Das Thema:
In seiner Reportage begleitet der Journalist Wolfgang Bauer syrische Flüchtlinge auf ihrer gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer, die von dubiosen Schleppern organisiert wird. Er wartet mit den Flüchtlingen in ihren Verstecken, erzählt aus ihrem Leben, dokumentiert jeden Schritt ihrer Flucht. Und die verläuft dramatisch: Noch bevor sie ins Boot steigen, werden sie von konkurrierenden Schleusern entführt. Auch der Fluchtversuch scheitert. Nachdem das Boot von den Schleppern auf eine unbewohnte Insel gesteuert wurde, folgt die Verhaftung durch die ägyptische Küstenwache. Menschen, die häufig nur als Zahlen in der öffentlichen Diskussion auftauchen, bekommen in Bauers Buch eine Biografie.
Die These:
Das ungemein spannend erzählte Buch schließt mit den Worten „Habt Erbarmen“. Bauers Reportage ist eine leidenschaftliche Anklage gegen den Krieg in Syrien – und gleichzeitig ein Appell für eine humanitäre Flüchtlingspolitik, die nicht jeden Einzelfall prüft, sondern alle Fliehenden unbürokratisch aufnimmt, sofern diese sich verpflichten, nach Beendigung des Konflikts in ihrer Heimat wieder dorthin zurückzukehren.
Der Autor:
Wolfgang Bauer ist Journalist und arbeitet als Reporter für die Wochenzeitung “Die Zeit“. Für diese Reportage haben er und der Fotograf Stanislav Krupar sich als Flüchtlinge aus einer Kaukasus-Republik getarnt und in Ägypten einer Gruppe syrischer Flüchtlinge angeschlossen.
Wolfgang Bauer: „Über das Meer. Mit Syrern auf der Flucht nach Europa“; Suhrkamp, Berlin 2014, 133 Seiten, 14 Euro
Das Thema:
Der Bauingenieur Hanna lebt bereits seit Jahrzehnten in Essen. Er besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft und ist gut integriert. Geboren ist er in Syrien, nahe der türkischen Grenze. Seit Beginn des Krieges in seinem Heimatland hat er 270 Landsleute nach Deutschland geschleust; die meisten kommen aus seiner Geburtsstadt und deren Umgebung. Er organisierte ein landsmannschaftliches Netzwerk, um anderen Syrern in Not zu helfen. Als das Netzwerk auffliegt, wird Hanna vorgeworfen, Pässe gefälscht, Grenzbeamte bestochen und Geld über Staatsgrenzen hinweg verschoben zu haben.
Die These:
Stefan Buchen stellt die Frage, wo die Grenze zwischen der moralischen Pflicht zu helfen und organisierter Kriminalität verläuft. Der deutschen Justiz wirft er vor, dass sie Helfer unnötig kriminalisiere. Migrationspolitik dürfe in Kriegszeiten kein Teil der Sicherheitspolitik sein; Vorrang müsse haben, bedrohte Menschenleben zu retten. Werden Grenzen aber hermetisch abgeriegelt, vertrauen sich die verzweifelten Fliehenden mafiösen Schleuserbanden an.
Der Autor:
Stefan Buchen, Journalist beim ARD-Politikmagazin Panorama, wurde für seine investigativen Berichte und Dokumentationen mit dem Leipziger „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“ ausgezeichnet sowie vom Medium Magazin im Jahr 2011 zum Reporter des Jahres gekürt.
Stefan Buchen: „Die neuen Staatsfeinde. Wie die Helfer syrischer Kriegsflüchtlinge in Deutschland kriminalisiert werden“; Dietz-Verlag, Bonn 2014, 200 Seiten, 14,80 Euro
Das Thema:
Einwanderungspolitik sei eine Mischung aus viel Emotion und wenig Wissen, meint Paul Collier: Das Thema polarisiere stark, denn es sei ein sozialökonomisches Wespennest. Um die hitzige Debatte zu versachlichen, stellt er wirtschaftliche, aber auch sozialwissenschaftliche und moralphilosophische Fragen zu drei Themenbereichen: Was bedeutet Migration für die Migranten, was für die aufnehmenden Gesellschaften und was für die Staaten, aus denen sie kommen?
Die These:
Collier zufolge muss Migration in gelenkten Bahnen verlaufen. Deshalb plädiert er für eine durchaus restriktive Einwanderungspolitik in Zeiten zunehmender Migration. Offene Grenzen für jeden lehnt er ab, denn diese stellten vor allem für die entsendenden Staaten, meist Länder der „ärmsten Milliarde“ der Weltbevölkerung, ein Problem dar, weil sie durch eine massenhafte Auswanderung erheblich geschwächt würden. Zwei Dinge dürfe eine Einwanderungspolitik nicht vermischen: die Pflicht reicher Länder, armen Gesellschaften zu helfen, mit dem gleichzeitigen Recht auf freie Bewegung. Den Armen zu helfen sei eine moralische Pflicht; einigen von ihnen erlauben zu kommen, sei eine Möglichkeit der Hilfe. Ein allgemeiner freier Grenzverkehr könne daraus aber nicht abgeleitet werden.
Der Autor:
Paul Collier ist Professor für Ökonomie und Direktor des Centre for the Study of African Economies an der Universität Oxford. Er forscht seit vielen Jahren über die ärmsten Länder der Erde. Für große internationale Aufmerksamkeit sorgte zuletzt sein Buch aus dem Jahr 2008: „Die unterste Milliarde: Warum die ärmsten Länder scheitern und was man dagegen tun kann“.
Paul Collier: „Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen“; Siedler, Berlin 2014, 320 Seiten, 22,99 Euro
Das Thema:
Gerade mal 32 Seiten braucht Heribert Prantl, um mit der europäischen Flüchtlingspolitik der letzten 25 Jahre abzurechnen. Das „System Dublin“, das seit 1990 die Aufnahme von Asylbewerbern in der EU regelt, sei ein Elend, schreibt Prantl. Diesem System zufolge ist der Staat, den der Flüchtling auf seiner Flucht zuerst betritt, für das Asylverfahren und die Aufnahme zuständig. Das System, so Prantl, sei auch von Deutschland erfunden worden, um die Flüchtlinge möglichst auf die Randstaaten der EU abzuwälzen.
Die These:
Das System Dublin sei ein Fehler, erklärt Prantl: nämlich ein Aufruf zu möglichst brutaler Flüchtlingsabwehr; Europa sei zu einer Festung geworden, das Mittelmeer zu einem Friedhof. Und daher müsse das „System Dublin“ abgeschafft werden. Statt die Grenzen zu schützen, sollten die Flüchtlinge geschützt werden. Denn das gebiete die Menschlichkeit, sei aber auch wirtschaftlich sinnvoll. Eine gestaltende Flüchtlingspolitik müsse international gedacht werden, etwa durch Hilfe für Transitländer wie den Libanon, ein Land, in dem aktuell auf 4,5 Millionen Einwohner 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge kommen. Weiterhin wichtig: sichere Routen nach Europa und die Möglichkeit für Flüchtlinge, frei zu wählen, in welchem Land sie Asyl beantragen wollen.
Der Autor:
Heribert Prantl leitet das Ressort Innenpolitik bei der „Süddeutschen Zeitung“ und ist Mitglied der Chefredaktion. Er hat zahlreiche Leitartikel und Kommentare zur Flüchtlingspolitik verfasst.
Heribert Prantl: „Im Namen der Menschlichkeit. Rettet die Flüchtlinge“; Ullstein, Hamburg 2015, 32 Seiten, 3,99 Euro