Immerhin gerechter als früher: Wie der faire Handel die Welt oder zumindest unsere Läden verändert

Hat es Qualität? Sieht es gut aus? Macht es was her? Werde ich beneidet? Schmeckt es gut? Das waren so Fragen, die sich Konsumenten lange Zeit vor dem Kauf von Produkten stellten. Mittlerweile sind andere hinzugekommen, die immer wichtiger werden: Haben Menschen bei der Herstellung gelitten? Wurde die Umwelt belastet? Schädige ich meine Gesundheit? "Immer mehr Menschen befürworten, dass nachhaltige Produkte jenseits von Weltläden und Öko- Nische einen Platz haben sollen", sagt Ulf Schrader, Experte für nachhaltigen Konsum an der TU Berlin.

Unter "fairem Handel" versteht man die Idee, den ungleichen Machtverhältnissen in der globalen Wirtschaftskette entgegenzuwirken. In den USA fingen manche Organisationen schon in den 40er-Jahren an, Handarbeiten direkt bei den Produzenten in Ländern des Südens einzukaufen. Die Pioniere des fairen Handels in Europa waren Oxfam Trading (1964), die niederländische Stiftung S.O.S. (1973) und die Initiative Max Havelaar (1988); in Deutschland nahm der Verein TransFair 1992 seine Arbeit in der Siegelvergabe auf. Gefordert wurde der faire Handel auch von kirchlichen Jugendverbänden: Mehrere Tausend Menschen brachten diese 1970 in sogenannten "Hungermärschen" auf die Straße, um die damalige Entwicklungspolitik zu kritisieren. Aus ihnen gingen die Bewegung "Aktion Dritte Welt Handel" und einer der europaweit größten Fairtrade-Importeure, die GEPA, hervor. Mit katastrophalen Arbeitsbedingungen und Löhnen lässt es sich eben billiger produzieren – den Preis zahlen andere: Armut, Kinderarbeit, Krankheiten und Perspektivlosigkeit unter den Mitarbeitern werden verstärkt. Oft mangelt es an Importeuren, die bereit sind, dem Hersteller Sicherheiten zu bieten und mehr als das Nötigste zu zahlen – und an Vertrieben, die erkennen, dass man den guten Zweck vermarkten kann.

Fairer funktionieren soll es so: Kleinbauern organisieren sich in Kooperativen, der Importeur sucht sich unter ihnen langfristige Partner und zahlt für ihre Waren Mindestpreise sowie Aufschläge für die ökologische und soziale Entwicklung. Was mit dem Geld genau passiert und wie viele ihrer Orangensäfte und Fußbälle die Kooperativen überhaupt in den fairen Handel verkaufen wollen, entscheiden sie selbst. Natürlich gibt es Anforderungen an die Herstellung, aber wie ein Fairtrade-Bauer nun wirklich lebt, lässt sich nicht pauschal sagen. Auf den Markt kommen die Produkte am Ende über den Importeur und Großhändler – entweder in spezialisierte Weltläden oder in Supermärkte, wo sie sich das Regal mit der konventionellen Konkurrenz teilen.

Anders als "Bio" war und ist "fairer Handel" aber kein rechtlich geschützter Begriff. Alles darf sich so nennen. Label mit Standards und Wiedererkennungswert bieten sich an. Wie das bekannte grün-blauschwarze Fairtrade-Siegel von der Organisation Fairtrade International (FLO), bei der auch TransFair Mitglied ist. Ein Zertifizierer kontrolliert, ob die sozialen und ökologischen Standards eingehalten werden.

Laut dem Netzwerk "Forum Fairer Handel" setzte der faire Handel 2012 in Deutschland 650 Millionen Euro um – ein Zuwachs von über 500 Prozent im Vergleich zu 2004. Mehr als drei Viertel dieser Produkte trugen 2012 das Fairtrade-Siegel; ihr Umsatz hat sich seit 2004 sogar verneunfacht. Der Marktanteil ist aber insgesamt noch gering, einzelne Produkte wie Bananen erreichen gut drei Prozent, Fairtrade- Rosen hatten 2012 immerhin einen 2012 setzte der faire Handel in Deutschland 650 Mio. Euro um Marktanteil von knapp 20 Prozent.

Das Europäische Parlament hat Mitte Januar 2014 neue Regeln für das öffentliche Beschaffungswesen angenommen. Öffentliche Einrichtungen können in ihren Ausschreibungen, zum Beispiel fürs Catering, nun auch nachhaltig erzeugten Produkten aus fairem Handel oder Bio eine Chance geben – und müssen nicht unbedingt beim billigsten Anbieter zuschlagen.

Sind wir aber wirklich problembewusster geworden? Der Konsumsoziologe Kai-Uwe Hellmann, Privatdozent an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, ist da skeptisch. Man müsse bei Konsumenten und Lieferanten differenzieren: zwischen jenen, die wirklich bis ins letzte Detail prüfen, dass alles seine Ordnung hat – das sei eine Minderheit –, und jenen, die sich mit so viel begnügen, dass der Anschein gewahrt bleibt. "Bezüglich vieler Wertschöpfungsketten fehlt die konsequente Kontrolle." Auch Saphir Robert, Projektleiterin bei "Label Online", sagt: "Vieles, aber nicht alles, wo ein Label drauf ist, ist gut. Man muss schon genau hingucken."

So sind sogar die Siegel von FLO und der Rainforest Alliance in die Kritik geraten: Im August 2013 berichtete Arte in einer Dokumentation kritisch über Kooperativen in Costa Rica und der Dominikanischen Republik, über Ungleichheit und Armut unter den Bauern und das Elend von haitianischen Wanderarbeitern. FLO warf dem Filmemacher vor, komplexe Zusammenhänge und Informationen außer Acht gelassen zu haben.

Aber auch die FLO-Fairtrade-Kriterien selbst werden heiß diskutiert: Mischwaren wie Schokolade müssen nur noch zu mindestens 20 Prozent aus fair gehandelten Zutaten bestehen statt wie früher zu 50 Prozent. "Wir haben schwer mit uns gerungen, ob uns das noch reicht", sagt Saphir Robert. "Dann haben wir uns aber entschieden, das Siegel gut zu bewerten, weil es keine Alternative zu dem Programm gibt und die Menschen dennoch profitieren." Der Kampf um das Wohlwollen des Verbrauchers ist hart. "Will ich strenge Nachhaltigkeit für wenige oder etwas gelockerte für viele?", fragt Ulf Schrader von der TU Berlin. "Mein Wunsch ist, dass Fairtrade überflüssig wird – weil der Welthandel insgesamt fairer wird."