fluter: Herr Aly, wann und warum ging es los mit der deutschen Judenfeindlichkeit?

Götz Aly: Der Begriff Antisemitismus kam im Jahr 1880 auf in bewusster Abgrenzung zum vorwiegend religiös motivierten Anti-Judaismus. Der Antisemitismus verstand sich als Reaktion auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen der Gegenwart. Damit wurde er für politische Parteien anschlussfähig – auch in der Demokratie.

Wurde der Begriff ganz normal benutzt?

Ja. So wie man heute sagt „Ich bin für Ökologie“ oder „Ich bin Veganer“, konnte man damals im Sinne einer anerkannten Haltung sagen: „Ich bin Antisemit.“ Und die hatte im späten 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert mit den einschneidenden sozialen und ökonomischen Veränderungen zu tun.

Damals gingen viele Menschen in die Städte, wo die Fabriken standen.

Die Juden verfügten über beachtliche Vorteile: Fast alle konnten lesen und schreiben, viele beherrschten mehr als eine Sprache und bevorzugten das städtische Leben. Dort lockten wirtschaftliche Chancen, Gymnasien und Universitäten für die Kinder, die diese dank ihres besseren intellektuellen Trainings nutzen konnten, während die christlichen Altersgenossen erst einmal den weit verbreiteten Analphabetismus überwinden mussten.

Warum waren die Juden damals gebildeter?

Zur jüdischen Kultur gehörte schon immer die Bildung. Die Gesetze fordern die Fähigkeit des Lesens, damit jeder für sich die religiösen Schriften streitig auslegen kann. Anders als in christlichen Familien sagten jüdische Eltern niemals „Lesen verdirbt die Augen“. Hinzu kamen die Erfahrungen jahrhundertelanger Verfolgung. Bildung ist transportabel, die kann man nicht enteignen. Der Vorsprung an Bildung und Bildungswillen führte zu wirtschaftlichen Vorsprüngen, zu erheblich schnellerer sozialer Aufwärtsmobilität. Vor 1914 waren die deutschen Juden im Schnitt wohlhabender als die christliche Mehrheit. Das zeigen die Steuerstatistiken.

Wieso kamen die Christen nicht nach?

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schritt die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland schleppend voran, verglichen mit England, Belgien oder auch Teilen Frankreichs. Ich interpretiere das als Spätfolge der napoleonischen Kriege und der territorialen Zersplitterung. Doch ab 1860 verlief die industrielle Entwicklung doppelt so schnell wie in England, zumal in der Gründerzeit. Da hatten die Juden ungeheure Chancen. In Berlin gab es bei einer Million Einwohnern fünf Prozent Juden. Und 65 Prozent der jüdischen Kinder machten einen höheren Abschluss, während die Christen bei fünf Prozent verharrten. Die Juden bildeten eine eifrige, klug wirtschaftende Minderheit.

Und das schuf Neid?

Neid entsteht in der sozialen Nähe. Sobald die Zurückgebliebenen aufholen, wächst der Neid, weil die besseren gesellschaftlichen Positionen auch für sie erreichbar werden. Deswegen vergrößerten sich die Spannungen in der Weimarer Zeit. Infolge des Ersten Weltkriegs und der Inflation verloren viele Juden ihr Vermögen. Parallel dazu bewirkte die soziale Mobilisierung des Krieges und die gute Bildungspolitik der Weimarer Republik, dass sich die Zahl der Abiturienten verdreifachte, die Zahl derer, die mit mittleren Abschlüssen vorankommen wollten, stieg noch mehr.

Die sozialen Milieus gerieten in Bewegung.

Diese soziale Beweglichkeit in den 1920er-Jahren wird bis heute bewundert. Jedoch erhöhte die – mit Recht politisch erwünschte und geförderte – soziale Dynamik auch die Gefahr des Absturzes. Der Kampf um die gesellschaftlichen Positionen wurde härter. Deutlich lässt sich das an den Universitäten ablesen: Die Nationalsozialisten eroberten die Mehrheiten dort wesentlich früher als in den anderen Milieus der deutschen Gesellschaft.

Wieso entfaltete sich der Hass zuerst an den Unis?

Aus den christlichen Familien studierten überwiegend junge Leute, die noch ohne Bücher aufgewachsen waren, sich in der akademischen Welt und den entsprechenden Berufen nur tastend zurechtfanden. In dieser Situation tanzten hochgebildete, schlagfertige, leicht lernende Juden vor ihnen herum. Deshalb galten diese als „vorlaut“, „oberflächlich“, „hämisch“ und „frech“, während die Studenten der christlichen Mehrheit ihre Langsamkeit als „tiefsinnig“ und „gefühlvoll“ deuteten und sich in deutschtümelnden Kollektiven wohler fühlten als im individuellen Leistungswettbewerb. Wenn sie schon als Individuen nicht überlegen waren, dann wenigstens als Angehörige einer angeblich herausragenden völkischen Gemeinschaft oder Rasse.

Der nationalliberale Historiker Heinrich von Treitschke prägte 1879 den Satz „Die Juden sind unser Unglück“, den sich später das nationalsozialistische Hetzblatt „Der Stürmer“ zu eigen machte.

Treitschke formulierte diesen Satz als Frage, die sich immer mehr christliche Deutsche stellen würden. Er beantwortet sie auch und zwar so: Die ostjüdischen Zuwanderer kämen als „Schar strebsamer hosenverkaufender Jünglinge“ über die Grenze und deren „Kinder und Kindeskinder“ würden „dereinst Deutschlands Börsen und Zeitungen beherrschen“. Treitschke, aber auch die antisemitischen Führer Wilhelm Marr und Adolf Stoecker thematisierten ständig den in der damaligen Zeit weit überdurchschnittlichen Aufstiegserfolg der Juden.

Wurden die Ressentiments in der Bevölkerung propagandistisch ausgeschlachtet?

Der protestantische Pfarrer Stoecker sprach in seinen Propagandareden und -schriften immer wieder vom „unheilvollen“ Aufstiegswillen der Juden. Das klang dann so: Sie müssen „Schneider und Schuhmacher, Fabrikarbeiter und Diener, Mägde und Arbeiterinnen werden“; gelinge das nicht, würden sie, „je länger, je mehr Arbeitgeber werden, dagegen die Christen in ihrem Dienste arbeiten und von ihnen ausgebeutet werden“. So verdeckten Antisemiten ihren Neid und ihr Phlegma. Neid darf man sich nicht eingestehen, sonst würde man das eigene Unvermögen bekennen. Deshalb entwickelt der Neider stets tarnende und selbstgnädige Hilfskonstruktionen: Er klassifiziert den Beneideten als niedrig, hinterhältig, oberflächlich oder unredlich. Auf diesem geistigen Boden entstanden die Ressentiments, die den modernen Antisemitismus kennzeichnen.

Wie wesentlich ist die Rassentheorie für die Propaganda?

Die Rassentheorie entwickelten Briten und Franzosen, und sie diente dem politischen und ökonomischen Zweck, Sklaven, Plantagenarbeiter und die Bevölkerungen in den Kolonien von den schon zur Norm gewordenen Allgemeinen Menschenrechten auszuschließen.

Wie bekam man das zusammen?

Joseph Arthur de Gobineaus „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“ von 1853 bewies, dass die nicht aus Europa stammenden Menschen keine gleichberechtigten Menschen seien. Das Werk wurde sofort ins Englische übersetzt und fand vor allem im Süden der USA reißenden Absatz. Die Sklavenhalter dort empfanden das Werk als ein Geschenk des Himmels, das wissenschaftlich bewies, dass „der Neger“ kein richtiger Mensch sei. Das war zweckgebundener Rassismus.

War das für die Deutschen der Anlass, Juden als Untermenschen abzustempeln?

Auch in dieser Hinsicht war Deutschland eine verspätete Nation. Die Deutschen übersetzten Gobineaus Werk erst 50 Jahre später. Die wirtschaftliche Ausbeutung von Kolonien interessierte sie wenig und erst sehr spät. Die Deutschen verwendeten die Rassentheorie anders: Sie richteten sie gegen konkurrierende Minderheiten im eigenen Land.

Gegen Slawen und dann vor allem gegen Juden.

In Deutschland blühte ein Rassismus, der die Minderwertigkeitsgefühle der christlichen Mehrheit ansprach. Mit Gobineau wurde behauptet, die (christlichen) Deutschen gehörten einer besonders edlen „germanischen Rasse“ an. So entstand in Deutschland ein spezieller, kollektivistischer, wegen des Neides vielfach verborgener Judenhass. Es gab im 19. Jahrhundert keine Pogrome. Mehrheitlich fanden es die Deutschen aber wünschenswert, dass diese vorlauten, sich angeblich vordrängelnden Juden einen Dämpfer bekommen sollten. Genau diese Aufgabe übertrugen sie 1933 dem nationalsozialistisch geführten Staat. Dabei war der Antisemitismus keine Spezialität der NSDAP-Wähler, er integrierte sozialdemokratische und auch katholische Wähler. Den Kommunisten galten Juden nicht selten als Kapitalisten, Bürger oder Kleinbürger, die den Interessen der Arbeiter schaden würden.

Das eine waren die Parolen, das andere die Taten. Wie wichtig war die Propaganda der Tat?

1933 bis 1945, zwölf Jahre, davon gehörten die ersten beiden Jahre der Konsolidierung, die letzten zwei der Abwicklung, macht acht Jahre im Kern. Das ist geschichtlich eine Sekunde und selbst lebensgeschichtlich kurz. In dieser Zeit entfesselte die nationalsozialistische Regierung Deutschlands einen Krieg mit 50 Millionen Toten und beispiellosen Massenmorden. Und das alles ließ sich mit einem verhältnismäßig normalen, überwiegend gesitteten Volk veranstalten.

Wie kann man diese negative Energieentladung erzeugen?

Totalitarismus, Geschwindigkeit, national-soziale Utopie und Krieg bildeten die entscheidenden Elemente. Die Leute wurden im Dritten Reich dauernd in Atem gehalten. Täglich fielen Entscheidungen, wurden neue Gesetze verkündet, Aktionen gestartet, Massenversammlungen und Feierlichkeiten organisiert. Man wusste nicht, was der Führer demnächst tun würde, aber man wartete darauf in Hochspannung: Plötzlich schloss er Österreich an, ließ nach einer inszenierten, dramatisch erscheinenden Krise das Sudetenland besetzen, dann Memel und Prag. Ständig wurden die Deutschen der durchaus prickelnden Spannung Krieg oder Frieden ausgesetzt, Zukunft oder Untergang. Das Leben kam ihnen vor wie im Kino.

Eine Mischung aus Angst und Rausch?

Die Regierung Hitler verstand es, das Riesenkollektiv „Herrenvolk“ in ständig beschleunigter Bewegung zu halten. Man durfte erstmals zum Urlaub an die Ostsee, gleichzeitig wurde der Sohn zum Militär eingezogen, dann lief der Krieg zuerst wie ein Sonntagsspaziergang. Überall erstrahlte nur das Größte und Schönste, ein Sieg jagte den anderen, neue Waffen stärkten die Siegesgewissheit. Die Soldaten schrieben begeisterte Briefe nach Hause, gingen in Paris ins Bordell und schickten ihren Bräuten Schweineschinken und Spitzenunterwäsche.

Wie wichtig war es für die Verbreitung der nationalsozialistischen Propaganda, die neuen Massenmedien einzusetzen wie etwa das Radio oder den Film?

Der Nationalsozialismus hat in den bildenden Künsten oder in der Literatur nichts Bleibendes hinterlassen, sehr wohl aber im Kino. Da sind Filme entstanden, die bis heute funktionieren. Mit großem Aufwand hergestellt, stilistisch großartig.

Wie die Filme von Leni Riefenstahl über die Olympischen Spiele von 1936 oder die Parteitage der NSDAP.  

Oder auch der „Euthanasie“-Film „Ich klage an“. Mit leichten Retuschen könnten Sie den auch heute zeigen, und die Leute würden die Vorstellung mit denselben Gedanken verlassen, die Joseph Goebbels ihnen 1941 auf sanfte Weise einträufeln wollte und konnte.

Mit dem Gefühl, dass man Behinderte umbringen sollte?

Nicht derart grob, sondern mit dem widersprüchlichen Gefühl, dass die damals so bezeichnete „Lebensunterbrechung“ schwer behinderter oder leidender Menschen eine komplizierte moralische Frage sei, die im Sinne der Leidenden neu diskutiert werden müsse, und zwar unter den Stichwörtern „Selbstbestimmung über den eigenen Tod“ und „Erlösung Schwerbehinderter und -kranker“.

Welchen Stellenwert hatte für die Propaganda die seichte Unterhaltung? Also die Ablenkung von der Politik und später auch vom Grauen des Krieges?

Das gehörte essenziell dazu. Die Pflege der Musik, der systematische Neubau von Theatern und Stadien, begleitet von einer Propaganda, die in ihrer geschickten und modernen Art unterschätzt wird. Heutige Gedenkstätten und Schulbücher zeigen meistens die primitivsten Varianten der antijüdischen Propaganda und die Blut- und Bodenverherrlichung.

Die Fackelmärsche, das Germanische.

Das gab es auch, aber nicht nur. Das Fluffige, die Wohlfühl- Propaganda stand im Vordergrund, spezialisiert auf bestimmte Konsumentengruppen und unterschiedliche Geschmacksrichtungen. „Das Reich“, eine 1940 von Goebbels gegründete Wochenzeitung, wurde 1946 zum grafischen Vorbild für „Die Zeit“. Die Modezeitschrift „die neue linie“ zeigte Fotostrecken mit sehr schicken Frauen. Das war keine Brutal-Propaganda.

Kann man sagen, dass banale Sachen hochgejauchzt und Brillantes wie die moderne Kunst runtergemacht wurden?

Das Credo lautete: Ihr, verehrte echtdeutsche Volksgenossinnen und Volksgenossen seid die Größten, die Schönsten, Kräftigsten, Begabtesten, euch gehört die Zukunft. Alles, was uns auf diesem manchmal beschwerlichen und Opfer erfordernden Weg zum nationalen Sonnenstaat stört, hat zu verschwinden. Dazu zählte das angeblich Zersetzende, Fremde und Unharmonische.

Aber von da ist der Schritt zu den Konzentrations- und Vernichtungslagern doch noch sehr groß. Wie bringt man einem Volk bei, dass auch das eine Lösung sei?

Das war kein einfacher Weg. Die wichtigste Voraussetzung dafür muss in der Ausnahmesituation Krieg gesucht werden. Er reduzierte die moralischen Normen schnell. Der Krieg ermöglichte die Identifikation des Judentums mit den Feinden. Hinfort galten Juden als besonders hinterhältige, im Inneren und oft verborgen wirkende Feinde. Da sie als „nicht wehrwürdig“ galten, war es nur ein kurzer, für die damalige deutsche Öffentlichkeit weithin verständlicher Schritt, die Juden zum angeblichen „Arbeitseinsatz nach Osten“ zu deportieren.

Und je mehr davon profitierten, desto selbstverständlicher wurde das.

Mit dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion ging es für die Deutschen um Leben und Tod. In diesem Moment hatten die Naziführer Brücken zur Umkehr abgebrochen. Von nun an nutzten sie die Politik des Verbrechens als Mittel zur innenpolitischen Festigung. Thomas Mann hat das im November 1941 in einer seiner Rundfunkreden genau beschrieben: „Das Unaussprechliche, das in Russland mit den Polen und Juden geschehen ist und geschieht, wisst ihr. Ihr wollt es aber lieber nicht wissen aus berechtigtem Grauen vor dem ebenfalls Unaussprechlichen, dem ins Riesenhafte gewachsenen Hass, der eines Tages, wenn eure Volks- und Maschinenkraft erlahmt, über euren Köpfen zusammenschlagen muss. Ja, Grauen vor diesem Tag ist am Platz, und eure Führer nutzen es aus.“

Mitgefangen, mitgehangen.

Die NS-Führung verfuhr nach den Prinzipien einer kriminellen Organisation: Leute abhängig machen, ihnen kleinere oder größere Vorteile verschaffen, ihnen die Möglichkeit zur Umkehr versperren, sie derart an sich zu binden, dass der sogenannte Endsieg als der einzige, das eigene Überleben sichernde Weg erscheint. Dazu gehörte es, angebliche Verräter in den eigenen Reihen und Feinde gnadenlos zu verfolgen und zu töten.

Nach dem Krieg sagten viele, sie seien Verführte gewesen.

In dieser massenhaften Ausrede steckt auch etwas Wahres. Die Geschwindigkeit, mit der eine Aktion der anderen folgte, Siege errungen wurden und dann Niederlagen prasselten, nahm vielen Deutschen die Besinnung. Die Verbrechen wurden arbeitsteilig begangen. Sie galten als Geheimnis. Das bedeutet aber nur eines: Weil man von den Erschießungen und Vergasungen Hunderttausender Menschen nichts wissen durfte, brauchte man es nicht zu wissen, und vermied so die Belastung des eigenen Gewissens. Die damaligen Deutschen betrachteten das Ende als Zusammenbruch, als Katastrophe. Voller Angst warteten sie darauf, dass die Sieger all das rächen würden, was 18 Millionen Landser, SS-Männer und Besatzungsbeamte den Völkern Europas und den Juden angetan hatten. Blutjunge Wehrmachtsoldaten, die 1945 in Gefangenschaft gerieten, zur Desinfektion und zum Duschen geführt wurden, wussten plötzlich ganz genau: „Jetzt werden wir vergast.“ Das heißt: Viele hatten ein schlechtes Gewissen.

Was lernt man aus dem früheren Antisemitismus für heute?

Wir lernen aus dem Dritten Reich nur wenig für die Gegenwart, die ist immer anders. Thilo Sarrazin zum Beispiel liebt die zuwandernden Juden ausdrücklich wegen ihrer Intelligenz. Den in linken, liberalen und rechten Kreisen gepflegten Antizionismus interpretiere ich als Schuldabwehr. Diese Art des Ressentiments gründet notwendigerweise auf anderen Ursachen als der Antisemitismus vor 1945 und nutzt andere Ausdrucksformen als der gegen Flüchtlinge gerichtete Rassismus. In der ubiquitären, auch staatlichen Ignoranz gegenüber den deutschen Kriegsverbrechen in den besetzten Teilen der Sowjetunion lebt meines Erachtens die alte deutsche Geringschätzung gegenüber Slawen fort. Wieder anders verhält es sich mit der unter muslimischen Zuwanderern anzutreffenden Judenfeindschaft. Dann gibt es den kleinen Rassismus, den man auch als elterliche Fürsorge bezeichnen kann, in der eigenen mittelständischen, sich für aufgeklärt haltenden Familie: Sowohl in meiner Familie als auch in meinem Bekanntenkreis achten viele darauf, dass in den Kindergärten und Schulen, die sie für ihre Kinder aussuchen, nicht zu viele Achmeds und Ayşes sind. So gesehen erscheint es mir auch falsch, einfach zu behaupten: Rassisten sind immer nur die anderen.

Götz Aly ist Historiker und Journalist. Sehr lesenswert ist sein Buch „Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800–1933“, das im Fischer-Verlag erschienen ist. Zuletzt erschien seine große Studie über die europäische Geschichte von Antisemitismus und Holocaust: „Europa gegen die Juden 1880–1945“.