Sara Najafi hat eine Mission. Die Musikerin möchte eine Tradition wiederbeleben, die im Iran seit der Revolution verboten ist: Frauen, die öffentlich singen. Der weibliche Sologesang ist für die iranische Geistlichkeit unvereinbar mit den Prinzipien des Islam. Es könne immerhin passieren, dass ein Mann erregt werde durch den Klang einer weiblichen Singstimme, erklärt in einer Szene von „No Land’s Song“ sehr geduldig der bärtige Mullah, den Sara Najafi beratungshalber aufgesucht hat. Auch der Genuss berauschender Speisen und Getränke sei ja verboten, da er den Menschen aus seinem normalen Zustand heraushöbe. Wenn allerdings nicht eine Frau alleine, sondern drei Frauen miteinander sängen, dann sei es wahrscheinlich so, dass sie einander neutralisierten, vermutet der Mullah.

Unter diesen Bedingungen scheint es ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen zu sein, in Teheran ein Konzert zu organisieren, das zum größten Teil von weiblichen Solostimmen bestritten wird. Wie Sara Najafi dennoch für ihren Plan kämpft, Verbündete gewinnt, Kontakte zu anderen Musikerinnen knüpft und mit nie nachlassender Hartnäckigkeit immer wieder die wechselnden Verantwortlichen im Kulturministerium heimsucht, zeigt „No Land’s Song“ eindrücklich.


Der Film entstand praktisch ohne Budget, einfach dadurch, dass Saras Bruder, der Filmemacher Ayat Najafi, seine Schwester während der Konzertvorbereitungen mit der Kamera begleitete. Oder eben auch nicht. Sämtliche Szenen im Kulturministerium beispielsweise werden nur durch den Ton vermittelt, das Bild bleibt schwarz; offensichtlich handelt es sich um ungenehmigte Audiomitschnitte. Über die Untertitel lassen sich Dialoge verfolgen, die deutlich machen, dass auch die iranischen Behörden jeweils unterschiedliche Interessen verfolgen. Man würde ja gern dieses oder jenes, so ist aus den Dialogzeilen der Kulturbeamten herauszulesen, wenn denn nicht der Geheimdienst zu allem noch sein Okay geben müsste. Und die Religionsbehörde. Ein Konzert nur mit Frauen, das gehe leider gar nicht. Am besten, so rät ein Beamter, solle die Antragstellerin ein paar Männer auf die Bühne stellen und in ihren Antrag schreiben, dass die Sängerinnen nur die Begleitung seien.

So ähnlich macht Sara Najafi es dann, wenn auch am Ende die Frauen die Soli singen und die Männer die Begleitstimmen. Eine zusätzliche kulturpolitische Brisanz gewinnt Saras Vorhaben dadurch, dass sie auch drei ausländische Sängerinnen einladen will, die Französinnen Elise Caron und Jeanne Cherhal sowie die Tunesierin Emel Mathlouti. Diese iranisch-internationale Kulturfusion wäre wahrscheinlich einen eigenen Film wert gewesen. In den Ausschnitten, die gedreht wurden, als Sara die anderen in Paris zu ersten Gesprächen, dann zu ersten Proben besucht, ist eine behutsame musikalische Annäherung zu verfolgen, die ihrerseits an bürokratischen Hürden zu scheitern droht. Denn die Sängerinnen und ihre Musiker bekommen keine Arbeitsvisa für den Iran. Erst nach der Wahl Hassan Rohanis zum neuen Staatspräsidenten geht es wieder vorwärts. Doch dann, während der Endproben in Teheran, wollen die Behörden das Konzert plötzlich doch wieder verbieten.

„No Land’s Song“ ist ein kulturpolitischer Krimi, der nicht durch cineastische Finessen, sondern mit seiner ungefilterten Authentizität beeindruckt. Die Musikszenen kommen dabei vergleichsweise kurz weg, was man etwas schade finden kann, denn immerhin ist deutlich zu hören, dass Sara Najafi für ihr Projekt wirklich ein paar tolle Frauenstimmen versammelt hat. Man bekommt Lust auf mehr davon.


Einen Musikfilm im klassischen Sinne sollte man also nicht erwarten. Dafür bekommt man ein paar seltene Einblicke in die schwierigen Bedingungen, unter denen Kulturschaffende im Iran arbeiten. Und Sara Najafis unbeugsame Hartnäckigkeit ist von einer Art, die wirklich sehenswert ist und Mut macht.

„No Land’s Song“, Deutschland, Frankreich 2014; Regie und Buch: Ayat Najafi, Darsteller: Emel Mathlouthi, Jeanne Cherhal, Elise Caron, Parvin Namazi, Sayeh Sodeyfi; 91 Minuten