Der Sohn, 13
Wenn mich mein Vater fürs Wochenende abholt, dann darf er nicht ins Haus. Er soll draußen warten, bis ich und mein Bruder rauskommen. Meine Mutter sagt, sie ertrage ihn nicht. Ich find das komisch, schließlich waren sie ja mal zusammen. Heute tun sie immer so, als sei das alles ein großer Irrtum gewesen.
Als sich meine Eltern trennten, war ich acht. Eines Abends hat meine Mutter meinem Bruder und mir gesagt, dass sie mal mit uns reden müsse, und dann auch von Stefan erzählt, einem Arbeitskollegen von ihr. Kurz danach ist mein Vater ausgezogen, was ich gar nicht richtig mitbekommen habe. Der Streit kam später, als es darum ging, bei wem wir mehr Zeit verbringen. Ständig haben meine Eltern von "Übergabe" gesprochen, wenn es um uns ging – als wären wir irgendein Gegenstand. Am Anfang habe ich meinen Vater sehr vermisst, weil ich ihn nur jedes zweite Wochenende sehe. Mittlerweile bin ich sowieso mehr mit meinen Freunden zusammen. Mit dem neuen Mann meiner Mutter verstehe ich mich gut – auch mit seinem Sohn, der schon etwas älter ist. Ich wollte immer einen großen Bruder haben, jetzt habe ich plötzlich einen. Und ich glaube, meine Mutter ist heute glücklicher, das macht mich natürlich auch froh.
Die Mutter, 39
Irgendwann musste ich mich entscheiden zwischen meinem Glück und dem Unglück der Kinder. So habe ich es zumindest empfunden. Auf der einen Seite war ich total verliebt, auf der anderen Seite wollte ich unsere Familie nicht zerstören. Aber ist es für Kinder schön, in einem Elternhaus aufzuwachsen, in dem sich Vater und Mutter nicht mehr lieben? Die Beziehung war einfach eingeschlafen – vielleicht auch ein bisschen wegen der Kinder. Ständig musste der Alltag organisiert werden, als Paar haben wir uns gar nicht mehr erlebt, haben nichts mehr gemeinsam gemacht. Ich denke, es ist wichtig, dass man trotz Kindern ein Liebespaar bleibt, aber das ist inmitten vollgeschissener Windeln schwierig. Für die Kinder war die Trennung hart, vor allem, weil wir es nicht geschafft haben, unseren Streit vor ihnen zu verbergen. Nun sind sie alt genug, um zu verstehen, dass manche Menschen nicht zusammenpassen. Heute bin ich froh über meine Entscheidung, weil es die richtige war. Allerdings ist mein Leben komplizierter geworden, weil ich auf viel mehr Wünsche und Bedürfnisse Rücksicht nehmen muss. Und in Zukunft wird es noch komplizierter. Wir bekommen nämlich noch ein gemeinsames Kind. Vielleicht wächst das ja mit seinen leiblichen Eltern auf.
Der Stiefvater, 42
Als ich die Kinder meiner Frau zum ersten Mal traf, haben wir so getan, als sei ich nur ein Freund und nicht ihr neuer Mann. So konnten wir uns erst einmal beschnuppern. Ich habe selbst auch noch einen Sohn, der aber schon 16 ist. Mit seiner Mutter war ich eigentlich nie richtig zusammen, es ist eher so passiert. Ich habe zu beiden ein gutes Verhältnis, und meinen Sohn sehe ich auch sehr oft. Neulich waren wir zwei Wochen zum Klettern in Italien – nur wir beide. Auch mit den beiden Jungs meiner neuen Frau versteht er sich ganz gut. Im Grunde ist das Leben jetzt vielseitiger: Manchmal sind wir zu fünft, dann nur zu viert, und alle zwei Wochen haben wir ein kinderfreies Wochenende. Mir gefällt das, so bleibt das Leben spannend. Dass wir jetzt noch ein Kind kriegen, finde ich einerseits schön, weil es ein Produkt der Liebe ist, andererseits habe ich Angst, dass mein Leben zu starr wird. Wir haben uns jedenfalls geschworen, noch ausreichend Zeit miteinander zu verbringen. Genügend potenzielle Babysitter haben wir ja.
Die Oma, 73
Als ich gehört habe, dass sich meine Tochter vom Vater ihrer Kinder trennt, war ich geschockt. Ich mochte den Mann zwar nicht besonders, aber für die Kinder tat es mir leid. Ich komme selbst aus einer Trennungsfamilie und weiß, dass eine Scheidung für Kinder nicht leicht ist. Ich habe dann auf meine Tochter eingeredet, es noch einmal zu versuchen, aber sie war nicht davon abzubringen, mit dem neuen Partner ein neues Leben zu versuchen. Wenn ich jetzt sehe, wie glücklich die beiden sind und wie gut sie zueinanderpassen, denke ich natürlich, dass es richtig war. Und meine Enkelkinder machen jetzt auch nicht den Eindruck, als sei ihnen ein seelischer Schaden zugefügt worden.