Noch bis Ende Mai können rund 50 Millionen Menschen in Deutschland ihre Stimme bei der Sozialwahl abgeben. Moment, „Sozialwahl“? Noch nie gehört? Kein Wunder, denn die drittgrößte Wahl in Deutschland (nach der Europa- und der Bundestagswahl) ist ziemlich unbekannt. Von uns erfährst Du auf einen Blick, was Du darüber wissen musst.
Worum geht’s bei der Sozialwahl?
Die Sozialversicherungen in Deutschland – also die Krankenkassen, die Unfall- und Rentenversicherungen – sind selbstverwaltet. Sie gehören zu keiner staatlichen Behörde, sondern haben ihre eigenen Parlamente. Seit 1953 wählen Versicherte alle sechs Jahre die Verwaltungsräte der gesetzlichen Krankenkassen und die Vertreterversammlungen der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherungen. Die andere Hälfte dieser Parlamente bestimmen die Arbeitgeber, da diese ja auch Beiträge für ihre Mitarbeiter zahlen.
Wer darf bei der Sozialwahl wählen?
Alle, die das 16. Lebensjahr bis zum 1. Januar 2017 erreicht haben und Beiträge zahlen (wer bei den Eltern familienversichert ist, darf nicht abstimmen). Allerdings bitten nur wenige der gesetzlichen Krankenkassen auch tatsächlich zur Wahl. Die meisten Krankenkassen bestimmen ihre Listen selbst, dieser Vorgang wird als Wahl „ohne Wahlhandlung“ oder auch „Friedenswahl“ bezeichnet – das ist möglich, wenn sich nicht mehr Kandidaten beworben haben, als es Plätze zu vergeben gibt. Die Sozialwahl ist eine reine Briefwahl, bis Ende Mai müssen die Briefe eingegangen sein – nur die Versicherten bei der Barmer haben aus internen Gründen bis Oktober Zeit (da dürfen deshalb auch alle wählen, die bis Juni 16 Jahre alt werden).
Warum ist das Wählen wichtig?
Weil viele der Entscheidungen in diesen Parlamenten alle Versicherten betreffen. Jede Krankenkasse hat zum Beispiel einen sogenannten Leistungskatalog, das heißt, manche Dinge werden von der Kasse bezahlt und andere nicht. Das können Impfungen sein, die Du zum Beispiel für eine Reise nach Südostasien oder Südamerika brauchen könntest, Fitness- und Yogakurse, deren Kosten eventuell erstattet werden, oder auch bestimmte Operationen. In den Parlamenten wird auch über Zusatzbeiträge diskutiert, ob es sie geben soll und wie hoch sie ausfallen.
Wer steht zur Wahl?
Ebenfalls Versicherte. Schließlich sollen sie ja die Interessen dieser Gruppe vertreten. Es kann aber niemand einzeln gewählt werden, sondern nur Listen, die vorher zum Beispiel von Gewerkschaften zusammengestellt werden. Aber Versicherte können auch selbst sogenannte „freie Listen“ gründen. Die Listen stellen sich und ihre Programme im Internet vor. Alle diese Posten sind ehrenamtlich. Viele der Kandidaten sind schon älter und engagieren sich seit vielen Jahren in Gewerkschaften oder im sozialen Bereich.
Warum gibt es Kritik an der Sozialwahl?
Herauszufinden, welche genauen Vorschläge die Listen machen, wer die einzelnen Abgeordneten sind, wo sie herkommen, verlangt einiges an Geduld und Zeit. Außerdem ist die Sozialwahl eine reine Briefwahl, was viele als veraltet kritisieren. Die Regierungsparteien haben in ihrer Koalitionsvereinbarung geschrieben, dass sie ein Gesetz zu Online-Wahlen auf den Weg bringen will. Das ist aber bisher nicht passiert.
Wen die Intransparenz um die Listenplatzvergabe bei seiner Kasse stört, dem schlägt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von Andrea Nahles vor, sich zu einer „freien Liste“ zusammenzuschließen und selbst anzutreten. Dann nämlich kann man auf den Wahlen bestehen. „Dagegen können die etablierten Kräfte nichts tun“, heißt es auf der Seite des Ministeriums.
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