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500 Euro für mich und meine Bildung

Bald sollen die Schulen eine kräftige Finanzspritze erhalten, um Computer und WLAN anzuschaffen. Aber sorgt der Digitalpakt für besseren Unterricht? Meinung eines Betroffenen

Digitalpakt
 

„Schaut mal nach, wie man eine Rede interpretiert“, sagt der Lehrer. Ich hole also mein Smartphone raus, tippe das Gefragte ein – und es lädt eine gefühlte halbe Stunde. In den alten Mauern der Schule habe ich kaum Empfang. Und das WLAN ist nur für Lehrer gedacht. Einen Schulcomputer zu benutzen, ist keine Option. Schon beim Öffnen des Browsers habe ich Angst, dass der Brocken aus der Steinzeit überfordert sein könnte und die Schreckens-Nachricht erscheint: keine Rückmeldung.

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(GIF: Victor Estrada)

In Deutschlands Schulen des 21. Jahrhunderts sind solche Geschichten Normalität. Der Digitalpakt soll diese Probleme lösen. Der Bund möchte den Bundesländern in den kommenden fünf Jahren fünf Milliarden Euro zur Digitalisierung der Schulen zur Verfügung stellen. Das Geld soll nach dem sogenannten „Königssteiner Schlüssel“ an die Bundesländer verteilt werden, also nach Steueraufkommen und Bevölkerungszahl. In ihrem Bundesland können die insgesamt rund 40.000 Schulen die Gelder dann beantragen. 

Pro Schule wären das rechnerisch gut 125.000 Euro. Sie sollen damit vor allem Hardware anschaffen: Tablets, Computer, Whiteboards, WLAN. Aber reicht das?

 „Und dann erklärte uns der Lehrer, wie man ein Word-Dokument öffnet“

Es klingt nach viel Geld. Doch die Geräte altern schnell und stehen schon bald wie der alte Windows-XP-Rechner oder der OH-Projektor in der Ecke. Es ist gut, dass auch wir Schüler bald WLAN haben werden. Das Problem am Digitalpakt ist aber, dass es kein Geld gibt, um die Geräte zu warten oder einen Systemadministrator unbefristet einzustellen. Außerdem brauchen wir mehr Lehrerinnen und Lehrer, die sich mit der Technik auskennen und damit richtig guten Unterricht machen.

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mitja eschweiler

Mitja Eschweiler, 17 Jahre, geht in Berlin zur Schule. Gerade macht er ein Praktikum in der fluter.de-Redaktion

Damals im ITG-Unterricht haben eher wir den Lehrer unterrichtet als der Lehrer uns. Das einzige, woran ich mich erinnern kann: wie wir den Sensor der Maus mit Tesafilm überklebt haben, während unser Lehrer uns vorgeführt hat, wie man ein Word-Dokument öffnet. 

Ein funktionierendes Whiteboard, Beamer im Klassenraum und neue Lern-Apps – das ist bestimmt hilfreich für den Schulalltag. Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie die Technik den Unterricht revolutionieren soll. Die Lehrer werden uns leichter ein Lernvideo vorführen können oder auffordern, etwas auf eigene Faust zu recherchieren. Am Ende geht es aber um sie: die Lehrer. Sie müssen gut ausgebildet sein, um die teure Technik richtig einzusetzen. Ich finde den Unterricht gut, in dem ich wirklich das Gefühl habe, etwas zu lernen. Das klingt strebermäßig, aber es ist doch so: Egal, ob ich auf einem Tablet rumdrücke oder mir mit dem alten Bleistift Notizen mache – der Unterricht muss einfach gut gemacht sein. Die Technik kann helfen, muss aber nicht.

Warum gab es um den Digitalpakt so viel Diskussion?

Fünf Milliarden Euro vom Bund für Deutschlands Schulen – das geht nicht so einfach, wie es klingt. Für Konflikt sorgte der Grundsatz, dass Bildungspolitik in Deutschland Ländersache ist. Der Bund darf sich nicht direkt in Schule und Hochschule einmischen. Im Bundesrat hatten daher einige Bundesländer bedenken. Für eine solche Kooperation von Bund und Ländern muss das Grundgesetz geändert werden. Ein erster Entwurf sah außerdem vor, dass die Länder die Investitionen zur Hälfte mitfinanzieren müssen. Finanzschwache Bundesländer hatten Bedenken. Doch der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag einigte sich diese Woche auf einen neuen Text, der diese Klausel nicht mehr enthält. Dem hat das Parlament am Mittwoch mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit zugestimmt, 574 Ja-Stimmen zu 74 Nein-Stimmen. Am 15. März ist nun der Bundesrat dran, über den Digitalpakt zu entscheiden. Für eine Grundgesetzänderung ist auch hier eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Eine Zustimmung gilt nach dem neuen Kompromiss als sehr wahrscheinlich.

Titelbild: Corbis/Kontributor

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