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Immer wieder Midterms

Zwischen zwei Präsidentschaftswahlen liegt in den USA eine Halbzeitwahl. Die kann einiges durcheinander wirbeln – besonders diesmal

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Worum geht es bei den Midterms?

Um die Zusammensetzung der beiden Kammern des Kongresses in Washington: Senat und Repräsentantenhaus. Der Senat hat insgesamt 100 Mitglieder (zwei aus jedem Bundesstaat), von denen alle zwei Jahre rund ein Drittel zur Wahl steht. Wer sich dort durchsetzt, hat eine Amtszeit von sechs Jahren vor sich. Das Repräsentantenhaus dagegen, das aus 435 Mitgliedern besteht und entsprechend der Bevölkerungszahl der Bundesstaaten aufgestellt ist, wird alle zwei Jahre komplett neu bestimmt, also auch 2022 wieder.

Darüber hinaus werden in 36 Staaten die Gouverneure und fast überall in den USA die jeweiligen Landesparlamente neu gewählt. Bei den lokalen Wahlen geht es um wichtige Posten, von Justizministern bis zu Schulbeiräten. Zu guter Letzt stehen an zahlreichen Orten auch themenspezifische Volksbegehren an, bei denen es beispielsweise um Abtreibungsrechte oder die Entkriminalisierung von Drogen geht.

Warum sind die Halbzeitwahlen so wichtig?

Sie entscheiden, welche Politik in den kommenden Jahren möglich ist. Der Senat ist derzeit zwischen Demokraten und Republikanern 50:50 aufgeteilt, bei einem Gleichstand bei Abstimmungen kann aber Vizepräsidentin Kamala Harris mit ihrer Stimme den Demokraten eine hauchdünne Mehrheit verschaffen. Auch das Repräsentantenhaus wird von der Demokratischen Partei mit knapper Mehrheit angeführt. In beiden Kammern ist ein Machtwechsel möglich. Wissen sollte man dazu: Der Präsident in den USA verfügt zwar über Exekutivrechte, mit denen er manche Dinge im Alleingang entscheiden kann – strukturell bedeutende Veränderungen kommen aber fast alle über den Kongress zustande. Sollten die Republikaner also eine oder gar beide Kammern gewinnen, kann man sich auf eines einstellen: dass Joe Biden und seine Partei es schwer haben werden, in den kommenden Jahren große Reformprojekte durchzusetzen.

Sind die Midterms in diesem Jahr wichtiger als sonst?

Vieles spricht dafür. Und das liegt vor allem daran, dass manche Republikaner eine antidemokratische Politik verfolgen. In einigen Bundesstaaten geht es rechtsradikalen Republikanern nicht nur darum, Mehrheiten zu gewinnen, um entsprechende Gesetze verabschieden zu können. Sie sind auch dabei, demokratische Mechanismen abzubauen, um so den politischen Gegner lahmzulegen.

Wie zum Beispiel?

Seit der Wahl 2020 wurden in von Republikanern regierten Bundesstaaten insgesamt 56 neue Gesetze erlassen, die die Teilnahme an Wahlen erschweren. In manchen Fällen sind die vorzeitige Stimmabgabe und Briefwahl eingeschränkt. In anderen Fällen werden Wahlberechtigte kurzfristig und oft aus kaum nachvollziehbaren Gründen von den Listen genommen. Dazu kommen absurde Restriktionen: In Georgia beispielsweise ist es verboten, den Leuten vor dem Wahllokal Wasser zu reichen, selbst wenn sie dort stundenlang anstehen müssen.

Werden die Wahlen nicht beaufsichtigt?

Doch. Bei diesen Midterms ist deshalb auch die Wahl der Secretaries of State – vergleichbar mit den deutschen Innenministern – wichtig. Sie überwachen in den einzelnen Bundesstaaten die Wahlvorgänge. Je mehr dieser Posten von antidemokratischen Kandidaten besetzt werden, desto unsicherer werden zukünftige Wahlen. Wie das aussieht, konnte man schon 2020 beobachten, als Bidens Sieg von vielen rechten Kräften nicht anerkannt und aggressiv angefochten wurde. Über die Hälfte der diesjährigen republikanischen Kandidaten verbreitet weiterhin die Lüge, dass Donald Trump die Wahl gestohlen worden sei.

Und worum geht es inhaltlich?

Als der Oberste Gerichtshof Ende Juni das landesweite Abtreibungsrecht kippte, sah es kurz so aus, als könnte dieses Thema auch die Midterms dominieren. Seit Monaten aber sagen nahezu alle Umfragen, dass die Wirtschaftslage und insbesondere die gestiegenen Lebenshaltungskosten für die Bevölkerung die wichtigsten Themen sind. Eigentlich nur logisch: Wer sich Miete und Essen nicht mehr leisten kann, wird über wenig anderes nachdenken. Das ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass die skizzierten möglichen Bedrohungen für die Demokratie für viele Menschen keine Priorität haben. Das Gleiche gilt für Außenpolitisches und Klimafragen.

Welche Rolle spielt Donald Trump?

Weiterhin eine sehr große. Das wird schon dadurch deutlich, dass sich alle in der Republikanischen Partei – von konservativ bis rechtsextrem – zu ihm verhalten müssen. Bist du für oder gegen Trump? Das ist die Gretchenfrage. Der Ex-Präsident tourt derweil seit Monaten durch das Land, um „seine“ Leute zu unterstützen. Sollten die meisten der „Make America Great Again“-Kandidaten gewinnen, geht Trump gestärkt aus den Midterms heraus. Verliert das MAGA-Lager , werden sich die Funktionäre der Republikaner wohl überlegen, ob sie für 2024 besser auf einen anderen Kandidaten setzen.

Was sagen die Prognosen?

Häufig verliert die Partei, die den aktuellen Präsidenten stellt, bei den Midterms Sitze. Darauf läuft es wohl auch in diesem Jahr hinaus. Als sehr wahrscheinlich gilt, dass das Repräsentantenhaus an die Republikaner gehen wird. Um die Kontrolle im kommenden Senat ist das Rennen offener, wobei auch hier die Republikaner nach Umfragen mittlerweile knapp vorne liegen. Dafür spricht auch, dass Joe Biden im Vergleich zu früheren Präsidenten geringe Zustimmungswerte hat – sie lagen zuletzt bei nur rund 40 Prozent. Auch unter registrierten Demokraten hat Biden seit Amtsantritt spürbar Unterstützung verloren, vor allem bei jungen Wählenden.

Und was passiert nach den Midterms?

Behalten die Demokraten wider Erwarten die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses, liegt es an ihnen, in den kommenden zwei Jahren substanzielle Veränderungen auf den Weg zu bringen. Wirtschafts- und Klimapolitik haben womöglich Vorrang. Gewinnen die Republikaner, droht ein ständiger „deadlock“: Jedes Gesetzesvorhaben könnte theoretisch geblockt werden.

Dazu stellt sich nicht nur bei den Republikanern die Frage nach dem sogenannten „Frontrunner“, also einem neuen, verheißungsvollen Präsidentschaftskandidaten. Sondern auch bei den Demokraten. Tritt Biden, der am Ende einer zweiten Amtszeit 86 Jahre alt wäre, nochmal an? Und falls nicht: Wer sonst?

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