Aus welcher Weltstadt kommst du gerade? Paris? New York?
Schön wär’s. Zu tollen Locations geht es nur noch selten. Die meisten Modestrecken werden im Studio produziert, um Kosten zu sparen.
Wie viel verdienst du am Tag?
Ganz unterschiedlich. Bei den meisten Fashion-Magazinen bekommt man für eine achtseitige Story ungefähr 800 Euro. Es wäre ganz gut, wenn man das für einen Fototag bekäme. In Wirklichkeit kommt man aber mit Organisieren und Postproduktion auf fast eine Woche Arbeit. Dann sind 800 Euro nicht mehr so toll.
Aber es gibt doch auch bekannte Modefotografen wie Michel Comte oder Ellen Unwerth, die Tausende Dollar am Tag bekommen …
Das sind aber nur ganz wenige und immer dieselben. Das Geld, das die verdienen, spart man dann eben bei den anderen Fotografen. Es gibt ja sogar Modemagazine, die gar nichts bezahlen.
Wieso sollte man für die arbeiten?
Die locken eben damit, dass man sich mit der Fotostrecke woanders bewerben kann. Man braucht ja schon ein paar Arbeiten, die man vorzeigen kann.
Wo kriegt man die denn her, wenn man gerade erst mit dem Job anfängt?
Ich habe früher meine Freundinnen gestylt und fotografiert oder später dann Models, die auch erst am Anfang standen. Die benötigen ja auch Bilder. Dann tut man sich zusammen und macht mal eine kleine Fotostrecke. Und wenn man davon einige hat, packt man die in eine schöne Mappe und zeigt sie in den Redaktionen. Wenn man dort einen Termin bekommt.
Klingt sehr anstrengend.
Es ist ein sehr anstrengender Weg, bis du von den Aufträgen leben kannst. Und selbst dann solltest du dich nicht auf dem ausruhen, was du geleistet hast. Wenn du dieses Jahr für die „Vogue“ fotografierst, heißt das nicht, dass du es nächstes Jahr auch noch machst. Man ist schnell raus. Vor allem, wenn man keine Beziehungen hat.
Zählt nicht nur die Qualität der Fotos?
So läuft das leider nicht. Es geht eher darum, ob man die zuständigen Redakteure kennt und auf den richtigen Partys abhängt, die richtigen Leute anschleimt. Das ist so ein „family and friends business“. Oft hat es gar nichts mit Qualität zu tun.
Ist es ein Vorteil, wenn man eine Frau ist?
Wenn man einen Job haben will, ist es fast ein Nachteil. Die Bildredakteurinnen bei den Zeitschriften umgeben sich gern mit männlichen Fotografen, mit denen sie herumflirten können. Beim Fotografieren selbst kann es ein Vorteil sein, weil viele Models von dem Machogehabe mancher Fotografen genervt sind. Dumme Anmachsprüche und Sexismus am Set sind ja nichts Seltenes. Ein Model hat mir neulich erzählt, dass ein Fotograf zu ihr gesagt habe, sie solle sich vorstellen, dass sie eine Banane im Arsch hat.
Wer bestimmt eigentlich, welche Modemarken bei den Shootings getragen werden?
Wenn eine Modefirma eine Anzeige schaltet, werden deren Sachen mit Sicherheit auch Teil der Modestrecken sein. Und meist kommen die Produkte dann auch auf den Seiten vor, auf denen den Lesern Sachen empfohlen werden und die gar nicht nach Werbung aussehen.
Wie lange willst du den Job noch machen?
Ehrlich gesagt orientiere ich mich seit einiger Zeit um. Man wird in diesem Job eh nicht alt, wenn man nicht zu den absoluten Top-Fotografen dieser Welt gehört. Ich kann aber auch diese ganze Poserei und den Klüngel nicht mehr ertragen. Ich mache jetzt lieber Porträts. Da geht es nicht nur ums Fotografieren, sondern vor allem auch um Psychologie und Einfühlungsvermögen. Ich glaube, dass ich das habe.
Die Modefotografin, mit der wir Mitte August in Hamburg sprachen, hat bereits für diverse große Modelabels und bekannte Fashionmagazine gearbeitet. Sie möchte gern anonym bleiben – aus Angst, wegen ihrer klaren Aussagen keine Jobs mehr zu bekommen.