Los Angeles ist ein riesiges Dorf. Hügelketten, Wüstenland, endlose Sandstrände und ein dichtes Straßennetz formen eine Metropole ohne richtiges Zentrum, einen Flickenteppich aus zahlreichen Kommunen mit multiethnischer Bevölkerung. L.A. ist ein Ort krasser Gegensätze: Glanz und Glamour existieren hier neben Armut und Gewalt. Eine Vielfalt, die auch im Kino zum Ausdruck kommt, neben wirkmächtigen Motiven und Mythen, die das filmische Image der 13-Millionen-Metropolregion bis heute prägen.

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"Maps to the Stars" (2014) zeigt Los Angeles als Sammelbecken für neurotische Karrieristen, die alles tun, um im Rampenlicht zu stehen (Foto: picture-alliance )

"Maps to the Stars" (2014) zeigt Los Angeles als Sammelbecken für neurotische Karrieristen, die alles tun, um im Rampenlicht zu stehen

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Wie der berühmte Hollywood-Schriftzug über der Stadt, der sicherlich zu den ersten Assoziationen gehört, die viele Menschen mit L.A. verbinden. In seiner ursprünglichen Form „Hollywoodland“ war er ein Werbeschild, als Anreiz zum Kauf von Grundstücken. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts priesen umtriebige Makler den erschwinglichen Grund und Boden, die abwechslungsreiche Umgebung und das günstige Klima der damals noch überschaubaren Küstenstadt an. Ab 1910 übersiedelten immer mehr Filmunternehmen aus New York nach Kalifornien und machten Hollywood zu dem, was es heute ist: dem kommerziell wichtigsten Kino-Produktionsort der Welt, wo Filme wie Waren gefertigt werden – und der Klatsch und Tratsch für die Boulevardmedien gleich dazu.


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cms-image-000047184.jpg (Foto: picture-alliance )
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Ein Ort, der viele Regisseure zu einer Bestandsaufnahme der eigenen Branche inspiriert hat. Etwa Billy Wilder, der in „Boulevard der Dämmerung“ (1950) die Koexistenz von Ruhm und Vergessen in der Figur der Stummfilmdiva Norma Desmond kondensiert. Einst gefeiert, hat die Schauspielerin nach dem Übergang zum Tonfilm den Anschluss verloren. Symbol ihres Niedergangs ist eine marode Villa am Sunset Boulevard, deren frühere Pracht sich nur noch erahnen lässt. Mit „The Player“ (1992) zeichnet Robert Altman ein nicht minder pessimistisches Bild Hollywoods und prangert darin die vorherrschende Kommerzsucht an. Erst kürzlich setzte David Cronenberg die Insider-Erfahrungen des Drehbuchautors Bruce Wagner in düstere Impressionen um. „Maps to the Stars“ (2014) – benannt nach den touristischen Stadtplänen, auf denen die Wohnsitze der Filmstars markiert sind – zeigt Los Angeles als Sammelbecken für neurotische Karrieristen, die alles tun, um im Rampenlicht zu stehen. Eine Welt zwischen dubiosen Massagesitzungen, exzessiven Partys und verlogenen Meetings, in der man bloß für eine ehemalige Psychiatriepatientin Sympathie aufbringen kann.

Hollywood als Albtraumfabrik: Gewalt, Korruption, Rassismus

Hollywood als Albtraumfabrik – diese Vorstellung setzte sich auch deshalb fest, weil es im Umfeld der Branche mehrfach zu grausamen Verbrechen kam. Sie liefern das Rohmaterial für selbstreflexive Spielfilme wie Brian De Palmas „The Black Dahlia“ (2006), der den Mordfall an Elizabeth Short aus dem Jahr 1947 fiktionalisiert und ihn an die Filmbranche anbindet. Gewalt und Korruption sind Themen, die unzählige L.A.-Werke verhandeln – häufig in Anlehnung an wahre Begebenheiten. So verdichtet Roman Polanskis „Chinatown“ (1974) den Kampf um die Wasserversorgung der Stadt, dank der Los Angeles in einer von Dürren geplagten Region überhaupt erst zur Metropole heranwachsen konnte. Mord und Intrigen bestimmen auch die Film-noir-Hommage „L.A. Confidential“ (1997) über den korrupten Polizeiapparat der Stadt.

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Mit sozialen Realitäten beschäftigen sich Ghettofilme wie „Boyz n the Hood“ (1991), der im Problemviertel South Central spielt und den dort lebenden Afroamerikanern eine Stimme gibt. John Singleton, selbst im Stadtteil groß geworden, porträtiert eine Clique von Jugendlichen, die zumeist ohne Vater aufwachsen, mit Machosprüchen um sich werfen und in eine Spirale der Gewalt geraten. Während das intensive Drama auf seinen Mikrokosmos fixiert ist, geben Episodenfilme die für Los Angeles typische Vielfalt wieder. „L.A. Crash“ (2004) lässt Menschen unterschiedlicher ethnischer und sozialer Herkunft aufeinandertreffen und stellt dabei den tief sitzenden Rassismus aus.


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Ein Problem, das in Los Angeles mehrfach zu blutigen Unruhen führte, etwa 1992, nachdem die Misshandlung des Schwarzen Rodney King durch Polizisten zunächst ohne rechtliche Folgen blieb. Robert Altmans „Short Cuts“ (1993) hingegen blendet die Rassenfrage aus und konzentriert sich auf die Alltagssorgen und Störungen der weißen Bevölkerung – vom wohlhabenden Pärchen mit Villa in den Hügeln bis zum „White Trash“ in der Wohnwagensiedlung.

Charakteristisch für viele Filme aus L.A. ist der Blick auf das schier endlose Lichtermeer, das unter anderem den Außerirdischen E.T. begeistert. Negativ verkehrt erscheint er im dystopischen Science-Fiction-Klassiker „Blade Runner“ (1982), wo das Los Angeles im Jahr 2019 einem Höllentor gleicht. Noch prägender sind Autos und Straßen: „Boulevard der Dämmerung“, „Mulholland Drive“ (2001), „L.A. Crash“, „Drive“ (2011) – in der Realität und im Film ist Los Angeles die Autostadt schlechthin. Ein Kosmos aus breitspurigen Highways und gewundenen Hügelpisten, den man bloß auf vier Rädern erobern kann.

Hollywoods Untergang – bislang eine Filmfantasie


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In der Eröffnungsepisode von „Night on Earth“ (1991) bricht ein Taxi am Flughafen auf. Und durch die Scheiben des Wagens zieht an uns das typische Straßenbild – blinkende Leuchtreklamen, Drive-ins, Tankstellen – vorbei, bis wir ins schicke Beverly Hills gelangen. Wie die Adern der Stadt wirken die erleuchteten Straßen im Retro-Gangsterfilm „Drive“ (2011), der Geschwindigkeit und Mobilität zelebriert. Einen Gegenentwurf bietet der Thriller „Falling Down“ (1993), in dem der Protagonist im Stauwahnsinn ausrastet, aussteigt und auf dem anschließenden Fußmarsch zum Amokläufer wird.In der Mediensatire „Nightcrawler“ (2014) ist die Hauptfigur ein skrupelloser Kameramann, der auf den Straßen der Stadt Unfälle und Tatorte filmt und sein Material an einen sensationsgierigen TV-Sender verkauft. Das ist nicht zuletzt eine Abrechnung mit den Auswüchsen des Boulevardjournalismus.

Filmisch verarbeitet wird auch die geografische Lage von Los Angeles in einer Erdbebenregion. Regelmäßig brechen im Kino Katastrophen über die Stadt herein, die allesamt die Angst vor einer vollständigen Zerstörung spiegeln. Technisch beeindruckend gelingt dies schon dem Spektakel-Movie „Erdbeben“ (1974), das die Stadt in Schutt und Asche legt, oder aber dem jüngsten Desaster-Streich „San Andreas“ (2015), der Wolkenkratzer kollabieren lässt – ebenso wie den berühmten Hollywood-Schriftzug. Da der Untergang bislang allerdings eine Filmfantasie geblieben ist und die Buchstaben in den Hügeln noch immer auf festen Füßen stehen, wird Los Angeles uns weiterhin auf der Leinwand begegnen. Uns faszinieren, verzaubern und verstören. Mit seinen Autos, Straßen und Lichtern, seiner multikulturellen Vielfalt und seinen Geschichten von Aufstieg und Fall.