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Er löst Probleme: Conrad Brean an der Seite von Präsidentberaterin Winifred Ames (Anne Heche) (Foto: Mary Evans Picture Library/picture-alliance)

Er löst Probleme: Conrad Brean an der Seite von Präsidentberaterin Winifred Ames (Anne Heche)

(Foto: Mary Evans Picture Library/picture-alliance)

Barry Levinsons „Wag the Dog“, gefüttert mit den brillanten Dialogen von David Mamet, ist eine wahnwitzige Satire auf die Manipulierbarkeit von Politik, Medien und Öffentlichkeit. Wahrheit ist relativ oder, noch pragmatischer: das Ergebnis jener Fiktion, die sich am Ende durchsetzt. Unter der Regie des Hollywood-Produzenten Stanley Motss (Dustin Hoffman) wird ein texanisches Mädchen (Kirsten Dunst) als albanischer Flüchtling verkleidet, ihr brennendes Dorf und ein süßes Kätzchen werden per Computer hinzugefügt (siehe Video). Die Mitleidsmasche funktioniert. Nach der Fernsehausstrahlung ist der Sexskandal für die Medien nur noch Schnee von gestern.Dessen Lösung: ein Krieg gegen Albanien. Wobei ein echter Krieg gar nicht nötig ist. Die Inszenierung einer brenzligen Situation im Fernsehen reicht vollkommen. Die Gründe für den fiktiven Militärschlag interessieren den cleveren Spindoktor so wenig wie der Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen. Aber warum Albanien? Breans entwaffnende Antwort: „Warum nicht?“Wirklich gute Filme ahmen wahre Ereignisse nicht nach, sie gehen ihnen voraus! Einen Monat nach der Premiere von „Wag the Dog – Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt“ Ende 1997 kam ans Licht, dass US-Präsident Bill Clinton eine Affäre mit der deutlich jüngeren Praktikantin Monica Lewinsky hatte. Ein Sexskandal im Weißen Haus steht auch am Anfang des Films. Um von ihm abzulenken und dem am Pranger stehenden Präsidenten die Wiederwahl zu sichern, engagieren seine Berater einen Mann für besondere Fälle: „Mr. Alleskleber“ Conrad Brean (Robert De Niro).Wirklich gute Filme ahmen wahre Ereignisse nicht nach, sie gehen ihnen voraus! Einen Monat nach der Premiere von „Wag the Dog – Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt“ Ende 1997 kam ans Licht, dass US-Präsident Bill Clinton eine Affäre mit der deutlich jüngeren Praktikantin Monica Lewinsky hatte. Ein Sexskandal im Weißen Haus steht auch am Anfang des Films. Um von ihm abzulenken und dem am Pranger stehenden Präsidenten die Wiederwahl zu sichern, engagieren seine Berater einen Mann für besondere Fälle: „Mr. Alleskleber“ Conrad Brean (Robert De Niro).

Auch Präsident Bill Clinton wurden die auf die Enthüllungen folgenden Bombardierungen des Sudans und Afghanistans als Ablenkung ausgelegt. Derartiges politisches Kalkül ist nichts Neues. Beginnt nicht nahezu jeder Krieg mit einer Falschmeldung? Schon anlässlich des Aufstands der Kubaner – der tatsächlich 1898 in den Spanisch-Amerikanischen Krieg mündete – soll der mächtige Verleger William Randolph Hearst seine Reporter angewiesen haben: „Ihr besorgt die Fotos, ich liefere den Krieg!“ Belegen freilich lässt sich das Zitat nicht. Mythos und Wahrheit sind manchmal schwer zu trennen.

Spätestens hier wird die Entstehungszeit des Films interessant. Das Internet spielte 1997 noch keine Rolle. Eine so groß angelegte Manipulation wie die Inszenierung eines Krieges erscheint heute unmöglich. Wenn jeder ein Sender sein kann, sind Fotos und Vor-Ort-Berichte schnell im Netz. Klar erkennbar stammt „Wag the Dog“ aus einer anderen Zeit, in der die Leitmedien – Fernsehen, Radio und Print – noch viel mehr Einfluss auf den Informationsfluss hatten und ihnen zugleich ein größeres Vertrauen geschenkt wurde. Heute sind die Möglichkeiten der Manipulation vielleicht kleiner, dafür aber vielfältiger und gewissermaßen demokratischer geworden – im Prinzip kann heute jeder manipulieren, der einen Internetanschluss besitzt. Ob man seiner Fiktion glaubt, entscheidet die Masse.

„Wag the Dog“ ist immer noch aktuell genug, um auch diesen Zustand zu prognostizieren. Als sich die Albanien-Story totzulaufen droht, verlegen sich Motss und Brean auf kleinere Aktionen und mobilisieren so die Massen. Angeblich spontane Sympathiekundgebungen für den erfundenen Kriegshelden William Schumann (Woody Harrelson) werden zum viralen Volkssport. Das Prinzip bleibt das gleiche. Entscheidend ist das sogenannte Agenda-Setting, bei dem gezielt gesteuert wird, welche Informationen und Ereignisse zu wichtigen Themen für die Öffentlichkeit werden – und welche genau nicht.

Als Satire auf die US-amerikanische Politik und die TV-Gesellschaft der 90er-Jahre trifft „Wag the Dog“ alle wunden Punkte, ohne sich selbst allzu ernst zu nehmen. Wer will, kann den Film auch als Parodie auf paranoide Verschwörungstheorien sehen, die es natürlich damals schon gab. Denn so irre wie im Film, mal ehrlich, kann eigentlich niemand sein. Oder doch?