13. Januar 2009, London, England: Endlich ist sie ist da: die Annahmeerklärung. Das Bewerbungsprozedere hat sich gelohnt. Florian wird 100 bis 110 Tage mit SAS studierenderweise um die Welt schippern. Studenten von Universitäten aus allen möglichen Ländern hatten sich beworben, um 12 "Credits" auf dem Schiff zu machen. Zwar rechnet ihm seine Londoner Heimatuniversität die Scheine nicht an und der Spaß kostet über zwanzigtausend Dollar – aber sicher wird die Reise viele wertvolle Erfahrungen bringen. Und ein normales Semester an einer amerikanischen Universität wäre auch nicht billiger. Da es eine einmalige Chance ist, finanzieren ihm seine Eltern diese Reise. Florian kann es noch nicht glauben: Freude, Freude, Freude.

27. August, Halifax, Kanada: Florian ist total aufgeregt. Vor dem Hotel sieht er viele junge Leute, spricht einfach jemanden an. Bingo, auch SAS, Gott sei Dank sind sie jetzt schon mal zu zweit. Und siehe da, die anderen gehören auch dazu. Dann aufs Schiff, die MV Explorer: Alle rennen durcheinander, lernen ihre Kabinennachbarn kennen, erkunden das neue Zuhause. Es ist der Anfang einer großen Reise.

Um fünf ist Feierabend


 

28. August, auf See: Florian unternimmt eine Schiffsbegehung. Fitnessraum, Dampfbad, Sauna, Schwimmbad, Kinoraum – wie im Hotel. Außerdem Unterrichtsräume und Bibliothek. Um sieben Uhr morgens gibt es Frühstück, um acht Uhr beginnt der Unterricht. Vier Klassen sind es, aufgeteilt auf so genannte A- und B-Tage. Die ersten Stunden finden in dem Pflichtfach "Global Studies" statt. Nach dem Mittagessen kommt BWL als frei wählbares zweites Fach dazu. Bis fünf Uhr geht ein Studientag höchstens, dann ist Feierabend.

5. September, Cádiz, Spanien, 8 Uhr morgens: Die MV Explorer läuft im Hafen ein. Zum ersten Mal gibt es das traditionelle Briefing vor den Landausflügen. Politik und Wirtschaft Spaniens, praktische Reiseinformationen, Sicherheit, Währung, etc. Als Vorbereitung, bevor alle zum organisierten Landausflug starten oder einfach auf eigene Faust losziehen. Noch ist alles familiär, Florian war schon mal in Spanien. Trotzdem kann er es kaum erwarten: Das Stadion von Barcelona wartet.

10. September, Casablanca, Marokko: Florian reitet sechs Stunden auf einem Kamel durch die Wüste. Sand, so weit das Auge reicht. Vier aufregende Landtage stehen an. Tagsüber Sightseeing und Kulturprogramm, abends Ausgehen und andere SAS-Kommilitonen näher kennen lernen. Der Schlaf wird später auf dem Schiff nachgeholt.


 

22. September, Accra, Ghana: Florian spielt Fußball mit 20 kleinen Jungs, die Süßigkeiten wollen. Später bringt ihn ein Bus nach Togo, wo er sein Zimmer mit einem Kommilitonen teilt, der bei der Geburt zu wenig Sauerstoff bekam, Übergewicht hat und keinen Funken Selbstbewusstsein. Sie reden und reden und freunden sich an. Der geplante Barbesuch ist vergessen.

3. Oktober, Kapstadt, Südafrika: Der südlichste Punkt der Reise ist erreicht. Kaltes Wasser und Haie. Safaris und Nationalparks. Florian surft in Kapstadt, schwimmt mit Robben. Dann gibt es eine Tour mit dem Mountainbike durchs Weinfeld, zwischendurch die ein oder andere Weinprobe.

8. Oktober, auf See: Zurück auf dem Schiff sind alle erschöpft. Weiter geht es jetzt mit Vorlesungen und Präsentationen, die Bibliothek wird rund um die Uhr genutzt. Internet gibt es, aber zu einem stolzen Preis. So heißt es, wieder mehr auf traditionelle Lernmittel zurückzugreifen. Eine Freundin von Florian jobbt neben dem Studium in der Bibliothek, um sich die Reise zu finanzieren.

15. Oktober, Port Louis, Mauritius: Es ist warm. Wie so oft kann man mit Schlafsäcken auf dem Deck unter freiem Himmel schlafen. Briefing der Botschaft, dann Bergwandern, Erkundung der Vulkaninsel, Kinderdorf Beau Bassin oder lieber blaue Safari? Für Florian steht an: Adventurepark, also Herumspringen, sich Austoben und Spaß haben.

23. Oktober, Chennai, Indien: Faszinierend und irritierend zugleich, Kulturschock pur. Nette Leute und überall erschreckende Armut. Ein Mädchen ohne Auge. Da lernt man sein eigenes Leben zu schätzen. Und auf der anderen Seite gibt es da Weltwunder wie das Taj Mahal. Bei einem Ausflug verpassen Florian und sein Kumpel den Bus um halb sechs. Mist, was nun? Sie können nur noch rennen, um ihr Schiff zu erreichen. Die ganze Strecke rasen sie zu Fuß zurück, springen über Kühe und erleben das Land noch einmal ganz anders. Unvergesslich.

Seltene Momente der Ruhe

3. November, Ho Chi Minh City, Vietnam: Florian und eine Freundin verpassen den Bus und damit den Ausflug mit Freunden. Sie finden einen Taxifahrer, schaffen es, sich verständlich zu machen, und lassen sich zu einem Jetski-Stand bringen. 20 Dollar pro Stunde soll es kosten. Bald darauf jagen sie den Fluss hinunter. Plötzlich sehen sie ein Touristenboot mit den Freunden, die vorher noch den Bus erwischt hatten. Mit Gejohle brausen die beiden vorbei und haben den Spaß ihres Lebens. Am nächsten Tag kommt das Kontrastprogramm: 5 Uhr aufstehen, auf nach Angkor Wat, um gegen 6 Uhr früh den Sonnenaufgang gemeinsam mit betenden Buddhas aus Stein zu genießen. Ruhe und endlich mal Zeit, sich selbst zu finden.

11. November, Hongkong, Volksrepublik China: So viel Florian auf See für das Studium tun muss, so sehr freut er sich auf die Pause an Land. Neben "Global Studies" hat er "International Management", "International Operations" und "Public Speaking" auf dem Lehrplan. Die Professoren sind locker, aber hoch kompetent und auch anspruchsvoll. Das heißt: Hundertprozentige Anwesenheit ist gefragt, kein Schwänzen. Die einzige mögliche Ausrede: "I'm seasick", ich bin seekrank. Abends kommt der entspannte Teil, da finden die freiwilligen Abendseminare mit den Life Long Learners statt, älteren Menschen, die auch mitreisen: Musik, Sport, Reisen – an Themen mangelt es nicht.

15. November: Shanghai, Volksrepublik China: Nachts ist es kalt und die Freunde frieren. Sie schlafen auf der Great Wall of China, dicht aneinander gedrückt. Eine Nacht, die sie nicht wieder vergessen werden. Dem Vergessen vorbeugen soll auch die obligatorische Fahne, die Florian in jedem Land ersteht, als Erinnerung an diese Reise.

20. November, Yokohama und Kobe, Japan: Florian fährt mit seiner Gastfamilie zwei Stunden im Auto herum, kommuniziert wird mit Händen und Füßen – die Familie spricht kein Wort Englisch. Trotzdem versuchen sie, ihm ihre Kultur näher zu bringen und ihm etwas zu zeigen, zum Beispiel historische Samurai-Schwerter. Ganz traditionell wird auf Bambusröhren auf dem Boden übernachtet, zum Frühstück gibt es Sushi.

4. Dezember, Honolulu und Hilo, Hawaii: Das letzte Land auf dieser Reise. Florian hat gemischte Gefühle. All die Leute, die er so intensiv kennen gelernt und mit denen er so viel erlebt hat. Gleichzeitig hat er auch den Wunsch, in dem Trubel ab und an mal kurz alleine zu sein. Florian versucht das heimlich auf dem dritten Deck: iPod hören oder mal nur das Wasserrauschen genießen. An Land geht es dafür richtig rund: Florian springt aus einem Flugzeug, zum Skydiven!

15. Dezember, San Diego, Kalifornien: Endstation. Der Drang, jetzt schnell nach Hause zu gehen, ist groß. Aber an Land warten alle, bleiben stehen, umarmen sich, weinen, danken. Florian hat noch keinen Flug heim gebucht, zuerst geht er noch mit einer Kommilitonin nach New York, danach erst in seine Heimatstadt München. Home, sweet home? Einerseits fühlt es sich für Florian gerade so an, als würde er in ein Loch fallen, andererseits merkt er, dass er sein Zuhause viel mehr als früher schätzt. Er hat sich verändert. Und eine einmalige Erfahrung gemacht, die ihm niemand nehmen kann. Außerdem bleiben ihm viele neue Freunde, auf der ganzen Welt.

Daniela Heimpel (22) studiert Politikwissenschaft und Europastudien in Paris und schreibt für verschiedene Print- und Onlinemedien.