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Who am I

Effektvoll verbogene Hacker-Realität

  • 4 Min.

Warum tun Hacker, was sie tun? Aus Idealismus, sagen manche, um die Grenzen und die Gestaltbarkeit von Systemen auszureizen, und weil sie es können. In „Who Am I – Kein System ist sicher“ gilt dasselbe auch für den Hauptdarsteller: Tom Schilling, einer der ambitioniertesten deutschen Schauspieler, spielt gewohnt grandios den Computernerd Benjamin – weil er es kann. Mit dem Rest ist es komplizierter, wie ja das Hacken an sich.

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cms-image-000043664.jpg (Foto: Sony Pictures)
(Foto: Sony Pictures)

Benjamin hackt noch aus anderen Gründen, nämlich aus Einsamkeit, und ein wenig auch aus Geltungssucht. Er ist schüchtern von Natur aus, empfindet sich als Loser, als Niemand. Doch er findet Mitstreiter, nicht im Netz, sondern in der – ein hier sehr relativer Begriff – Wirklichkeit: Mit dem Frauenschwarm Max (Elyas M’Barek), dem grenzparanoiden Paul (Antoine Monot Jr.) und dem komplett verrückten Stephan (Wotan Wilke Möhring) gründet er die Hackergruppe CLAY. Ihr Ziel ist es, den legendären Superhacker MRX auf sich aufmerksam zu machen und ganz oben mitzuspielen.

Dazu starten sie gewitzte Aktionen wie einen lokal begrenzten Stromausfall, einen schon größeren Hack in der Welt des Finanzsystems oder die ulkige Sabotage eines Nazi-Parteitags. Doch MRX lacht sie nur aus: „CLAY who?“ Ein noch größeres Ding muss her. So gerät der Bundesnachrichtendienst als nächstes Ziel ins Visier, aber damit natürlich auch die Gruppe auf den Schirm des BKA.

Die Visualisierung solcher Vorgänge in den dunkelsten Ecken des Netzes erledigt Regisseur Baran bo Odar („Das letzte Schweigen“) weniger durch schwieriges Computerwissen als durch filmische Mittel: Systematisch negiert CLAY die Grenze zwischen Netz und sichtbarer Realität; auf die elektronische Infiltration des BND folgt notwendig der Einbruch in seine Büroräume. Immer wieder ist die Gruppe ganz handfest auf der Flucht vor der Polizei, die in ihrer analogen Hilflosigkeit schon bald durch die Europol-Cybercrime-Ermittlerin Hanne Lindberg (Trine Dyrholm) verstärkt wird.

Zur Darstellung des „Dark Net“ selbst hat sich Odar etwas Besonderes ausgedacht: Ein hermetisch abgedichteter U-Bahn-Waggon, in dem die User mit Masken als ihre eigenen Avatare auftreten, symbolisiert überraschend anschaulich die Community. Hier sieht man auch MRX – sein „LOL“ bringt in bösen Momenten den ganzen Wagen zum Grollen.

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cms-image-000043663.jpg (Foto: Sony Pictures)
(Foto: Sony Pictures)

In dieser Anschaulichkeit kann man einen Fortschritt sehen. Anders als in Hans-Christian Schmids „23 – Nichts ist so wie es scheint“ (1998), dem deutschen Hacker-Film schlechthin, oder auch in „Matrix“ (1999) ist der virtuelle Raum keine geheimnisvolle Parallelwelt mehr, sondern Realität. Was virtuell geschieht, hat Folgen in der realen Welt. Manche davon, etwa wenn es um seine Liebe zu Marie (Hannah Herzsprung) geht, sind von Benjamin beabsichtigt; andere nicht. Das mit dem Netz aufgewachsene Publikum, an das sich Odars Film vor allem richtet, weiß ohnehin, wovon die Rede ist.

Die konsequent filmische Herangehensweise hat freilich auch ihre Tücken. Odars klar auf Effekt gebürstetes Drehbuch verbiegt die Hacker-Realität ganz ordentlich und orientiert sich stark an Filmvorbildern, die hier ungenannt bleiben, um nicht vorab die heillos komplexen Handlungstwists gen Schluss zu verraten. Insbesondere die Besetzung von Elyas M’Barek („Fack ju Göhte“) verrät den unbedingten Willen, einen ohnehin zeitgeistigen Thriller mit Stars aufzuwerten – insgesamt wirken Benjamins seltsame Freunde allesamt wie Hacker-Darsteller, die man kaum jemals an der Tastatur sieht.

Doch eine Regel von CLAY lautet: Dreistigkeit siegt. Im Netz zumindest kommt man damit recht weit.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.