Was ist eigentlich der Generationenvertrag?
Um im Alter Rente zu beziehen, zahlt die Generation, die im Berufsleben steht, monatlich in eine Rentenkasse ein – dazu verpflichtet sie das Gesetz. Beamte und bestimmte Selbstständige sind davon jedoch ausgenommen. Das Geld wird dort aber nicht für später angespart, sondern direkt als Rente an die Menschen, die gerade im Ruhestand sind, weitergegeben. Die Generationen finanzieren sich also gegenseitig. Das nennt man den „Generationenvertrag“.
Und wo ist das Problem?
Die Rechnung klingt plausibel und ging auch lange auf. Das Problem lautet aber: demografischer Wandel. Die Bevölkerung in Deutschland wird nämlich immer älter, die Lebenserwartung steigt. Gleichzeitig werden weniger Menschen geboren. Deswegen müssen immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner finanzieren. 2013 haben 100 Erwerbstätige 34 Rentenempfänger finanziert, 2060 werden es schon 65 sein, fast doppelt so viele. Einer von drei in Deutschland Lebenden ist dann im Ruhestand.
Wie kann man das Problem lösen?
Wer heute geboren wird, muss länger arbeiten – bis 2029 wird das Renteneintrittsalter schrittweise angehoben. Alle, die nach 1964 geboren sind, können mit 67 in den Ruhestand gehen. Früher lag es schon mal bei 60 Jahren. Noch eine Möglichkeit, auf die demografischen Veränderungen zu reagieren, ist die Senkung des sogenannten Rentenniveaus, also das Verhältnis von Standardrente zu Durchschnittseinkommen. 2030 wird die Rente voraussichtlich nur noch bei 44,3 Prozent des durchschnittlichen Jahresgehalts liegen. Vor 15 Jahren lag das Rentenniveau noch bei 52,9 Prozent.
Und was, wenn’s nicht reicht?
Da ist es wieder, das Schreckgespenst „Altersarmut“. Besonders problematisch wird es im Ruhestand für Geringverdiener: Sie haben im Arbeitsleben meist kaum Geld übrig, um fürs Alter etwas anzusparen.
Wer sein ganzes Erwerbsleben hindurch 8,84 Euro pro Stunde verdient, hat nach 45 Arbeitsjahren Anspruch auf gerade mal 668 Euro Rente – vor Steuern
Dann springt der Staat mit der Grundsicherung ein – eine Sozialleistung, die aus Steuermitteln finanziert wird. Sie soll ein menschenwürdiges Leben über dem Existenzminimum ermöglichen. Als Faustregel gilt: Wenn das gesamte Einkommen unter 823 Euro liegt, hat man mit hoher Wahrscheinlichkeit Anspruch auf Grundsicherung. Hierzu eine kleine Rechnung: Wer sein ganzes Erwerbsleben hindurch den Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro pro Stunde verdient, hat nach 45 Arbeitsjahren Anspruch auf gerade mal 668 Euro Rente – vor Steuern. Der Staat zahlt nur dazu, was zur Grundsicherung noch fehlt, wenn man selbst nicht genug sparen konnte.
Und was heißt das jetzt für die junge Generation, die gerade erst ins Arbeitsleben startet – Rente mit 75 oder gar keine Rente?
Wirklich sichere Prognosen gibt es nicht, denn zu viel ist unklar: Wird die Bevölkerungszahl steigen? In welcher Form gibt es die Rente in 50 Jahren überhaupt noch? Wie lange werden wir in Zukunft arbeiten? Sicher ist nur, dass wir uns nicht allein auf die Rente verlassen können. Außerdem bleibt von der Rente weniger übrig. Ab 2040 wird die nämlich vollständig versteuert und nicht mehr nur zu 74 Prozent wie heute. Vielleicht bekommen wir aber auch keine Rente, wenn wir alt sind, sondern ein bedingungsloses Grundeinkommen. Also „Geld für alle“ vom Staat, ohne Gegenleistung, zur Sicherung des Existenzminimums. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte beispielsweise auf einer Finanzierung basieren, die auch die Wertschöpfung von Robotern miteinbezieht, sagt der Ökonom Thomas Straubhaar. Alle, die Einkommen erwirtschaften, zahlen dann gleichermaßen Steuern, auch die Eigentümer der Roboter. Auch die Sozialversicherungspflicht entfällt – das Grundeinkommen erhalten alle, nicht wie heute, wo nur diejenigen eine gesetzliche Rente bekommen, die vorher Sozialabgaben geleistet haben.
Produktivitätsfaktor schlägt Demografie?
Wenn die Anzahl der Rentner wächst, muss das Rentenniveau sinken. Aber ist das wirklich der einzige Weg? Schließlich hat sich der Anteil der Rentner im letzten Jahrhundert mehr als verdreifacht, die Rente aber ist in diesen 100 Jahren immer nur gestiegen. Was stimmt also nicht an der These vom demografischen Wandel? Ganz einfach: Der Produktivitätsfortschritt unserer Gesellschaft wird gar nicht beachtet – dabei werden wir immer effizienter.
Vielleicht wird die Rente bald durch ein bedingungsloses Grundeinkommen ersetzt
Zum Beispiel durch die Arbeit am Fließband: Autos, Nähmaschinen oder ganze Flugzeugcockpits werden immer schneller und billiger hergestellt. Der Finanzmathematiker Gerd Bosbach hat ausgerechnet: „Beträgt der Produktivitätsfortschritt in den nächsten 50 Jahren durchschnittlich nur ein Prozent – und das ist eine sehr pessimistische Prognose für unsere Wettbewerbswirtschaft –, so würden im Jahr 2060 in jeder Arbeitsstunde zwei Drittel mehr als heute hergestellt.
Damit wäre ein Arbeitnehmer in der Lage, seinen Anteil für die gesetzliche Rente auf 20 Prozent zu verdoppeln und hätte trotzdem noch fast 50 Prozent mehr in der Tasche.“ Die Digitalisierung könnte in Zukunft für große Produktivitätssprünge sorgen – und so unsere Rente sichern.
Was kann ich jetzt schon für meine Rente tun?
So spießig es auch klingt, die Devise lautet erst mal: sparen! Vielleicht wird die Rente bald durch ein bedingungsloses Grundeinkommen ersetzt. Sicher ist aber: Irgendwann erreicht jeder das Alter, in dem er auf die Rente angewiesen ist. Bis dahin sollte man aber nicht warten, um sich Gedanken über den eigenen Ruhestand zu machen – den Generationenvertrag kann man nämlich nicht einfach kündigen.
Titelbild: Adelaide Ivánova