’s erzählt?

Als Politthriller, der nicht wirklich einer ist. In einem Countdown zählt der Film die Tage zur Parlamentswahl im Dezember 2015 herunter, als wäre das Ergebnis nicht bereits bekannt. Und als wäre es nicht kurz darauf hinfällig gewesen: Nach erfolglosen Koalitionsverhandlungen musste die Wahl 2016 wiederholt werden. Der Blick auf die Chronologie hat aber auch etwas für sich. Der nachvollziehbare Wandel der Partei unter dem Druck der medialen Öffentlichkeit lässt gut auf das größere Thema des Films schließen: Was bedeutet Demokratie eigentlich heute in Europa?

Stärkster Satz

„Den Himmel nimmt man sich im Sturm, nicht im Konsens.“ Mit diesem Satz, der sich auf Karl Marx bezieht, bringt der begnadete Rhetoriker Iglesias im Oktober 2014 die Podemos-Basis auf Linie. Fortan ist er Parteichef, Spitzenkandidat, Talkshow-Gesicht. Ein nachhaltiger Dämpfer für den basisdemokratischen Flügel der Partei.

Beste Nebenrolle

Íñigo Errejón. Anfang 30, pragmatischer Kurzhaarschnitt, unmodische Brille mit dicken Gläsern. Nicht der Typ fürs Rampenlicht, aber als Kampagnenmanager und Spindoktor am rasanten Aufstieg von Podemos zur drittstärksten Partei im spanischen Parlament maßgeblich beteiligt. Bekommt im Film deutlich mehr Aufmerksamkeit als in den Nachrichten und tritt mit seinen smarten Strategiereferaten aus dem Schatten von Spitzenkandidat Iglesias.

Ideal für ...

Aktivisten, die von der Straße ins Politbüro wechseln wollen. Alle aus den etablierten Parteien, die nach den Schwachstellen der neuen Konkurrenz suchen. Junge Spanier, die während der Krise nach Berlin ausgewandert sind.

„Política, manual de instrucciones“, Spanien 2016; Regie: Fernando León de Aranoa; 120 Min.

Foto: Berlinale